MS-Risiko offenbar mit bestimmten Darmbakterien verbunden
Sei längerem wird bereits ein Zusammenhang zwischen dem Risiko für Multiple Sklerose (MS) und bestimmten Darmbakterien diskutiert. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass das Darmmikrobiom das MS-Risiko sowie den Verlauf und das Fortschreiten der Erkrankung beeinflusst.
Im Rahmen der Internationalen Multiple-Sklerose-Mikrobiom-Studie (iMSMS) wurden mögliche Zusammenhänge zwischen dem Darmmikrobiom (Darmflora) und dem Erkrankungsrisiko für MS sowie dem Krankheitsverlauf und dem Ansprechen auf eine Therapie untersucht. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlicht.
Neu Erkenntnisse zu MS-Ursachen
Lange konnten keine größeren Erfolge bei der Suche nach den Ursachen der chronisch-entzündlichen neurologischen Erkrankung MS erzielt werden. Anfang dieses Jahres wurde dann das Epstein-Barr-Virus erstmals eindeutig als potenzieller MS-Auslöser identifiziert.
Weiterhin mehren sich auch die Hinweise darauf, dass die Darmflora ebenfalls einen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko und den Verlauf haben könnte. An 576 MS-Patientinnen und -Patienten (36 % unbehandelt) und 1.152 gesunden Kontrollpersonen wurde in der neuen Studie nun mögliche Zusammenhängen untersucht.
Unterschiede in der Darmflora
In der Darmflora der MS-Betroffenen konnten die Forschenden unter anderem einen signifikant erhöhten Anteil der Bakterien Akkermansia muciniphila, Ruthenibacterium lactatiformans, Hungatella hathewayi und Eisenbergiella tayi nachweisen.
Der Anteil von anderen Arten wie Faecalibacterium prausnitzii und Blautia war hingegen bei MS reduziert. Auch war „der Weg des Phytatabbaus in unbehandeltem MS überrepräsentiert, während die Pyruvat-produzierenden Kohlenhydratstoffwechselwege deutlich reduziert waren“, berichten die Forschenden.
Behandlungserfolg abhängig von der Darmflora?
Nicht zuletzt habe sich die Zusammensetzung der Darmflora, deren Funktion und die entsprechende Freisetzung von Metaboliten auch in Reaktion auf erfolgte Therapie verändert. Den Forschenden zufolge könnte zum Beispiel die therapeutische Wirkung von Interferon-β demnach zum Teil mit der Hochregulierung kurzkettiger Fettsäuretransporter verbunden sein.
Und einige der Bakterien, die mit MS in Verbindung gebracht wurden, scheinen zum Beispiel eine Rolle bei der Verarbeitung von Pflanzenfasern zu spielen, deren Nebenprodukte bei MS-Betroffenen in erhöhter Konzentration vorkommen, berichtet das Team.
Andere Arten haben laut den Forschenden offenbar einen Einfluss auf Entzündungen und den Energieproduktionsapparat der Zelle. „Wir waren überrascht von der Anzahl der Arten, die bei MS im Vergleich zu den Kontrollpersonen in unterschiedlichem Maße vorhanden waren“, so der Hauptautor der Studie Professor Sergio Baranzini vom UCSF Weill Institute for Neurosciences.
Die Studienergebnisse weisen deutlich auf spezifische Zusammenhänge zwischen dem Darmmikrobiom und dem MS-Risiko, dem Verlauf und dem Fortschreiten der Erkrankung hin und zeigen funktionellen Veränderungen der Darmflora infolge der Behandlung auf, fassen die Forschenden zusammen.
Hoffnung auf neue Therapien
Diese Erkenntnisse lassen auch auf die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze hoffen, allerdings sei in den weiteren Schritten der Internationalen Multiple-Sklerose-Mikrobiom-Studie zunächst zu klären, welchen Effekt die einzelnen Bakterien haben, so der Hauptautor.
Nachdem die Bakterien identifiziert wurden, die bei MS eine Rolle spielen könnten, gelte es nun herauszufinden, welche Signalwege dabei aktiv sind, erläutert Baranzini. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- iMSMS Consortium: Gut microbiome of multiple sclerosis patients and paired household healthy controls reveal associations with disease risk and course; in: Cell (veröffentlicht 15.09.2022), cell.com
- University of California San Francisco: Dozens of Gut Bacteria Associated with Multiple Sclerosis (veröffentlicht 15.09.2022), ucsf.edu
Wichtiger Hinweis:
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