Alzheimer: Anstieg von bestimmtem Protein im Blut schon im Frühstadium
Die Zahl der Menschen, die an Demenz erkranken, steigt stetig an. Trotz jahrzehntelanger Forschung ist die Erkrankung noch immer nicht heilbar. Doch bei früher Diagnose und zeitnahem Behandlungsbeginn lässt sich die Krankheit positiv beeinflussen. Helfen könnte hier ein bestimmtes Protein im Blut. Denn dieses könnte schon Jahre vor dem Auftreten von Symptomen den Abbau von Nervenverbindungen anzeigen.
Ein Forschungsteam hat im Blut ein Protein identifiziert, das den Abbau von Nervenverbindungen möglicherweise bereits Jahre vor dem Auftreten von Demenz-Symptomen anzeigen kann. Falls sich diese Hinweise bestätigen, könnte die Erfassung dieses Proteins namens „Beta-Synuclein“ zur Früherkennung einer Alzheimer-Erkrankung beitragen. Die Studienergebnisse wurden in dem Fachjournal „Annals of Neurology“ veröffentlicht.
Potenzieller Biomarker
An der Studie waren Forschende des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) und des Universitätsklinikums Ulm sowie Fachleute des LMU Klinikum München und der Universitätsmedizin Halle (Saale) beteiligt.
„Unsere Daten deuten darauf hin, dass der Pegel von Beta-Synuclein im Blut schon im Frühstadium einer Alzheimer-Erkrankung ansteigt und dass dies mit der Zerstörung von Nervenverbindungen, sogenannten Synapsen, zusammenhängt“, erklärt PD Dr. Patrick Öckl, Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Ulm und an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Ulm, in einer Mitteilung.
„Wir haben hier also einen potenziellen Biomarker, der helfen könnte, eine sich anbahnende Demenz frühzeitig zu erkennen – schätzungsweise mehr als zehn Jahre bevor sich Symptome bemerkbar machen.“
Diagnose und Behandlung einer Alzheimer-Erkrankung erfolgen laut dem Wissenschaftler bislang viel zu spät. „Dann ist das Gehirn schon massiv geschädigt. Wir müssen früher ansetzen, um die Chancen zu erhöhen, der Erkrankung wirksam Paroli bieten zu können. Das Beta-Synuclein könnte dafür eine Möglichkeit auftun. Noch sind aber weitere Untersuchungen nötig, um unsere Befunde zu bestätigen.“
Untersuchungen an Menschen mit Down-Syndrom
Den Angaben zufolge beruhen die aktuellen Studienergebnisse auf Untersuchungen an 61 Menschen mit Down-Syndrom (auch bekannt als „Trisomie 21“) und 23 kognitiv gesunden Erwachsenen.
„Menschen mit Down-Syndrom sind von einer erblich bedingten Entwicklungsstörung des Gehirns betroffen und die meist eine Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten zur Folge hat“, erläutert Prof. Johannes Levin, Neurologe am DZNE-Standort München und Leiter der Ambulanz am LMU Klinikum München für Menschen mit Down-Syndrom und kognitiven Störungen.
„Außerdem verstärken ihre Erbanlagen molekulare Prozesse, die an der Entstehung von Alzheimer beteiligt sind. Das Down-Syndrom geht daher mit einer genetisch bedingten Form der Alzheimer-Erkrankung mit frühem Symptombeginn einher. In der Regel geschieht dies jenseits des 40. Lebensjahres“, so der Forscher.
„Aus dem Studium des Down-Syndroms kann man so manches über Demenz erfahren. Wir vermuten, dass die Vorgänge, die hier in besonders ausgeprägter Weise stattfinden, auch bei Menschen mit Alzheimer aber ohne Down-Syndrom geschehen.“
Diverse Anwendungen möglich
Falls weitere Studien die aktuellen Befunde bestätigen, kämen für den Beta-Synuclein-Marker verschiedene Anwendungen in Betracht.
„Für Medikamentenstudien zur Alzheimer-Erkrankung wäre ein synaptischer Blut-Marker sehr hilfreich, um Behandlungseffekte zu erfassen, um also festzustellen, was ein experimenteller Wirkstoff im Gehirn auslöst. Das würde das Bild, das die schon etablierten Marker vermitteln, sinnvoll ergänzen“, sagt Prof. Markus Otto, Leiter der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Halle, der an den aktuellen Untersuchungen ebenfalls maßgeblich mitwirkte.
„Eine weitere Anwendung sehe ich bei der Demenzvorsorge und Früherkennung. Die Möglichkeit, das Beta-Synuclein im Blut zu messen, bedeutet eine deutliche Erleichterung für Patienten im Vergleich zu den derzeit üblichen Untersuchungen des Nervenwassers.“
Der Experte ergänzt: „Wenn man bedenkt, dass Synapsen beispielsweise auch bei Schädel-Hirntraumata und Schlaganfällen verloren gehen, ist die Bedeutung des Beta-Synucleins noch weitreichender. Auch hier könnte der Marker helfen, Nervenschädigungen einzuschätzen und damit zu einer besseren Diagnostik und Therapie maßgeblich beitragen.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin Halle (Saale): Demenz: Blutwerte könnten frühzeitig auf Verlust von Nervenverbindungen hindeuten, (Abruf: 28.06.2022), Universitätsmedizin Halle (Saale)
- Patrick Oeckl et al: Serum Beta-Synuclein Is Higher in Down Syndrome and Precedes Rise of pTau181; in: Annals of Neurology, (veröffentlicht: 27.03.2022), Annals of Neurology
Wichtiger Hinweis:
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