Bei Herzkrankheiten ist auch das Darmmikrobiom gestört
Der menschliche Darm enthält Billionen von Bakterien, die als Darmmikrobiom oder im Volksmund als Darmflora bezeichnet werden. Forschungsarbeiten der letzten Jahre haben im mehr Verbindungen zwischen der Darmflora und der Gesundheit des Menschen gezogen. Nun zeigt ein Forschungsteam eine Verbindung zwischen einer aus dem Gleichgewicht geratenen Darmflora und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Angina pectoris oder Herzversagen.
Der Einfluss von Darmbakterien ist weitreichender als bis vor kurzem vermutet. Forschende der Universität von Kopenhagen fanden nun heraus, welche Wechselwirkungen zwischen der Darmflora und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestehen. Die Ergebnisse, die kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Medicine“ vorgestellt wurden, beantworten zudem ein wichtiges Henne-Ei-Problem zu dieser Thematik.
Was war zuerst da – Herzkrankheit oder kaputte Darmflora?
Ein ungesunder Lebensstil mit schlechter Ernährung, Bewegungsmangel und Konsum von Tabakwaren erhöht das Risiko massiv, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Gleichzeitig wird das Mikrobiom im Darm durch den Lebensstil geprägt, beispielsweise durch ungesunde Ernährung.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass Menschen mit chronischen Herzerkrankungen oft auf eine veränderte Darmflora aufweisen. Gleichzeitig erhalten Betroffene mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig Medikamente, die ebenfalls das Mikrobiom im Darm beeinflussen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Herzerkrankungen oft Hand in Hand mit weiteren verbundenen Krankheitsbildern auftreten, wie beispielsweise Diabetes und starkes Übergewicht (Adipositas). Diese Erkrankungen beeinflussen den Stoffwechsel einer Person, wodurch wiederum die Darmflora in Mitleidenschaft gezogen wird.
Das Herz-Darmflora-Problem
Das europäische Forschungsteam hat nun im Rahmen der aktuellen Studie aufgeklärt, ob ein gestörtes Darmmikrobiom an der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt ist, oder ob eine aus dem Gleichgewicht geratene Darmflora die Folge von Herzkrankheiten ist.
Um diese kritischen Fragen zu beantworten, gründete ein europäisches Forscherkonsortium im Jahr 2012 das von der EU finanzierte Forschungsprojekt MetaCardis. Ziel des Projektes ist es, die Rolle des Darmmikrobioms bei kardiometabolischen Erkrankungen zu untersuchen. Jetzt hat die Arbeitsgruppe die neusten Ergebnisse aus dem Projekt vorgestellt.
Für die Studie wurden 1.241 Personen mittleren Alters aus Dänemark, Frankreich und Deutschland rekrutiert, darunter gesunde Personen, Menschen mit Adipositas und Typ-2-Diabetes (aber ohne Herzkrankheiten) sowie Betroffene mit Herzkreislauferkrankungen wie Herzinfarkt, Angina pectoris oder Herzversagen.
Rund 700 verschiedene Darmbakterienarten überwacht
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler quantifizierten etwa 700 verschiedene Bakterienarten und schätzten ihre Funktionen im Darmmikrobiom ein und verglichen diese Ergebnisse mit mehr als 1.000 stofflichen Verbindungen, die im Blut zirkulieren – die meisten dieser Verbindungen waren Produkte der Darmbakterien.
Hälfte der Bakterien beeinflusst den Krankheitsverlauf nicht
„Wir fanden heraus, dass etwa die Hälfte dieser Darmbakterien und Blutbestandteile durch eine medikamentöse Behandlung verändert wurden und nicht direkt mit einer Herzerkrankung oder den frühen Krankheitsstadien wie Diabetes oder Fettleibigkeit zusammenhängen, die vor der Diagnose einer Herzerkrankung auftreten“, erläutert Forschungsleiter Professor Oluf Pedersen von der Universität Kopenhagen.
Teil der Darmbakterien an krankmachenden Prozessen beteiligt
„Bei der verbleibenden Hälfte traten etwa 75 Prozent der Störungen des Darmmikrobioms in den frühen Krankheitsstadien von Übergewicht und Typ-2-Diabetes auf, viele Jahre bevor die Patienten Symptome einer Herzerkrankung bemerkten“, betont der Studienleiter.
Diese frühen Veränderungen im Mikrobiom blieben bei den Betroffenen mit Herzerkrankungen bestehen. Sowohl im frühen Stadium als auch im späteren Verlauf der diagnostizierten Herzerkrankung war die kranke Darmflora durch einen Verlust an Bakterien-Vielfalt und Menge gekennzeichnet.
Darüber hinaus konnte bei den Betroffenen mit Herzkrankheiten eine Verschiebung zu ungünstigen Bakterienarten hin beobachtet werden, von denen bekannt ist, dass sie dem Stoffwechsel eher ungesunde Verbindungen (Cholin und L-Carnitin) hinzufügen.
Darmflora ist an der Entstehung von Herzkrankheiten beteiligt
„Es ist jetzt klar, dass im Darmmikrobiom von Patienten mit Herzerkrankungen erhebliche Störungen auftreten und dass diese Veränderungen viele Jahre vor dem Auftreten von Symptomen und der Diagnose einer Herzerkrankung beginnen können“, resümiert Pedersen. Diese Mikrobiom-Veränderungen lassen sich ihm zufolge eindeutig nicht durch medikamentöse Behandlungen erklären.
Die richtige Ernährung kann helfen
„Interventionen sowohl beim Menschen als auch bei Nagetieren haben gezeigt, dass ein unausgewogenes Darmmikrobiom in verschiedenen Stadien der Entwicklung von Herzkrankheiten durch eine stärker pflanzlich orientierte und energiekontrollierte Ernährung, den Verzicht auf das Rauchen und die Einhaltung von täglicher Bewegung verändert und teilweise wiederhergestellt werden kann“, hebt Pedersen hervor.
Es sei nun an der Zeit, die gesammelten Erkenntnisse über die Rolle des Darmmikrobioms in die Praxis zu übertragen, damit die öffentliche Gesundheit davon profitieren kann, betont der Studienleiter abschließend. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of Copenhagen: Scientists characterize the imbalanced gut bacteria of patients with myocardial infarction, angina and heart failure (veröffentlicht: 18.02.2022), cbmr.ku.dk
- Talmor-Barkan, Y., Bar, N., Shaul, A.A. et al. Metabolomic and microbiome profiling reveals personalized risk factors for coronary artery disease. Nat Med (2022), nature.com
- Fromentin, S., Forslund, S.K., Chechi, K. et al. Microbiome and metabolome features of the cardiometabolic disease spectrum. Nat Med (2022), nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.