Depressionen und Faszien: Zusammenhang von Körper und Psyche
Es ist schon länger bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen Körper und Psyche gibt. Forschende berichten jetzt über Wechselwirkungen zwischen depressiven Störungen mit Faszien im Nacken-Schulter-Bereich.
- Laut Fachleuten gehören Depressionen zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen.
- Es ist bekannt, dass sich depressive Störungen negativ auf den Körper auswirken und dass bestimmte Krankheiten Depressionen begünstigen können.
- Wissenschaftliche Untersuchungen legen nun nahe, dass es Wechselwirkungen zwischen depressiven Störungen und dem muskulären Bindegewebe, den sogenannten Faszien, im Nacken-Schulter-Bereich gibt.
„Weniger Elastizität im Schulter-Nacken-Bereich“
Laut der Deutschen Depressionshilfe erkranken rund fünf Millionen Menschen in Deutschland im Laufe eines Jahres an einer depressiven Störung. Depressionen können auch zu körperlichen Beschwerden führen. Und bestimmte Krankheiten wie Parkinson oder Krebs können Depressionen begünstigen. Untersuchungen erbringen nun Hinweise auf einen neuen Zusammenhang von Körper und Psyche.
Zwei neue Studien mit insgesamt 149 Teilnehmenden legen nahe, dass es Wechselwirkungen zwischen depressiven Störungen und dem muskulären Bindegewebe, den Faszien, im Nacken-Schulter-Bereich gibt.
Ein Team um Prof. Dr. Johannes Michalak von der Universität Witten/Herdecke (UW/H) hat dies jetzt in einem Artikel in dem Fachjournal „Cognitive Therapy and Research“ veröffentlicht.
„In den letzten Jahren mehren sich die wissenschaftlichen Befunde, die einen engen Zusammenhang von Körper und Psyche belegen“, erläutert Prof. Michalak in einer Mitteilung.
Der vor kurzem veröffentlichte Artikel besteht aus zwei Teilen: „In der ersten Studie haben wir uns dafür interessiert, ob die Eigenschaften des muskulären Bindegewebes der Schulter-Nackenpartie von depressiven Personen sich von denen gesunder Probanden unterscheiden“, so der Wissenschaftler.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Depressive einen höheren Grad von Steifigkeit und weniger Elastizität im Schulter-Nacken-Bereich aufweisen als gesunde Vergleichsprobanden.“
Selbstmassage mit Faszienrolle
In der zweiten Studie gingen die Forschenden noch einen Schritt weiter und haben untersucht, ob eine kurze Übung auf der Ebene des Bindegewebes depressive Prozesse beeinflussen kann. Den Angaben zufolge gab es zwei Versuchsgruppen von depressiven Patientinnen und Patienten:
Die erste Gruppe wurde angeleitet, ihre Schulter-Nackenpartie mit einer Schaumstoffrolle („Faszienrolle“) einige Minuten selbst durch Rollbewegungen zu massieren und auf diese Weise die Flexibilität des Bindegewebes zu erhöhen.
Die depressiven Patientinnen und Patienten der zweiten Versuchsgruppe führten unter „Placebo-Bedingung“ lediglich Auf- und Ab-Bewegungen im Schulter- und Nackenbereich durch, ohne den Nackenbereich wirklich zu massieren.
In der Pause zwischen den einzelnen Übungsdurchgängen wurden beiden Gruppen je zehn positive Begriffe wie „schön“, „stolz“ oder „selbstbewusst“ sowie zehn negativ besetzte Begriffe wie „schlecht“, „hässlich“ oder „schwerfällig“ von einem Tonband vorgelesen. Nach den Übungen wurden die Teilnehmenden befragt, an welche Begriffe sie sich erinnern.
Verbesserte Stimmung
„Wir haben da einen in der Wissenschaft etablierten Test zum sogenannte Memory Bias, der die Depressionsanfälligkeit erfasst, durchgeführt“, erläutert Prof. Michalak den Versuchsablauf. Zusätzlich wurde auch die Stimmung nach der Übung mit einem Fragebogen erfasst.
Laut der Mitteilung zeigte sich, dass in der Gruppe mit der Selbstmassage die Stimmung der Patientinnen und Patienten besser war und sie sich an weniger negative Worte erinnerten als in der Gruppe unter Placebo-Bedingung.
„Unsere Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass Steifigkeit und geringe Elastizität des muskulären Bindegewebes möglicherweise mit dazu beitragen könnte, dass Depressive sich nicht so gut aus ihrem negativen Zustand lösen können. Wir haben allerdings nur die temporären Effekte einer kurzen Selbstmassage untersucht“, so Prof. Michalak.
„Ob eine längerfristige Behandlung des muskulären Bindegewebes, in Kombination mit anderen Behandlungselementen, depressiven Personen dabei helfen könnte, ihre Depression besser zu überwinden, muss in zukünftigen Forschungsarbeiten untersucht werden.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Witten/Herdecke: Wechselwirkung zwischen Faszien im Schulterbereich und Depression, (Abruf: 09.02.2022), idw-online.de
- Michalak, J., Aranmolate, L., Bonn; A., Grandin, K., Schleip, R., Schmiedtke, J., Quassowsky, S., Teismann, T.: Myofascial Tissue and Depression; in: Cognitive Therapy and Research, (veröffentlicht: 21.12.2021), Cognitive Therapy and Research
- Deutsche Depressionshilfe: Was ist eine Depression: Häufigkeit, (Abruf: 09.02.2022), Deutsche Depressionshilfe
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.