Zucker-verursachte Darmflora-Störung erhöht Diabetes-Risiko
Die westliche Ernährung ist reich an Zucker. Ein hoher Zuckerkonsum setzt laut einer aktuellen Studie eine Kette von Ereignissen in Gang, die zu Stoffwechselkrankheiten, Prädiabetes und Gewichtszunahmen führen können. Zurückzuführen ist dieser Prozess auf eine Veränderung der Darmflora, die durch einen hohen Zucker-Konsum verursacht wird.
Forschende des Columbia University Irving Medical Center in New York (USA) konnten im Rahmen einer aktuellen Studie zeigen, wie Zucker das Mikrobiom im Darm verändert und so das Risiko für weit verbreitete Krankheiten wie Diabetes und Adipositas erhöht wird. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Cell“ präsentiert.
Zucker begünstigt Entstehung von Stoffwechselkrankheiten
Die Erkenntnisse könnten erklären, warum eine zuckerreiche Ernährung an der Entstehung von Stoffwechselkrankheiten beteiligt ist und weshalb eine gesunde Darmflora zum Schutz vor solchen Erkrankungen wichtig ist.
Die Arbeitsgruppe um den Mikrobiologie-Professor Dr. Ivalyo Ivanov hat die Auswirkungen einer westlichen Ernährung auf das Darmmikrobiom von Mäusen untersucht. Dabei konnte das Team nachweisen, dass vor allem der Zucker für die schädlichen Auswirkungen auf die Darmflora verantwortlich ist.
Metabolisches Syndrom durch westliche Ernährung
Die Forschenden fütterten Mäuse mit einer fett- und zuckerreichen Diät, die der typischen westlichen Ernährung nachempfunden wurde. Die Tiere entwickelten daraufhin innerhalb von vier Wochen Merkmale eines metabolischen Syndroms, inklusive Veränderungen an dem Körpergewicht, der Insulinresistenz und der Glukoseintoleranz.
Zudem konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dokumentieren, wie sich das Mikrobiom im Darm der Tiere durch die Ernährung veränderte. Bestimmte Arten von Bakterien, die als segmentierte Fadenbakterien bezeichnet werden, wurden durch die Ernährung gehemmt, während andere Bakterienarten sich stärker vermehren konnten.
Fadenbakterien mit Anzahl der Immunzellen verbunden
Im weiteren Verlauf der Studie konnte das Forschungsteam zeigen, dass der Rückgang der Fadenbakterien weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit der Mäuse hatte. Denn mit schwindender Menge Fadenbakterien sank auch die Anzahl bestimmter Immunzellen im Darm, die als Th17-Zellen bezeichnet werden.
Th17-Zellen schützen vor Stoffwechselkrankheiten
Th17-Zellen gehören zu den T-Helfer-Zellen – einer Subgruppe der weißen Blutkörperchen (T-Lymphozyten), die für die Erkennung von Antigenen zuständig ist. Vereinfacht ausgedrückt sorgen Th17-Zellen im Darm dafür, dass Stoffwechselkrankheiten, Diabetes und Gewichtszunahmen verhindert werden.
„Diese Immunzellen produzieren Moleküle, die die Aufnahme von ‘schlechten’ Fetten aus dem Darm verlangsamen und die Entzündungen im Darm verringern“, bestätigt Studienleiter Ivanov. Ihm zufolge schützen sie den Darm also vor der Aufnahme pathogener Lipide.
Zucker ist der „Hauptschuldige“
Ivanovs Team konnte den Zucker-Gehalt in der Ernährung als „Hauptschuldigen“ in diesem Prozess identifizieren.
„Zucker eliminiert die filamentösen Bakterien und die schützenden Th17-Zellen verschwinden infolgedessen“, so der Professor.
Dies bestätigte sich auch in einem weiteren Versuch, bei dem eine Gruppe von Mäusen eine zuckerfreie aber fettreiche Diät erhielt. Nach vier Wochen konnte kein Rückgang von Th17-Zellen beobachtet werden.
Fett allein veränderte die Darmflora nicht
Die Tiere waren weiterhin vor Stoffwechselkrankheiten geschützt, obwohl die Kalorienzahl genauso hoch war, wie bei der Gruppe, die eine zucker- und fettreiche Ernährung zu sich nahm. Die Schutzfunktion zählte jedoch nur für Tiere, die von vornherein ausreichend fadenförmige Bakterien im Darm beherbergten.
Bei den Tieren, die bereits vor Beginn der Studie zu wenig Fadenbakterien im Mikrobiom hatten, wirkte sich die fettreiche aber zuckerfreie Ernährung ebenfalls negativ aus. Sie nahmen an Gewicht zu und entwickelten Anzeichen von Diabetes.
Diäten scheinen vor allem bei gesunder Darmflora zu wirken
„Dies deutet darauf hin, dass einige populäre Ernährungsmaßnahmen, wie die Minimierung von Zucker, nur bei Menschen mit bestimmten Bakterienpopulationen in ihrer Mikrobiota funktionieren“, folgert Ivanov.
Diäten könnten durch Probiotika wirksamer werden
Die Forschenden schlagen daher vor, Ernährungsinterventionen durch die Einnahme von Probiotika zu unterstützen, die die Anzahl der Fadenbakterien im Darm erhöhen. Eine Probiotika-Einnahme führte bei den Mäusen mit einer aus dem Gleichgewicht geraten Darmflora zu einer Erholung der Th17-Zellen im Darm.
Auch die direkte Gabe von Th17-Zellen führte bei den Mäusen zu einer verbesserten Schutzfunktion im Darm. Der Ansatz könnte vielleicht auch bei Menschen genutzt werden, vermutet die Arbeitsgruppe. Dies müsste aber erst in weiteren Studien untersucht werden.
Ergebnisse nicht eins zu eins übertragbar
Professor Ivanov hebt abschließend hervor, dass sich die Darmflora von Mäusen und die Darmflora von Menschen unterscheiden, weshalb die Ergebnisse nicht eins zu eins übertragen werden können. Dennoch halten es die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für sehr wahrscheinlich, dass die Darmbakterien bei Menschen ähnliche Schutzfunktionen ausüben.
Wichtige Erkenntnisse über Darmbakterien
„Unsere Studie unterstreicht, dass eine komplexe Interaktion zwischen Ernährung, Mikrobiota und Immunsystem eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Fettleibigkeit, metabolischem Syndrom, Typ-2-Diabetes und anderen Erkrankungen spielt“, resümiert Ivanov.
„Sie deutet darauf hin, dass es für eine optimale Gesundheit wichtig ist, nicht nur die Ernährung zu ändern, sondern auch das Mikrobiom oder das Immunsystem des Darms zu verbessern, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Th17-Zellen-induzierenden Bakterien“, so der Studienleiter. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Columbia University Irving Medical Center: Sugar Disrupts Microbiome, Eliminates Protection Against Obesity and Diabetes (veröffentlicht: 29.08.2022), cuimc.columbia.edu
- Yoshinaga Kawano, Madeline Edwards, Yiming Huang, et al.: Microbiota imbalance induced by dietary sugar disrupts immune-mediated protection from metabolic syndrome; in: Cell (2022), sciencedirect.com
Wichtiger Hinweis:
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