Starke Schwankungen der Darmflora im Tages- und Jahresverlauf
Die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft in unserem Darm, kurz als Darmflora oder Darmmikrobiom bezeichnet, unterliegt sowohl im Tagesverlauf als auch im Jahresverlauf wesentlich stärkeren Veränderungen, als bisher angenommen. Hier könnte auch ein Zusammenhang mit wiederkehrenden saisonalen Erkrankungen bestehen.
Ein Forschungsteam um Dr. Carolina Dantas Machado von der University of California, San Diego (USA) hat untersucht, inwiefern das menschliche Darmmikrobiom tages- und jahreszeitlich bedingte wiederkehrende Muster aufweist. Die entsprechenden Studienergebnisse werden auf der „Digestive Disease Week“ Anfang Mai vorgestellt und wurden vorab in einer Pressemitteilung bekanntgeben.
Viele Bakterien unterliegen einem 24-Stunden-Zyklus
Für die Studie hat das Team die Daten von rund 20.000 Stuhlproben ausgewertet, die zwischen 2013 und 2019 auf der ganzen Welt gesammelt wurden. Bei der Analyse der Sammelzeit, des Datums und des Ortes fanden die Forschenden heraus, dass fast 60 Prozent der Bakterienstämme einem ausgeprägten 24-Stunden-Zyklus unterliegen.
Die saisonalen Schwankungen waren sogar noch ausgeprägter, wobei bestimmte Bakterienarten im Laufe eines Jahres einem von zwei verschiedenen Mustern folgten, berichten die Forschenden.
„Die saisonalen Schwankungen, die wir bei Krankheiten wie Allergien oder Grippe beobachten, treten im Zusammenhang mit völlig unterschiedlichen Mikrobiomen auf“, so Dr. Carolina Dantas Machado.
Darmflora stark variabel und dynamisch
Wie die Jahreszeiten die Gesundheit und das Auftreten von Krankheit beeinflussen, sei im Kontext mit einem Mikrobiom zu betrachten, „das viel variabler und dynamischer ist, als wir bisher angenommen haben.“
Anhand von zwei Beispielen veranschaulichen die Forschenden, wie die täglichen und saisonalen Trends ablaufen. So schwankte die Zahl der als Actinobacteriota bezeichneten Organismen im Tagesverlauf, wobei morgens niedrigere Werte und gegen Ende des Tages wesentlich höhere Werte festgestellt wurden, berichtet das Team.
Bei den Proteobakterien seien indes deutliche Veränderungen im Jahresverlauf aufgetreten, wobei die Werte im Winter auf dem niedrigsten Stand waren und im Sommer ihren Höchststand erreichten.
Ernährung und Schlaf als Einflussfaktoren
Während die jahreszeitlichen Schwankungen schwieriger zu erklären sind, machen die Forschenden für die Veränderungen im Tagesverlauf vor allem die Ernährung und den Schlaf verantwortlich. Zum Beispiel hatten frühere Studien bereits gezeigt, dass sich die Darmflora des Dünndarms dynamisch an den Ernährungszustand anpasst.
„Man kann sich vorstellen, dass die Darmumgebung in Bezug auf die Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser sowie den pH-Wert radikal anders ist, wenn die Person schläft, als wenn sie direkt nach dem Frühstück isst“, erläutert Studienautor Dr. Amir Zarrinpar von der University of California.
Bei den saisonale Schwankungen sind die Forschenden allerdings noch auf der Suche nach den Faktoren, die eine Rolle spielen. Licht und Temperatur, aber auch Pollenflug und Luftfeuchtigkeit sind ihrer Ansicht nach mögliche Einflüsse.
Weitere Untersuchungen erforderlich
Medizinerinnen und Mediziner weltweit sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass bei der Untersuchung des Darmmikrobioms anhand von Stuhlproben die Schwankungen im Verlauf des Tages und Jahres erheblichen Einfluss auf das Ergebnis haben können, betonen die Forschenden.
Auch könnten die Veränderungen des Mikrobioms möglicherweise Einfluss auf die Verstoffwechselung von Medikamenten haben, weshalb hier dringend weitere Untersuchungen erforderlich sind. Dies gilt ebenso für einen möglichen Zusammenhang mit dem Auftreten saisonaler Erkrankungen. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Digestive Disease Week: Gut microbiome fluctuates throughout the day and across seasons (veröffentlicht 28.04.2023), eurekalert.org
- Bahtiyar Yilmaz, Tobias Fuhrer, Deborah Morgenthaler, Niklas Krupka, Daoming Wang, Daniel Spari, Daniel Candinas, Benjamin Misselwitz, Guido Beldi, Uwe Sauer & Andrew J. Macpherson: Plasticity of the adult human small intestinal stoma microbiota; in: Cell Host & Microbe, (veröffentlicht: 31.10.2022), cell.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.