Zusammenhang zwischen Diabetes und Klimawandel
Bereits über acht Millionen Menschen leiden allein in Deutschland an Diabetes. Jährlich kommen hierzulande rund 600.000 Typ-2-Diabetes-Neuerkrankungen hinzu. Die meisten Fälle werden durch einen Lebensstil ausgelöst, der durch mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung geprägt ist. Wie dies in Zusammenhang mit dem Klimawandel steht und warum nur die Politik diese Entwicklung aufhalten kann, erläutert als Fachinstitution die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG).
Die DDG fordert die Politik in einer aktuellen Stellungnahme erneut zu einem Paradigmenwechsel auf. Es müssen nach Ansicht der Fachgesellschaft endlich Verhältnisse geschaffen werden, in denen jeder Mensch gesund leben kann. Diabetes sowie der Klimawandel könnten nur mithilfe von politischen Maßnahmen zurückgedrängt werden.
„Deutschland wird immer dicker“
Die DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer weist darauf hin, dass Menschen in Deutschland immer dicker werden. „Deshalb müssen wir weg von der bisher praktizierten Ernährungsbildung und -aufklärung, denn sie erreicht meist nur jene, die sowieso schon gesund leben“, unterstreicht Bitzer. Personen, die sozioökonomisch schwach seien und ein hohes Adipositas-Risiko aufweisen, werden oft „abgehängt“.
Diabetes-Betroffene leiden besonders unter dem Klimawandel
„Menschen mit Diabetes sind besonders durch Hitze und Extremwetter gefährdet“, betont Dr. Eckart von Hirschhausen bei einer Pressekonferenz der DDG, in der Maßnahmen zur Bekämpfung der aktuellen Diabetes-Pandemie diskutiert wurden. Um die hohe Zahl der Patientinnen sowie Patienten effektiv zu reduzieren und um Diabetes-Betroffene auch in Zukunft gut versorgen zu können, müsse in der Politik ein Paradigmenwechsel erfolgen.
Warum Klimawandel und Diabetes-Pandemie zusammenhängen
Dr. med. von Hirschhausen wies darüber hinaus auf einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Diabetes hin. Erzeuger von Lebensmitteln müssen nach seiner Ansicht endlich den CO2-Abdruck ausweisen, der bei der Produktion anfällt. So könnten Verbraucherinnen und Verbraucher gezielt zu klimafreundlichen Produkten greifen. Viele ungesunde Produkte haben laut von Hirschhausen nicht nur einen hohen CO2-Abdruck, sondern fördern auch die Entstehung von Typ-2-Diabetes.
Am deutlichsten sei dieser Zusammenhang bei rotem Fleisch, dessen übermäßiger Konsum Diabetes begünstigt. „Wir halten pro Mensch 400 Nutztiere und das macht den Menschen und den Planeten krank“, mahnt Dr. med. von Hirschhausen. Neue Perspektiven seitens der Politik fehlen ihm zufolge oder sind nicht konsequent genug. „Doch das darf nicht auf den Schultern der Konsumenten abgeladen werden, sondern muss gesetzlich geregelt sein“, so der Mediziner.
Einfache Unterscheidung von Lebensmitteln
„Wenn Menschen leichter gesunde von ungesunden Nahrungsmitteln unterscheiden könnten, ließe sich noch eine Kehrtwende erreichen – für das Klima sowie die Gesundheit jedes Einzelnen“, folgert von Hirschhausen. Ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel, die sich vor allem an Kinder richten, könnte die Kaufentscheidung weiter beeinflussen.
Auch eine Mehrwertsteuer, die gesunde Nahrungsmittel entlastet, wäre förderlich. „Gesunde Lebensmittel wie Obst, Nüsse oder Gemüse würden dann geringer besteuert als jene mit einem hohen Anteil an Zucker, Fetten und/oder Salz“, fügt Bitzer hinzu. Zudem müsse die Kennzeichnung von Lebensmitteln mit dem Nutriscore verpflichtend sein.
„Ein gesünderer Lebensstil mit mehr Bewegung und weniger Fleischkonsum schont das Klima und verhindert künftige Diabeteserkrankungen“, bestätigt auch DDG-Vizepräsident Professor Dr. med. Andreas Fritsche.
Ausblick in die Zukunft
Die DDG prognostiziert, dass im Jahr 2040 bis zu 12 Millionen Diabetikerinnen und Diabetiker in Deutschland leben, wenn die Politik nicht gegensteuert. Gleichzeitig werde die Anzahl der verfügbaren Fachärzte und Fachärztinnen sinken, da ein Drittel der Fachleute heute schon älter als 50 Jahre ist. Die DDG fordert deshalb eine stärkere Verankerung der Diabetologie im Studium, um den Nachwuchs zu sichern.
Wir laufen in ein „drastisches Versorgungsdefizit“
„Aktuell werden Patienten mit Diabetes vor allem in Hausarztpraxen und von rund 1.100 niedergelassenen Diabetologen versorgt“, teilt DDG Pressesprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz mit. Seit Einführung der Fallpauschalen seien die Betten für Diabetes-Betroffene in deutschen Krankenhäusern kontinuierlich zurückgegangen. Nur acht von ehemals 36 Lehrstühlen an Hochschulen seien aktuell für die Diabetologie verfügbar. Sein Fazit: Wir laufen mittelfristig in ein „drastisches Versorgungsdefizit“.
Schulgesundheitsfachkräften nach dänischem Vorbild
Darüber hinaus muss nach Ansicht der DDG auch an Schulen mehr Aufklärungsarbeit geleistet und es müssen mehr Anlaufstellen etabliert werden. Kinderdiabetologe Professor Dr. med. Andreas Neu berichtet, dass Kinder mit Diabetes oft mit der Krankheit überfordert sind, beispielsweise wenn es darum geht, die Blutzuckerwerte zu messen oder Insulin zu spritzen. An Grundschulen sei deshalb die Einführung von Schulgesundheitsfachkräften sinnvoll, die zu Diabetes und auch zu anderen Gesundheitsthemen wie Ernährung beraten können. „So könnten die Bildungs- und Gesundheitsbiografien chronisch kranker Kinder etwa mit Diabetes mellitus deutlich verbessert werden“, betont Neu.
Nur gesetzliche Interventionen können die Zahl der Diabetes-Fälle senken
In einem Punkt waren sich alle Expertinnen und Experten der DDG einig: Nur eine gesetzlich verankerte Prävention könne die Zahl der Diabetes-Erkrankungen in Deutschland perspektivisch verringert. „In der nächsten Legislaturperiode muss der Gesetzgeber die Diabetesprävention ganz oben auf die politische Agenda setzen“, resümieren die DDG-Fachleute. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Diabetes Gesellschaft: Klimawandel und Diabetes lassen sich nur mit gesetzlichen Vorgaben bekämpfen (veröffentlicht: 14.09.2021), deutsche-diabetes-gesellschaft.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.