Neue Möglichkeit zur Behandlung von Demenz in Aussicht
Ein kognitiv-motorisches Training in Form eines Fitness-Spiels verbessert die kognitiven und die körperlichen Fähigkeiten von Menschen mit Demenz. Dies könnte einen deutlichen Fortschritt bei der Behandlung von Demenz ermöglichen, weil es in der Vergangenheit schwer war, Menschen mit Demenz zu motivieren, sich über längere Zeit körperlich zu betätigen. Das neue Spiel könnte dies ändern.
Das kognitiv-motorische Training verbessert sowohl die kognitiven als auch die körperlichen Fähigkeiten von stark beeinträchtigten Demenzpatienten, so das Ergebnis einer Untersuchung unter der Beteiligung von Forschenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich), bei der das Fitness-Spiel Exergame eingesetzt wurde. Die Studie wurde in dem englischsprachigen Fachblatt „Alzheimer’s Research and Therapy“ publiziert.
Demenz belastet Betroffene und Angehörige
Die Diagnose Demenz stellt nicht nur für die betroffenen Personen selber eine große Belastung dar, auch für die Angehörigen hat eine solche Erkrankung weitreichende Auswirkungen. Bei Demenz lässt die Hirnfunktion der erkrankten Menschen allmählich nach. Dadurch verlieren die Betroffenen die Fähigkeit, vorauszuplanen, sich Sachen zu merken oder sich angemessen zu verhalten. Zusätzlich verschlechtern sich auch die motorischen Fähigkeiten, berichten die Fachleute.
An Demenz erkrankte Personen sind irgendwann nicht mehr in der Lage, ihren Alltag alleine zu meistern und benötigen daher eine intensive Betreuung.
Wie verbreitet ist Demenz in Deutschland?
Nach den neuesten Berechnungen leben in Deutschland laut Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft etwa 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung und jeden Tag kommen rund 900 Neuerkrankungen dazu. Dies bedeutet, dass im Jahr mehr als 300.000 Menschen an Demenz erkranken.
Keine Heilung in Aussicht
Bisher haben alle Versuche, ein Medikament zur Heilung von Demenz zu entwickeln, keinen Erfolg gezeigt. Demenzerkrankungen, darunter auch Alzheimer – die häufigste Form der Demenz, sind bis heute immer noch nicht heilbar.
Die aktuelle klinische Studie hat nun aber erstmals gezeigt, dass ein kognitiv-motorisches Training sowohl die kognitiven als auch die körperlichen Fähigkeiten von stark beeinträchtigten Menschen mit Demenz verbessert, betonen die Forschenden.
Bessere kognitive Fähigkeiten dank Training
Bereits im Jahr 2015 stellte eine Team von Fachleuten um Patrick Eggenberger von der ETH Zürich fest, dass ältere Menschen, die Körper und Geist gleichzeitig trainieren, bessere kognitive Leistungen zeigen und damit auch kognitiven Beeinträchtigungen vorbeugen können. Eine wichtige Einschränkung dieser Studie war allerdings, dass diese nur an gesunden Teilnehmenden durchgeführt wurde.
Schwierig zu motivieren
„Es wird schon länger vermutet, dass körperliches und kognitives Training auch einen positiven Effekt auf Demenzerkrankungen hat”, erläutert Eling D. de Bruin vom Institut für Bewegungswissenschaften und Sport der ETH Zürich in einer Pressemitteilung. „In der Vergangenheit war es jedoch schwierig, Demenzpatienten zu motivieren, sich über längere Zeit körperlich zu betätigen“, fügt der Experte hinzu.
Maßgeschneidertes Trainingsprogramm für alte Menschen
Im Jahr 2013 wurde das ETH-Spin-off Dividat gegründet, mit dem Ziel, ein maßgeschneidertes Trainingsprogramm zu entwickeln, welches das Leben älterer Menschen verbessert. Es wurden spielerische Übungen erarbeitet, um Menschen, die bereits körperliche und kognitive Beeinträchtigungen haben, zum Training zu animieren, und die Senso-Trainingsplattform wurde entwickelt, berichten die Forschenden.
Was ist die Senso-Trainingsplattform?
Die Plattform besteht aus einem Bildschirm, auf dem die Spielesoftware dargestellt wird und einer Bodenplatte mit vier Feldern, welche Schritte, Gewichtsverlagerung und Gleichgewicht messen. Die nutzenden Personen versuchen mit ihren Füßen eine Bewegungsfolge zu absolvieren, die auf dem Bildschirm angezeigt wird. So trainieren sie gleichzeitig die körperliche Bewegung und die kognitive Funktion. Der dabei auftretende Spielspaß erleichtert es den Teilnehmenden, sich für regelmäßige Übungen zu motivieren, berichten die Forschenden.
Training für Demenzkranke
Für die Studie wurden 45 Teilnehmende rekrutiert, welche in zwei belgischen Pflegeheimen wohnten. Die Teilnehmenden waren zum Zeitpunkt der Studie im Durchschnitt 85 Jahre alt und zeigten alle schwere Symptome von Demenz, berichtet das Team.
„Die Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe trainierte acht Wochen lang dreimal wöchentlich 15 Minuten lang mit dem Dividat Senso, während die zweite Gruppe sich Musikvideos ihrer Wahl anhörte und ansah“, erläutert de Bruin. Im Anschluss an das achtwöchige Trainingsprogramm wurde die körperliche, kognitive und mentale Leistungsfähigkeit aller Teilnehmenden im Vergleich zum Beginn der Studie gemessen.
Training verbesserte kognitive Fähigkeiten
Das Training mit dem Gerät verbesserte tatsächlich kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis und Orientierung, berichtet das Team. „Zum ersten Mal besteht die Hoffnung, dass durch gezieltes Spielen die Symptome der Demenz nicht nur verzögert, sondern auch abgeschwächt werden können”, so de Bruin.
Besonders auffällig ist nach Ansicht der Forschenden, dass bei der Kontrollgruppe über den Zeitraum von acht Wochen eine Verschlechterung eintrat. Im gleichen Zeitraum zeigten sich dagegen bei der Trainingsgruppe deutliche Verbesserungen.
Verbesserte Reaktionszeit dank Spielen
Das spielerische Training wirkt sich nicht nur positiv auf die kognitiven Fähigkeiten aus – die Forschenden konnten auch positive Effekte bei körperlichen Fähigkeiten, wie beispielsweise der Reaktionszeit, feststellen.
Stürze vermeiden dank besserer Reaktionszeit
Bereits nach acht Wochen reagierten die Teilnehmenden der Trainingsgruppe deutlich schneller, während sich die Reaktionszeit der Kontrollgruppe verschlechterte. Dies sei insofern ermutigend, weil die Geschwindigkeit, mit der ältere Menschen auf Impulse reagieren, entscheidend dafür ist, ob sie einen Sturz vermeiden können, erklärt das Team. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Nathalie Swinnen, Mathieu Vandenbulcke, Eling D. de Bruin, Riekje Akkerman, Brendon Stubbs et al.: The efficacy of exergaming in people with major neurocognitive disorder residing in long-term care facilities: a pilot randomized controlled trial, in Alzheimer's Research and Therapy (veröffentlicht 30.03.2021), Alzheimer's Research and Therapy
- ETH Zürich: Spielend gegen Demenz (veröffentlicht 09.04.2021), ETH Zürich
- Deutsche Alzheimer Gesellschaft: Deutsche Alzheimer Gesellschaft stellt neue Zahlen zur Demenz vor: Hinweise auf Wirksamkeit von Prävention (veröffentlicht 29.06.2020), Deutsche Alzheimer Gesellschaft
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.