Pupille liefert Hinweise auf vorliegende Depression
Bei der Diagnose von Depressionen müssen sich Ärztinnen und Ärzte größtenteils an den Aussagen der Betroffenen orientieren. Ein deutsches Forschungsteam zeigte nun, dass auch die Pupille im Auge Hinweise liefert. Offenbar verändert sich bei vorliegender Depression die Art und Weise, wie sich die Pupille erweitert.
Forschende des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie fanden heraus, dass eine Untersuchung der Pupille zur Diagnose von Depressionen hinzugezogen werden kann. Das Team belegte, dass sich das Augeninnere bei Belohnungen umso weniger weitet, je schwerer die Betroffenen erkrankt sind. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Brain Sciences“ vorgestellt.
Was die Pupille mit Depression zu tun hat
Wenn Menschen etwas gewinnen oder verlieren können oder eine Belohnung in greifbare Nähe rückt, erweitern sich die Pupillen leicht. Wie die Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts herausfand, fällt diese Reaktion bei akut depressiven Patientinnen und Patienten geringer aus als bei gesunden Personen. Dieser Aspekt lässt sich laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur fundierten Diagnose von Depressionen nutzen.
Zocken im MRT
Frühere Studien beschäftigten sich bereits mit der Frage, ob depressive Menschen Belohnungen weniger wertschätzen als nicht-depressive Personen. Die Teilnehmenden der aktuellen Studie nahmen an einem einfachen Spiel teil, bei dem es kleine Geldbeträge zu gewinnen gab. Währenddessen wurden die Pupillen der Probandinnen und Probanden mit hoher Präzession und Geschwindigkeit von einem Magnetzresonanztomographen (MRT) vermessen. Das Gerät zeichnete 250 Bilder pro Sekunde vom Auge auf.
Depressive mit geringer Reaktion auf Belohnungen
Bei der Auswertung zeigte sich, dass es eine Verbindung zwischen der Fähigkeit zur Pupillenerweiterung und dem Vorliegen einer Depression gibt. Wenn die Teilnehmenden beim Spielen eine Belohnung erwarteten, erweiterten sich ihre Pupillen. Bei denjenigen, die an einer Depression litten, fiel diese Reaktion geringer aus. Je schwerer die Erkrankung war, desto geringer erweiterten sich die Pupillen.
Antriebsstörung könnte auf diesem Effekt beruhen
Die Forschenden kommen zu dem Ergebnis, dass „die Aussicht auf eine Belohnung bei schwer depressiven Patienten nicht zur gleichen Verhaltensaktivierung führt wie bei Gesunden.“ Das Nervensystem der Betroffenen könne sich selbst bei so einer positiven Erwartung weniger stark aktivieren. „Wir vermuten, dass dahinter ein physiologisches System steht, das die oft berichtete Antriebsstörung bei Patienten teilweise erklären kann“, erläutert Studienleiter Professor Dr. Victor Spoormaker.
Neue Klassifizierung von Depressionen?
Das MPI-Forschungsteam hält solche biologisch messbaren Faktoren für maßgebend in der Diagnose von Depressionen. So könnten beispielsweise depressive Patientinnen und Patienten verschiedenen Gruppen zugeordnet werden, je nachdem, wie stark ihre Pupillen reagieren. Denn die Reaktion der Pupillen sei ein starker Hinweis auf eine Beteiligung des physiologischen Systems. Bei Betroffenen, die eher normale Reaktionen zeigen, scheint die Depression eine andere Untergruppe zu bilden.
Diese Erkenntnisse haben den Forschenden zufolge nicht nur Auswirkungen auf die Diagnose, sondern auch auf die Behandlung von Depressionen, da beispielsweise andere Medikamente in Frage kommen, wenn das physiologische System beteiligt ist. „Dann könnten wir diese Patienten medikamentös auch zielgerichteter behandeln“, resümiert Spoormaker. Der Ansatz müsse jedoch in weiteren Studien verfeinert werden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Planck-Instituts für Psychiatrie: Depression im Blick (veröffentlicht: 26.11.2020), psych.mpg.de
- Max Schneider, Immanuel G. Elbau, Teachawidd Nantawisarakul, et al.: Pupil Dilation during Reward Anticipation Is Correlated to Depressive Symptom Load in Patients with Major Depressive Disorder; in: Brain Sciences, 2020, mdpi.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.