Welche Rolle spielen Plaques bei Alzheimer wirklich?
Einige sogenannte Plaques im Gehirn scheinen Immunzellen beim Schutz vor Alzheimer zu unterstützen. Da die Ansammlung von Plaques typisch für Alzheimer-Erkrankungen ist, war man bislang eigentlich von einer zerstörerischen Wirkung ausgegangen, durch welche die Entwicklung von Alzheimer begünstigt wird. Doch manche Plaques haben laut einer aktuellen Studie offenbar eher eine positive Wirkung.
Die Immunzellen des Gehirns (Mikroglia) bilden eigene Plaques, die zum Schutz vor Alzheimer beitragen könnten, so das Ergebnis einer Untersuchung unter Beteiligung von Forschenden des Salk Institute for Biological Studies. Die Studie wurde in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Nature Immunology“ publiziert.
Wie entsteht Alzheimer?
Alzheimer ist eine neurologische Erkrankung, die zu Gedächtnisverlust, Beeinträchtigung des Denkens und Verhaltensänderungen führt, wobei sich dieses Auswirkungen im Alter weiter verschlimmern. Die Krankheit scheint durch abnormale Proteine verursacht zu werden, die sich zwischen den Gehirnzellen ansammeln und die charakteristischen Plaques bilden, welche wiederum die umliegenden Zellen schädigen können.
Behandlungsoptionen für Alzheimer?
Diese Ansammlung von Amyloid-beta-Plaques im Gehirn ist ein typisches Merkmal von Alzheimer. Die meisten Therapien, welche zur Behandlung der Krankheit entwickelt wurden, zielen auf diese Plaques ab, auch wenn diese Behandlungsversuche in klinischen Studien weitgehend gescheitert sind, erläutern die Forschenden.
Unterschiede zwischen Plaques?
Es gibt zahlreiche Formen von Plaques, aber die beiden häufigsten werden entweder als diffus oder dichtkernig bezeichnet. Diffuse Plaques sind lose organisierte, amorphe Wolken. Plaques mit einem dichten Kern (Dense-core) haben dagegen ein kompaktes Zentrum. Bisher wurde angenommen, dass sich beide Arten von Plaques spontan aus einer überschüssigen Produktion eines Vorläufermoleküls namens Amyloid Precursor Protein (APP) bilden, erläutert das Team.
Die traditionelle Sichtweise geht davon aus, dass die Mikroglia, das Wachstum der Plaques hemmen, indem sie diese mit der Hilfe des Moleküls Gas6 auffressen. Durch die neue Forschungsarbeit wurde jetzt allerdings klar, dass durch Mikroglia die Bildung von Plaques mit dichtem Kern (Dense-Core-Plaques) gefördert wird. Solche dichten Plaques entfernen fadenartiges Plaque-Material von Neuronen, wo dieses normalerweise den Zelltod verursacht.
Wodurch werden Plaques mit dichtem Kern gebildet?
Laut der neuen Studie sind es also tatsächlich die Mikroglia, die im Rahmen ihrer zellulären Säuberung Plaques mit dichtem Kern aus diffusen Amyloid-beta-Fibrillen bilden. Diese Erkenntnis baut auf einer Forschungsarbeit aus dem Jahr 2016 auf, bei derfestgestellt wurde, dass beim Absterben einer Gehirnzelle ein Fettmolekül von der Innen- zur Außenseite der Zelle wandert. Dadurch signalisiert die Zelle, dass sie abstirbt und verzehrt werden kann.
Mikroglia verzehren dann über Oberflächenproteine, welche als TAM-Rezeptoren bezeichnet werden, die tote Zelle mit Hilfe eines speziellen Zwischenmoleküls (Gas6). Ohne TAM-Rezeptoren und Gas6 können sich Mikroglia nicht mit toten Zellen verbinden und sie verzehren, erklären die Fachleute.
Die Ergebnisse der aktuellen Forschungsarbeit zeigen, dass nicht nur tote Zellen Gas6 aufweisen und eine Bereitschaft zum Verzehr signalisieren, sondern gleiches auch für die Amyloid-Plaques gilt. In Untersuchungen an Mäusen konnte das Team erstmals experimentell nachweisen, dass Mikroglia mit TAM-Rezeptoren die Amyloid-Plaques verzehren. Bei Mäusen, denen die TAM-Rezeptoren fehlen, konnten die Mikroglia diese Funktion nicht ausüben, erläutert das Team.
Diffuse Plaques wurden umgewandelt
Bei der weiteren Untersuchung stellten die Forschenden dann fest, dass eine Mikrogliazelle, nachdem sie ein diffuses Plaque gefressen hat, das verschlungene Amyloid-beta letztendlich in stark verdichtetes Aggregat umwandelt. Die Forschenden vermuten, dass dies ein vorteilhafter Mechanismus ist, der diffuse Plaques in Plaques mit einem dichten Kern umwandelt und die interzelluläre Umgebung von Ablagerungen befreit. Die Plaques mit dichtem Kern scheinen mit weniger schädlichen Auswirkungen verbunden, berichten die Fachleute.
Zwar lässt sich bislang nicht eindeutig sagen, welche Formen von Plaques mehr oder weniger schädlich sind, aber die neuen Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass Plaques mit dichtem Kern ein wenig gutartiger sind, erklärt Studienautor Youtong Huang vom Salk Institute for Biological Studies in einer Pressemitteilung.
Umdenken bei Behandlung von Alzheimer
Studienautor Professor Greg Lemke vom Salk Institute schlägt vor, dass bei der Suche nach einem Heilmittel für Alzheimer, die Konzentration nicht weiter darauf liegen sollte, Plaques mit dichtem Kern aufzubrechen, sondern stattdessen sollten Behandlungen entwickelt werden, die entweder die Produktion von Amyloid-beta von vornherein reduzieren oder den Transport von Amyloid-beta aus dem Gehirn erleichtern.
„Wir zeigen, dass sich Dense-Core-Plaques nicht spontan bilden. Wir glauben, dass sie von Mikroglia als Verteidigungsmechanismus gebildet werden, so dass man sie am besten in Ruhe lässt”, fügt der Professor hinzu. Bisherige Therapieansätze seien hier möglicherweise sogar kontraproduktiv. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Salk Institute for Biological Studies: In surprising twist, some Alzheimer’s plaques may be protective, not destructive (veröffentlicht 15.04.2021), Salk Institute for Biological Studies
- Youtong Huang, Kaisa E. Happonen, Patrick G. Burrola, Carolyn O’Connor, Nasun Hah et al.: Microglia use TAM receptors to detect and engulf amyloid β plaques, in Nature Immunology (veröffentlicht 15.04.2021), Nature Immunology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.