Morbus Crohn: Studie weist auf bisher nicht bekannten Entstehungsweg hin
Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, von der allein in Deutschland Hunderttausende Menschen betroffen sind. Die genauen Ursachen für die Krankheit sind bislang nicht eindeutig geklärt. Es ist aber bekannt, dass einige Faktoren wie die Genetik einen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung haben. Forschende haben nun zehn neue Risikogene für Morbus Crohn gefunden.
In einer internationalen Studie wurden zehn neue Risikogene für Morbus Crohn gefunden. Zudem weist die Arbeit auf einen bisher nicht bekannten Entstehungsweg der chronisch entzündlichen Darmerkrankung hin. Die Ergebnisse der Studie mit Beteiligung des Exzellenzclusters Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen (Precision Medicine in Chronic Inflammation, PMI) wurden in der Fachzeitschrift „Nature Genetics“ veröffentlicht.
Gene waren in bisherigen Studien noch nicht aufgefallen
Laut einer Mitteilung des Exzellenzclusters PMI verglich ein internationales Konsortium DNA-Proben von etwa 30.000 Menschen mit Morbus Crohn und 80.000 Kontrollpersonen ohne diese Krankheit, um Auffälligkeiten im Genom von Patientinnen und Patienten mit dieser Darmerkrankung nachzuweisen.
Ziel der Forschenden war es, Genvarianten zu finden, die anfällig für die chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED) machen. Untersuchungsmethode war die sogenannte Exom-Sequenzierung, bei der alle genomischen Bereiche sequenziert werden, die für Proteine kodieren.
Bisher wurde vor allem in genomweiten Assoziationsstudien nach Auffälligkeiten im Genom von Erkrankten gesucht.
„In der neuen Studie haben wir genetische Varianten in zehn Genen identifiziert, die die Anfälligkeit für Morbus Crohn erhöhen. Dabei wurden Veränderungen von sechs Genen in Regionen identifiziert, die bisher nicht mit Morbus Crohn in Verbindung gebracht worden waren“, erläutert Professor Andre Franke vom Exzellenzcluster PMI, der mit seiner Arbeitsgruppe an der Studie beteiligt war.
„Durch diese Gene die in bisherigen Genomstudien noch nicht aufgefallen sind, werden sich neue Ansätze für Therapieverfahren ergeben“, so PMI-Sprecher Professor Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel und Direktor am Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem UKSH, Campus Kiel.
Eingeschränkte Lebensqualität
Morbus Crohn ist eine die Lebensqualität einschränkende Krankheit die durch schubweise auftretende, chronische Entzündungen des Magen-Darm-Trakts gekennzeichnet ist. Die Ursachen der Krankheit sind bislang nur unzureichend erforscht.
Es wird angenommen, dass sie durch eine überschießende Immunreaktion bei genetisch anfälligen Personen ausgelöst wird. Zwar gibt es Medikamente, die bei vielen Betroffenen eine Linderung der Symptome bewirken, eine Heilung ist jedoch nicht möglich, und schwere Krankheitsschübe sind häufig.
Über 200 mit Morbus Crohn assoziierte Regionen des Genoms identifiziert
Frühere genomweite Assoziationsstudien (GWAS) haben über 200 Regionen des Genoms identifiziert, die mit Morbus Crohn assoziiert sind. Diese Studien sind aber darauf beschränkt, nach bestimmten, vorher bekannten Varianten zu suchen.
„Zudem fallen in diesen Studien meist Veränderungen auf, die sich nicht in einer Protein-kodierenden Region befinden. Das macht es schwieriger, die Gene zu identifizieren, die betroffen sind“, sagt Co-Autorin Dr. Britt-Sabina Löscher, Postdoktorandin in Frankes Arbeitsgruppe am IKMB.
Zur Ergänzung von GWAS, zur besseren Definition von biologischen Zielen und zur Identifikation von seltenen Varianten erfolgte daher die großangelegte Studie unter Leitung von Arbeitsgruppen des Broad Institute am Massachusetts Institute of Technology, Harvard University, und des Wellcome Sanger Institute, Cambridge, USA.
In die Studie flossen Proben aus mehr als 35 Zentren weltweit ein, darunter auch solche von der CED-Kohorte des Exzellenzclusters PMI. So kamen insgesamt Proben von rund 30.000 Patientinnen und Patienten und 80.000 Kontrollen zusammen. Nur mit diesen großen Probenzahlen ist es möglich, auch seltene Varianten zu erkennen, die die Erkrankung antreiben.
Zentrale Rolle der Immunzellen
„Die neu entdeckten Risikovarianten für Morbus Crohn unterstreichen nicht nur die zentrale Rolle der angeborenen und erworbenen Immunzellen sowie der Autophagie (das „Recyclingprogramm“ der Zelle) bei der Krankheitsentstehung, sondern decken auch die Rolle mesenchymaler Zellen bei der Darmentzündung auf“, erklärt Co-Autor Professor Stefan Schreiber.
„Damit tragen sie dazu bei, die genetischen Wurzeln der entzündlichen Darmerkrankung zu ergründen und liefern neue Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Therapien“, betont der Wissenschaftler.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, sind mesenchymale Zellen eine Art von Stammzellen im Darm. Sie spielen eine Rolle bei der Reifung, Migration sowie Rekrutierung von Immunzellen. Offenbar trägt eine Störung dieser Zellen laut den Fachleuten dazu bei, Darmentzündungen auszulösen und aufrechtzuerhalten. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen: Großangelegte Studie findet zehn neue Risikogene für Morbus Crohn, (Abruf: 13.09.2022), Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen
- Sazonovs A et al.: Large-scale sequencing identifies multiple genes and rare variants associated with Crohn’s disease susceptibility; in: Nature Genetics, (veröffentlicht: 29.08.2022), Nature Genetics
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