Einfluss der Darmflora auf die Hirngesundheit
Die Darmflora scheint eine Schlüsselrolle für die Gesundheit des Gehirns zu spielen und dort Proteinablagerungen zu beeinflussen, die das Hirngewebe schädigen und die Neurodegeneration bei Erkrankungen wie Alzheimer verstärken.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der Washington University School of Medicine wurde an Mäusen untersucht, wie sich Veränderungen des Darmmikrobioms auf das Ausmaß der Neurodegeneration und das sogenannte Tau-Protein auswirken. Die Ergebnisse sind in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht.
Zusammenhang an Mäusen untersucht
Zunächst hat das Team das Darmmikrobiom von Mäusen so verändert, dass dieses eine mutierte Form des menschlichen Tau-Proteins exprimierten. Zusätzlich trugen einige Tiere eine Variante des menschlichen APOE-Gens (APOE4) in sich, dass als wichtiger genetischer Risikofaktor für Alzheimer gilt.
Durch eine Aufzucht der Mäuse unter sterilen Bedingungen entwickelten die Tiere kein Darmmikrobiom. Wurden die Tiere hingegen unter nicht sterilen Bedingungen aufgezogen, entwickelten sie eine normale Darmflora, wobei sie dann im Alter von zwei Wochen Antibiotika erhielten, was dauerhaft die Zusammensetzung der Bakterien ihres Mikrobioms veränderte.
Weniger Hirnschäden bei fehlender Damflora
Bei den anschließenden Untersuchungen des Gehirns zeigte sich, dass in steril aufgezogenen Tieren im Alter von 40 Wochen viel weniger Schäden am Gehirn vorhanden waren als bei Mäusen mit einem normalen Mikrobiom. Es lagerte sich weniger Tau-Protein im Gehirn der Mäuse ab, wodurch die Schäden an den Neuronen und die Atrophie des Gehirns verringert wurde.
Erhielten die Mäuse mit normaler Darmflora über einen Zeitraum von einer Woche Antibiotika, veränderte sich die Zusammensetzung des Mikrobioms sowie auch die Immunreaktionen und das Ausmaßes der auftretenden Neurodegeneration im Zusammenhang mit dem Tau-Protein.
Schutzeffekt von Antibiotika?
Männliche Mäuse zeigten daraufhin ein reduziertes Ausmaß der Hirnschäden, welche normalerweise im Alter von 40 Wochen vorhanden waren. Die Schutzwirkung durch die Veränderung des Darmikrobioms fiel in Tieren mit APOE3-Variante stärker aus, als bei Mäusen mit der APOE4-Variante, berichten die Fachleute.
Laut den Forschenden könnte dies darauf zurückzuführen sein, dass die schädlichen Auswirkungen von APOE4 einen Teil der Schutzwirkung der Veränderung des Darmikrobioms aufhoben. Zudem zeigte sich, dass die Behandlung mit Antibiotika bei weiblichen Mäusen keinen nennenswerten Einfluss auf die Neurodegeneration hatte.
„Aus Studien zu Hirntumoren, normaler Gehirnentwicklung und ähnlichen Themen wissen wir bereits, dass Immunzellen in männlichen und weiblichen Gehirnen sehr unterschiedlich auf Reize reagieren“, erläutert hierzu der Studienautor Dr. David M. Holtzman in einer Pressemitteilung. Der festgestellte Unterschied zwischen den Geschlechtern sei daher nicht sonderlich überraschend.
Die Fachleute untersuchten außerdem die Wirkung von drei spezifischen kurzkettigen Fettsäuren. Diese Verbindungen waren mit der Neurodegeneration verbunden.
Bei Tieren mit einem durch Antibiotika veränderten Darmmikrobiom kamen die Fettsäuren allerdings nur selten vor und bei Mäusen´ohne Darmmikrobiom waren sie überhaupt nicht nachweisbar, berichtet das Team.
Wie kurzkettige Fettsäuren Neurodegeneration auslösen
Die kurzkettigen Fettsäuren scheinen laut Aussage der Forschenden die Neurodegeneration auszulösen, indem sie Immunzellen im Blutkreislauf aktivieren. Diese Immunzellen aktivieren Immunzellen im Gehirn, was mit einer Schädigung des Hirngewebes verbunden sei.
Wenn Mäuse mittleren Alters ohne Mikrobiom mit den drei kurzkettigen Fettsäuren gefüttert wurden, reagierten ihre Immunzellen im Gehirn stärker und ihre Gehirne zeigten mehr Anzeichen von Tau-bedingten Schäden, so die Forschenden weiter.
Neue Behandlungsansätze für neurodegenerative Erkrankungen
Insgesamt geben die Ergebnisse der Untersuchung Hinweise darauf, wie das Mikrobiom die Tau-vermittelte Neurodegeneration beeinflusst und sie deuten darauf hin, dass Behandlungen, welche das Darmmikrobiom verändern, den Beginn oder das Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen beeinflussen können, erläutert Studienautorin Dr. Linda McGavern.
Das Team hofft, dass die Erkenntnisse aus der Studie zur Vorbeugung und Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen verwendet werden können. Dies könne beispielsweise durch eine Veränderung der Darmflora durch Antibiotika, Probiotika oder eine speziellen Ernährung geschehen. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Dong-oh Seo, Nimansha Jain, Jason D. Ulrich, Jasmin Herz, Yuhao Li, et al. : ApoE isoform– and microbiota-dependent progression of neurodegeneration in a mouse model of tauopathy; in: Science (veröffentlicht 13.01.2023), Science
- Washington University School of Medicine: Gut bacteria affect brain health, mouse study shows (veröffentlicht 12.01.2023), Washington University School of Medicine
Wichtiger Hinweis:
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