Darmentzündungen: Biomarker können Therapieerfolg vorhersagen
Hunderttausende Menschen in Deutschland leiden an chronischen Darmentzündungen. Solche Erkrankungen gehen mit schwerwiegenden Beschwerden wie chronischem Durchfall, Fieber und Schmerzen einher. Forschende berichten nun, dass sie Biomarker gefunden haben, die Aufschluss über den Therapieerfolg geben können.
Wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf seiner Webseite berichtet, leiden hierzulande etwa 400.000 Menschen an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Ein internationales Team um Forschende des Exzellenzclusters PMI (Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen) hat nun Biomarker gefunden, die den Erfolg einer Biologika-Therapie vorhersagen können. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Genome Medicine“ veröffentlicht.
Stark beeinträchtigte Lebensqualität
Wie in einer aktuellen Mitteilung des Exzellenclusters PMI erklärt wird, führt bei chronisch-entzündlichen Darmentzündungen (CED), wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa, eine gestörte Immunantwort zu einer Entzündung des Magen-Darm-Trakts, die in Schüben immer wieder aufflammt.
CED-Erkrankte leiden unter Beschwerden wie chronischem Durchfall, Fieber und Schmerzen und ihre Lebensqualität ist stark beeinträchtigt.
Eine etablierte Behandlung bei CED ist die Therapie mit Antikörpern, die sich an entzündungsfördernde Botenstoffe des Immunsystems binden und so deren Funktion blockieren. Zu der Gruppe dieser sogenannten Biologika zählen auch TNF-Alpha-Antikörper (Anti-TNF-Alpha).
Aber rund 40 Prozent der Patientinnen und Patienten sprechen nicht auf diese Biologika-Therapien an. Zudem können schwere Nebenwirkungen auftreten.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters PMI haben jetzt molekularbiologische Marker gefunden, mit deren Hilfe zu Beginn der Behandlung erkannt werden kann, ob die Anti-TNF-Alpha-Therapie anschlagen wird.
Bei manchen Erkrankten war Behandlung nicht erfolgreich
Für ihre Studien haben die Teams um Professor Philip Rosenstiel, Direktor des Instituts fürs klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und Professor Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und des IKMB, das Blut von CED-Erkrankten, die mit einem anti-TNF-Alpha-Antikörper behandelt worden sind, analysiert – und zwar vor Beginn der Therapie und zu verschiedenen Zeitpunkten ab Behandlungsbeginn.
Zum einen haben sie mit modernsten Sequenzier- und Analysemethoden die Genexpression untersucht, also, welche Gene in den Zellen in welchem Umfang aktiv waren, und zum anderen die DNA-Methylierung – das ist eine chemische Veränderung des Erbguts, die ebenfalls Auswirkungen auf die Genaktivitäten hat und in der Regel länger bestehen bleibt.
„Zwei Wochen nach Therapiebeginn konnten wir eine deutliche Veränderung im Muster der Genexpression und Methylierung feststellen, die spezifisch nur bei sogenannten Respondern vorkamen, also den Patientinnen und Patienten, die später auf die Therapie ansprachen“, erläutert die Erstautorin der Arbeit, Dr. Neha Mishra, Bioinformatikerin am IKMB und Mitglied des Exzellenzclusters PMI.
Bei den Patientinnen und Patienten, die dieses Muster zu diesem Zeitpunkt nicht aufwiesen, war auch später die Behandlung nicht erfolgreich.
50 Gene könnten sich besonders gut als Biomarker eignen
„Wir haben die Analysen anschließend mithilfe einer zweiten, unabhängigen Patientenkohorte bestätigt – dadurch sind die gewonnen Daten besonders verlässlich“, sagt Mishra. Die Forschenden fanden rund 4.000 Gene, die bei den Respondern in ihrer Aktivität verändert waren.
In der klinischen Anwendung wäre es zu zeitaufwendig und teuer die Blutproben der Erkrankten nach all diesen Genen zu untersuchen.
Daher haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daraus Gengruppen, insgesamt rund 50 Gene, identifiziert, die sich besonders gut als Biomarker eignen könnten, also als Werte, mit denen sich in der klinischen Anwendung das Therapieansprechen vorhersagen lässt.
„Unsere Erkenntnisse sind ein erster Schritt für einen echten präzisionsmedizinischen Ansatz in der Behandlung von CED Patientinnen und Patienten. Die Biomarker zielen darauf ab, dass Ärztinnen und Ärzte in der Zukunft eine individuelle, molekular begründete Entscheidung für eine gezielte Therapie treffen können“, so Rosenstiel.
„Dadurch könnten Patientinnen und Patienten, denen die anti-TNF-Alpha-Therapie nicht helfen wird, diese frühzeitig abbrechen und so unnötige Nebenwirkungen vermeiden und schneller eine für sie geeignete Therapie finden. Auch könnten so dem Gesundheitssystem unnötige Kosten erspart bleiben“, führt Rosenstiel weiter aus.
Ansatz schon in klinischer Erprobung
Im Kieler Exzellenzzentrum für Entzündungsmedizin (CCIM) am UKSH ist dieser Ansatz schon in einer ersten klinischen Erprobung. „Patientinnen und Patienten, die bei uns mit TNF-Alpha-Antikörpern behandelt werden, werden seit Neuestem im Rahmen einer Studie zwei Wochen nach Therapiebeginn auf diese Muster in der Genaktivität untersucht“, erklärt PMI-Sprecher Prof. Stefan Schreiber.
„Die Ergebnisse besprechen wir fachübergreifend und entscheiden gemeinsam, ob angesichts der vorliegenden Daten die Behandlung weiterhin zielführend ist und fortgesetzt werden sollte“, sagt der Experte.
„Unsere Patientinnen und Patienten profitieren also bereits jetzt direkt von den neusten Erkenntnissen aus der Forschung des Exzellenzcluster PMI. Gleichzeitig können wir auf diese Weise die neuen Biomarker in der Praxis erforschen und die Analysemethode so optimieren, dass sie hoffentlich zukünftig regulär klinisch eingesetzt werden kann.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen: Chronische Darmentzündung: Therapieerfolg von Biologikum vorhersagen, (Abruf: 15.11.2022), Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen
- Mishra, N., Aden, K., Blase, J.I., N. Baran, D. Bordoni, F. Tran, C. Conrad, D. Avalos, C. Jaeckel, M. Scherer, S.B. Sörensen, S. Overgaard, B. Schulte, S. Nikolaus, G. Rey, G. Gasparoni, P.A. Lyons, J.L. Schultze, J. Walter, V. Andersen, SYSCID Consortium, E. T. Dermitzakis, S. Schreiber & P. Rosenstiel: Longitudinal multi-omics analysis identifies early blood-based predictors of anti-TNF therapy response in inflammatory bowel disease; in: Genome Medicine, (veröffentlicht: 24.09.2022), Genome Medicine
- Bundesministerium für Bildung und Forschung: Darmentzündungen ohne Nebenwirkungen therapieren, (Abruf: 15.11.2022), www.gesundheitsforschung-bmbf.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.