Depressionen werden in Deutschland zu selten behandelt. Die Folge einer nicht behandelten Depression kann der Selbstmord sein.
(13.09.2010) In Deutschland wird das depressive Syndrom (Depressionen) nach Ansicht von Fachleuten zu selten behandelt. Die Folge: Viele Depressionen enden im Selbstmord (Suizid). Täglich begehen etwa 30 Menschen einen Suizid.
Nach Ansicht des europäischen OSPI-Projekts für eine bessere Vorbeugung gegen Selbstmorde, Ulrich Hegerl, werden manifestierte Depressionen zu selten diagnostiziert und behandelt. Die Folge daraus ist, dass die Depression im Selbstmord mündet. „Bei keiner anderen Erkrankung haben die Betroffenen öfter den Wunsch zu sterben“, sagte Hegerl. Rund 90 Prozent der mehr als 9000 Selbstmorde in Deutschland werden nach einer psychischen Krankheit verübt. „Jeden Tag sterben hierzulande 30 Menschen bei einem Suizid“, so das bittere Resümee (Suizid bei depressiven Menschen).
In Deutschland zählen Depressionen zu den häufigsten Berufsunfähigkeiten. Die Erkrankung verläuft oftmals in Schüben und Phasen. Die Betroffenen ziehen sich immer mehr zurück, leben zum Teil in verdunkelten Wohnungen und pflegen kaum noch soziale Kontakte.
Wie äußern sich Depressionen? Typische Symptome einer Depression im geistig-seelischen Bereich sind eine niedergedrückte Stimmungslage, die mit Antriebs-, Lust- und Freudlosigkeit an letztlich sämtlichen, auch gewohnten und vormals gerne unternommenen Aktivitäten, einhergeht. Die Betroffenen berichten zudem von Gefühl- und Interessenlosigkeit gegenüber –eigentlich- geliebten Personen. Manche Menschen leiden zudem an Konzentrationsstörungen und Grübelzwang. Andere haben unbegründete und zum Teil wahnhafte Schuldgefühle. Es kommt zu Schlafstörungen, zu Gedanken an Selbsttötung bis hin zum vollzogenen Suizid. Auf körperlicher Ebene zeigen sich Herzbeschwerden, Kopfschmerzen, Halsenge, Rückenschmerzen, Verstopfung, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Menstruationsstörungen bei Frauen sowie verminderte sexuelle Lust bei Männern und Frauen.
Es existieren unterschiedliche Ausprägungen und Formen von Depressionen. Bei einer manischen Depression wechseln sich Stimmungslagen immer wieder ab. Die Patienten erleben eine gesteigerte, nahezu übertriebene gehobene Stimmungslage, die sich mit einer tiefen Niedergeschlagenheit immer wieder abwechselt. Die Abstände zwischen übertriebener „Glückseeligkeit“ und tiefer depressiver Phasen wieder immer geringer, je länger die Erkrankung unbehandelt bleibt.
Depressionen können auch durch traumatische, nicht verarbeitete Erlebnisse, die zum Teil aus der frühen Kindheit stammen, ausgelöst werden. So sind besonders Menschen von Depressionen betroffen, die in ihrer Kindheit einen sexuelle Missbrauch erlebt hatten.
In der schnelllebigen Zeit mit immer höheren gesellschaftlichen und beruflichen Ansprüchen, erkranken auch immer mehr Menschen an dem sog. Erschöpfungssyndrom. Die Betroffenen sind zunehmend überlastet und können der von außen gestellten Anspruchshaltung kaum mehr stand halten. Die Folge ist ein Burn-Out, das in ein despressives Syndrom münden kann.
Aber auch organische Ursachen können für die Erkrankung in Frage kommen. Als solche Entstehungsfaktoren gelten erbliche und neurobiochemische Faktoren, wobei ein Ungleichgewicht verschiedener Neurotransmitter im Gehirnstoffwechsel angenommen wird. Dabei spielt das sogenannte „Wohlfühlhormon“ Serotonin eine zentrale Rolle.
Laut einer Umfrage gab jeder achte Befragte in Deutschland an, bereits an einer Depression erkrankt gewesen zu sein. Etwa 24 Prozent sagten, sie kennen Menschen in ihrem sozialen Umfeld, die bereits an einer Depression erkrankt waren oder es sind. Nur jeder Dritte läßt allerdings auch seine Erkrankung behandeln. Erst nach einem Selbstmordversuch werden Ärzte und das Umfeld aufmerksam, wobei auch nur in der Hälfte der Fälle eine Behandlung erfolgte. Nach Ansicht von Ulrich Hegerl „ist das sehr problematisch“. Es müssen alle Patienten eingehend behandelt werden, die bereits versuchten, sich selbst zu töten.
Präventive Programme gegen die Selbsttötung könnten Selbstmorde der Betroffenen deutlich senken. Erkrankte müssten ihre Scham vermindern und den Weg zum Arzt finden. Auch müsste die Zusammenarbeit mit den Hausärzten gestärkt werden, damit Ärzte Depressionen besser erkennen können, so die Forderung des OSPI-Projekts.
Eine Behandlung findet häufig in Form einer Psychotherapie und in der Gabe von sogenannten Antidepressiva (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) statt. Oftmals werden zusätzlich Beruhigungsmittel wie Lorazepam oder Diazepam verabreicht. Bei leichten Formen einer Depression kommen auch Behandlungsmöglichkeiten der Naturheilkunde in Frage. Zur Stimmungsaufhellung wird das Johanniskraut verabreicht. In mehreren wissenschaftlichen Studien konnte die positive Wirkungsweise bereits bestätigt werden. Hinzukommend sind Entspannungsverfahren wie Yoga, Autogenes Training oder die Progressive Muskelentspannung adäquate Behandlungsoptionen. (sb)
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Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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