Darmflora reguliert Hormone und Bauchspeicheldrüsen-Funktionen
Die Darmflora, genauer gesagt das Darmmikrobiom, hat laut aktuellen Forschungsergebnissen einen weitreichenden Einfluss auf den Stoffwechsel. Offenbar sind Darmbakterien an der Regulierung von Bauchspeicheldrüsen-Funktionen sowie an der Hormonproduktion im Magen-Darm-Trakt beteiligt. Die Erkenntnisse eröffnen neue Behandlungsansätze bei Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes oder bei Hormonstörungen.
Forschende des Boston College (USA), des Joslin Diabetes Center und der Universität Maastricht (Niederlande) haben herausgefunden, dass das Mikrobiom im Darm Funktionen der Bauchspeicheldrüse reguliert und zudem die Hormonproduktion im Magen-Darm-Trakt beeinflusst. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Diabetes“ vorgestellt.
Diabetes und Adipositas breiten sich immer weiter aus
In den USA nimmt genau wie in Deutschland die Prävalenz von Diabetes und starkem Übergewicht (Adipositas) fortlaufend zu. Mehr als 37 Millionen US-Amerikanerinnen und Amerikaner sind an Diabetes erkrankt. Über 40 Prozent der Bevölkerung werden nach Angaben der U.S. Centers for Disease Control and Prevention als fettleibig eingestuft.
Welchen Einfluss hat die Darmflora auf den Stoffwechsel
In der Medizinforschung wird händeringend nach Möglichkeiten gesucht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass die Darmflora einen weitreichenden Einfluss auf die Gesundheit des Menschen hat. Unklar war bislang, ob und wie die Darmflora auf den Stoffwechsel und die Hormonsekretion einwirkt.
Nun belegte das Forschungsteam erstmals, dass Darmmikroben die Hormon-Produktion und Bauchspeicheldrüsen-Funktionen beeinflussen. Die Ergebnisse der Studie legen den Grundstein für neue Behandlungsansätze gegen Stoffwechselkrankheiten und Hormonstörungen.
„Unsere Ergebnisse sind ganz neu und sehr aufregend“, betont Studienmitautor Emrah Altindis vom Boston College. Darmmikroben haben ihm zufolge eine weitreichende Rolle bei der Regulierung der Bauchspeicheldrüsenfunktion sowie bei der Sekretion von Darmhormonen.
Die Bauchspeicheldrüse im Fokus
Besonderes Augenmerk richtete das Team auf die Bauchspeicheldrüse, denn das Organ ist im hohen Maße am Stoffwechsel des Wirts beteiligt und schüttet Enzyme für die Verdauung aus. Ist die Funktion der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigt, können Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes entstehen.
Antibiotika veränderten den Stoffwechsel
Die Arbeitsgruppe teilte eine Gruppe von adipösen Mäusen mit Insulinresistenz in drei Gruppen ein. Zwei der Gruppen erhielten unterschiedliche Antibiotika, die die Darmflora der Tiere veränderte.
Mit der Antibiotika-Einnahme veränderten sich trotz gleichbleibender Ernährung die Insulinempfindlichkeit und die Glukosetoleranz der Mäuse. Bei den Tieren, die keine Antibiotika erhielten, fanden keine Veränderungen im Stoffwechsel statt.
Bei mageren Mäusen, die Antibiotika erhielten, konnten die Forschenden eine Zunahme der Insulinempfindlichkeit feststellen.
Darmbakterien wirken auf den Stoffwechsel
„Diese Übereinstimmung unserer Ergebnisse sowohl bei mageren als auch bei fettleibigen Mäusen deutet darauf hin, dass die Auswirkungen auf den Stoffwechsel nicht von der Ernährung und der Fettmasse abhängig sind, sondern direkt mit der veränderten Zusammensetzung der Darmmikrobiota zusammenhängen“, folgert Altindis.
Zudem konnte die Arbeitsgruppe bei den fettleibigen Mäusen eine Vergrößerung der Bauchspeicheldrüse beobachten. Nach einer Antibiotika-Einnahme normalisierte sich die Größe des Organs wieder.
Darüber hinaus dokumentierte das Team bei den Mäusen eine Veränderung von wichtigen Bauchspeicheldrüsen-Enzymen, wenn die Tiere Antibiotika erhielten.
Fehlfunktion der Bauchspeicheldrüse durch fettreiche Ernährung
Die Veränderung der Enzyme durch Antibiotika konnte nur bei adipösen Mäusen beobachtet werden, nicht jedoch bei normalgewichtigen Tieren. Dies deutet darauf hin, dass die Fettleibigkeit die Veränderung der Enzyme hervorgerufen hat und sich die Enzym-Produktion durch die Antibiotika-Einnahme normalisierte.
Darmflora für veränderten Stoffwechsel verantwortlich
In einem weiteren Schritt überprüfte die Arbeitsgruppe, ob die beobachteten Auswirkungen tatsächlich mit dem Darmmikrobiom zusammenhängen. Hierzu übertrug das Team die Darmflora von den fettleibigen Mäusen auf Mäuse mit einem keimfreien Darm, woraufhin sich bei den Tieren alle Effekte einstellten, die auch bei den fettleibigen Tieren beobachtet wurden.
„Das beweist, dass die Darmmikroben für die Effekte auf die Darmhormone verantwortlich sind und die Produktionsprozesse der Darmhormone des Wirts direkt regulieren“, resümiert Altindis.
Ähnliche Auswirkungen bei Menschen
Im letzten Schritt überprüften die Forschenden die Erkenntnisse an menschlichen Stuhlproben. Bei Stuhlproben von adipösen und insulinresistenten Männern konnten sehr ähnliche Veränderungen wie bei den Mäusen beobachtet werden, wenn die Probanden eine Woche lang das Antibiotikum Vancomycin einnahmen.
„Wir konnten zeigen, dass eine einwöchige Vancomycin-Behandlung ausreicht, um die Enzymwerte in der Bauchspeicheldrüse zu verändern“, unterstreicht Altindis.
In einer Folgestudie möchte die Arbeitsgruppe nun die zugrundeliegenden Mechanismen der beobachteten Prozesse genauer untersuchen. Unter anderem will das Team die Bakterienarten und deren Stoffwechselprozesse identifizieren, die zu den Veränderungen an den Bauchspeicheldrüsenfunktionen geführt haben. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Khyati Girdhar; Marion Soto; Qian Huang; et al.: Gut Microbiota Regulate Pancreatic Growth, Exocrine Function and Gut Hormones; in: Diabetes (2022), diabetesjournals.org
- Boston College: Diabetes researchers find gut microbiota regulate pancreatic growth, exocrine function, and gut hormones (veröffentlicht: 13.04.2022), eurekalert.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.