Forscher identifizieren genetische Ursache des Struwwelpeter-Syndroms
Der Struwwelpeter ist aus dem gleichnamigen Märchen für seine wilde Frisur und sein wenig folgsames Verhalten bekannt. Manchen Kinder leiden von Natur aus unter völlig zerzausten Haaren, die praktisch unkämmbar sind, was als Struwwelpeter-Syndrom bezeichnet wird, erläutern Wissenschaftler der Universität Bonn. Sie haben in einer aktuellen Studie die Gene identifiziert, welche für das Phänomen des Struwwelpeter-Syndroms verantwortlich sind.
Weltweit leiden nur wenige Kinder an dem Struwwelpeter-Syndrom (auch „Syndrom der unkämmbaren Haare“), dessen Ursachen bislang weitgehend unklar blieben. Ein Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn konnte nun Mutationen in drei Genen identifizieren, die zu unkämmbaren Haaren führen, so die Mitteilung der Universität Bonn.
Kamm und Bürste ohne Chance
Kinder mit Struwwelpeter-Syndrom haben völlig zerzauste Haare, die sich quasi nicht kämmen lassen. „Dass Kinder nicht immer einfach zu frisieren sind, wissen wohl viele Eltern aus eigener Erfahrung“, berichten die Forscher. Doch mit Geduld und starken Nerven könne in aller Regel auch der hartnäckigste Knoten gelöst werden. Beim dem Struwwelpeter-Syndrom „haben Bürste oder Kamm dagegen nicht den Hauch einer Chance“, so die Experten weiter. Betroffene zeigen ein extrem krauses, trockenes, meist hellblondes Haupthaare mit charakteristischem Glanz, erläutern die Forscher.
Struwwelpeter-Syndrom sehr selten
Am ausgeprägtesten sind die zerzausten Haare bei dem Struwwelpeter-Syndrom in der Kindheit und lassen dann mit der Zeit nach, berichten die Experten. Im Erwachsenenalter seien die Haare schließlich meist mehr oder weniger normal frisierbar. Dass bisher nur wenig über die Ursachen des Syndroms bekannt ist, führen die Wissenschaftler auch darauf zurück, dass das Phänomen relativ selten ist.
Gut einhundert Fälle bislang dokumentiert
Im Jahr 1973 sei das Syndrom zum ersten Mal in der Fachliteratur beschrieben worden und seither wurden weltweit gut einhundert Fälle dokumentiert, sagen die Forscher„Wir nehmen aber an, dass es deutlich mehr Betroffene gibt“, so Professor Dr. Regina Betz vom Institut für Humangenetik der Uni Bonn. Denn wer unter unkämmbaren Haaren leidet, suche deshalb nicht unbedingt einen Arzt oder eine Klinik auf.
Verdacht auf genetische Ursache
Bereits bekannt war, dass die Anomalie in manchen Familien gehäuft auftritt, weshalb der Verdacht auf eine genetische Ursachen nahe lag. Die Bonner Humangenetikerin hatte vor ein paar Jahren auf einem Kongress von einem britischen Kollegen erstmals von einer Familie mit zwei betroffenen Kindern erfahren. „Über Kontakte zu Kollegen aus aller Welt gelang es uns, neun weitere Kinder zu finden“, berichtet Prof. Betz.
Mutationen in drei Erbanlagen die Auslöser
Anschließend sequenzierten die Bonner Wissenschaftler sämtliche Gene der Betroffenen und beim Abgleich mit großen Datenbanken stießen sie auf Mutationen in drei Erbanlagen, die an der Bildung des Haares beteiligt sind, berichtet die Universität Bonn. Die Gene mit den Kürzeln PADI3, TGM3 und TCHH seien maßgeblich für die Entwicklung des Syndroms. In den ersten beiden Gene seien Bauanleitungen für Enzyme enthalten, in dem Dritten /TCHH) die Anleitung für ein wichtiges Protein des Haarschafts.
Proteine von hoher Bedeutung für gesunde Haare
„In gesundem Haar sind die TCHH-Proteine über hauchfeine Hornfäden miteinander vernetzt, die für Form und Struktur des Haares verantwortlich sind“, erläutern die Forscher. Auch die zwei anderen gefundenen Gene seien hier von Bedeutung. „PADI3 verändert das Haarschaftprotein TCHH so, dass sich die Hornfilamente an ihm anlagern können“ und „das TGM3-Enzym stellt dann die eigentliche Verknüpfung her“, erklärt die Erstautorin Dr. Fitnat Buket Basmanav Ünalan.
Quervernetzung der Haar-Proteine gestört
In Untersuchungen an Zellkulturen konnten die Forscher feststellen, dass die bei den vorliegenden Mutation die Quervernetzung der Haar-Proteine gestört wird. „Wenn auch nur eine der drei Komponenten nicht funktionell ist, hat das fundamentale Auswirkungen auf die Struktur und Stabilität der Haare“, berichtet die Universität Bonn. Auch hätten Mäuse, bei denen das PADI3- oder das TGM3-Gen defekt war, charakteristische Fell-Anomalien entwickelt, die dem menschlichen Phänotyp sehr ähnlich seien.
Struwwelpeter-Syndrom ohne gesundheitliche Folgen
Anhand der gefundenen Mutationen lasse sich eine Menge über die Mechanismen lernen, „die an der Bildung gesunder Haare beteiligt sind, und warum es manchmal zu Störungen kommt“, betont Prof. Betz. Zugleich könne die klinische Diagnose „Struwwelpeter-Syndrom“ nun mit molekulargenetischen Methoden abgesichert werden. Dies sei für betroffene Personen mit Haarerkrankungen eine gute Nachricht. Denn andere Haar-Anomalien gehen durchaus mit schweren Begleiterkrankungen einher, die sich erst in späteren Lebensjahren manifestieren. Das Struwwelpeter-Syndrom bleibe dagegen meist ohne weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die unkämmbaren Haare sind zwar lästig, doch „ansonsten müssen sich Betroffene keine Sorgen machen“, so Prof. Betz.
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