Alzheimer-Biomarker bereits Jahrzehnte vor Diagnose erhöht
Morbus Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz. Die unheilbare Erkrankung wird meist erst diagnostiziert, wenn Symptome auftreten. Dabei könnte die Krankheit laut Forschenden womöglich bereits 17 Jahre vor der klinischen Diagnose erkannt werden.
Die Alzheimer-Krankheit lässt sich bislang nicht heilen. Es gibt aber Möglichkeiten, die Erkrankung zu behandeln. Hilfreich ist hierbei eine möglichst frühe Diagnose und ein schneller Behandlungsbeginn. Forschende berichten nun, dass Alzheimer Risiken bereits Jahrzehnte vor der Diagnose erkannt werden könnten.
- Um Ansätze zur Prävention und Behandlung von Alzheimer in klinischen Studien weiterzuentwickeln, wäre es hilfreich, Menschen mit einem besonders hohen Erkrankungsrisiko identifizieren zu können.
- Forschende haben untersucht, welche Biomarker bei symptomfreien Menschen, die später tatsächlich Alzheimer entwickeln, schon früh auf eine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit hinweisen können.
- Sie identifizierten das Protein GFAP, dessen Konzentration im Blut bereits bis zu 17 Jahre vor der klinischen Diagnose der Demenz erhöht ist, als potenziell vielversprechenden frühen Biomarker.
Menschen mit besonders hohem Risiko identifizieren
Wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, wird Alzheimer-Demenz in der Regel erst dann diagnostiziert, wenn charakteristische Symptome wie etwa Vergesslichkeit auftreten.
Aber der eigentliche biologische Beginn der Erkrankung liegt zu diesem Zeitpunkt schon weit zurück und die zugrundeliegenden Gehirnschädigungen sind bereits weit fortgeschritten und irreversibel.
In dieser schleichenden Entwicklung sehen Fachleute einen der Hauptgründe für die Schwierigkeit, wirksame Methoden der Prävention und Behandlung zu entwickeln.
„Ansätze zur Vorbeugung und Behandlung wären wahrscheinlich in der symptomlosen Frühphase der Erkrankung am effektivsten, wenn die ersten Veränderungen des Gehirns auftreten. Um solche Maßnahmen in klinischen Studien zu prüfen, ist es entscheidend, Menschen zu identifizieren, die ein besonders hohes Risiko haben, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken“, so Hermann Brenner vom DKFZ.
„Ein Nachweis von Biomarkern im Blut, die auf sehr frühe Veränderungen hindeuten, könnte dafür besonders hilfreich sein.“
Marker lange vor ersten Symptomen
Wie in der Mitteilung erklärt wird, sind bereits mehrere Blut-Biomarker bekannt, deren Spiegel bei einer Alzheimer-Demenz charakteristischerweise ansteigen.
Dazu zählt zum Beispiel P-tau 181, das im Zuge der Alzheimer-Differenzialdiagnostik bestimmt wird, oder NfL (neurofilament light chain), ein Biomarker für Neurodegeneration, sowie das „saure Gliafaserprotein“ GFAP, ein charakteristischer Zellbaustein in bestimmten Hirnzellen.
„Wir wollten nun wissen, ob bei Menschen, die später im Leben an Alzheimer erkranken, einer oder mehrere dieser Marker bereits lange vor den ersten Symptomen nachweisbar ist“, sagt Brenner.
Für diese Untersuchung konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom DKFZ, von der Universität Heidelberg und der Ruhr-Universität Bochum, sowie vom Krebsregister des Saarlands Blutproben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ESTHER-Studie nutzen.
Diese von Brenner geleitete und gemeinsam mit dem Saarländischen Krebsregister durchgeführte Kohortenstudie läuft schon seit dem Jahr 2000.
Die wichtigsten Ergebnisse
Für die aktuelle Arbeit, die in der Fachzeitschrift „Alzheimer & Dementia“ veröffentlicht wurde, berücksichtigte das Forschungsteam die Ausgangs-Blutproben von 145 ESTHER-Teilnehmenden, bei denen im Verlauf von bis zu 17 Jahren Nachbeobachtungszeit eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert wurde.
Als Kontrollen wurden 507 Probandinnen und Probanden ohne Demenzdiagnose zufällig ausgewählt. Die wichtigsten Ergebnisse der Auswertung:
- Erhöhte GFAP-Spiegel im Blut treten bei Personen, die später an Alzheimer erkranken, schon bis zu 17 Jahre vor der Diagnose auf.
- Unter den drei untersuchten Markern hatte ein erhöhter GFAP-Spiegel die höchste Vorhersagekraft für eine spätere Alzheimer-Demenz.
- Die Blutkonzentrationen der anderen beiden untersuchten Biomarker, NfL sowie P-tau 181, steigen erst etwa neun Jahre vor der Manifestation der Erkrankung an.
- Der Vorhersagewert erhöhter NfL und P-Tau 181-Spiegel war bei Studienteilnehmenden mit niedrigen Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen am höchsten. Herz-Kreislauf-Gesundheit spielt während aller Stadien der Demenz-Entwicklung eine wichtige Rolle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen können den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen.
Weitere und möglichst größere Studien nötig
„Wir haben mit unserer Untersuchung erstmals Hinweise dafür gefunden, dass ein Anstieg der Konzentration von GFAP im Blut ein sehr früher Alzheimer-Risikomarker sein könnte. Erhöhte P-tau 181-Spiegel wurden dagegen bereits seit längerem als Alzheimer-Risikomarker diskutiert“, erläutert Erstautorin Hannah Stocker vom Netzwerk Alternsforschung der Universität Heidelberg.
„Allerdings müssen hier weitere und möglichst noch größere Studien klären, wann genau die Konzentration dieses Markers messbar ansteigt, um einen möglichen Einsatz für die Früherkennung und Prävention bestmöglich zu bestimmen“ so die Wissenschaftlerin.
„Zur Vorhersage des Alzheimer-Risikos wäre ein schrittweises Vorgehen denkbar: Ein positives GFAP-Ergebnis könnte als Hinweis darauf dienen, bei welchen Personen weitergehende Untersuchungen durchgeführt werden sollten“, ergänzt Studienleiter Hermann Brenner.
„Auf diese Weise könnte sich der Zeitpunkt eingrenzen lassen, an dem Chance am größten wäre, den Krankheitsprozess tatsächlich aufzuhalten oder zumindest positiv zu beeinflussen.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Krebsforschungszentrum: Alzheimer Risiken erkennen - bereits 17 Jahre vor der Diagnose, (Abruf: 05.03.2022), Deutsches Krebsforschungszentrum
- Hannah Stocker, Léon Beyer, Laura Perna, Dan Rujescu, Bernd Holleczek, Konrad Beyreuther, Julia Stockmann, Ben Schöttker, Klaus Gerwert, Hermann Brenner: Association of plasma biomarkers, p-tau181, glial fibrillary acidic protein, and neurofilament light, with intermediate and long-term clinical Alzheimer's disease risk: Results from a prospective cohort followed over 17 years; in: Alzheimer & Dementia, (veröffentlicht: 02.03.2022), Alzheimer & Dementia
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.