Ärztliches Komitee prüft medizinische Erklärungen für Wunderheilungen in Lourdes
07.05.2013
Jedes Jahr melden sich 30 bis 40 Menschen, die nach einem Besuch in der Mariengrotte in Lourdes spontan von einer Krankheit geheilt worden sein sollen. Ein internationales Mediziner-Komitee prüft die vermeintlichen Wunderheilungen, von denen die meisten jedoch naturwissenschaftlich erklärbar sind. Nur bei den wenigste sei die Heilung wirklich unerklärlich, berichtet der deutsche Arzt und Mitglied des Komitees in Lourdes, Rolf Theiß.
Jährlich nur zwei bis drei Heilungen in Lourdes für Ärzte interessant
Jedes Jahr pilgern rund sechs Millionen Menschen zum Wallfahrtsort Lourdes. Viele von ihnen sind krank und bitten in der Mariengrotte um Heilung. Denn immer wieder soll es dort zu Wunderheilungen kommen, die in Zusammenhang mit 18 Marienerscheinungen aus dem Jahr 1858 stehen könnten. Der deutsche Arzt Rolf Theiß ist das einzige deutsche Mitglied des internationalen medizinischen Komitees, das die spontanen Heilungen von Lourdes unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten untersucht. Rund 30 bis 40 Fälle dieser Art werden jedes Jahr gemeldet. „Die wenigsten Fälle aber sind wirklich unerklärlich. Und noch weniger gelten später als Wunder“, berichtet der 66-jährige Chirurg aus Saarburg gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Theiß verrät, dass lediglich zwei bis drei Fälle pro Jahr für das Komitee von Interesse sind. Im vergangenen Jahr meldeten Pilger angebliche Wunderheilungen unter anderem bei Hepatitis C, Epilepsie, Nierenkarzinomen und Lähmungen. „Viele Fälle scheiden von vornherein aus“, erklärt der Mediziner. Offensichtlich vorgetäuschte Heilungen und psychosomatische Erkrankungen fielen beispielsweise darunter.
Bei der wissenschaftlichen Untersuchung der Heilungen in Lourdes analysiere das internationale Komitee zunächst die Krankengeschichte des Betroffenen, berichtet Theiß. Es müsse geklärt werden, um welche Erkrankung es sich genau handele. Die meisten Kranken, die nach Lourdes kämen, hätten bereits eine Behandlung im Vorfeld erhalten. „Da müssen wir genau prüfen, ob die Heilung nicht eine Folge der Behandlung sein könnte.“ Zudem müsse untersucht werden, ob eine Krankheit wirklich geheilt sei und dauerhaft verschwinde. Manchmal würden die Prüfung über Jahre vollzogen, bis eine Heilung wirklich als nicht wissenschaftlich erklärbar eingestuft werde.
Heilungen in Lourdes könnten auch an anderen Orten stattfinden
„Wir Mediziner sprechen nicht von Wundern“, sagt Theiß. Spontanheilungen könnten auch an anderen Orten vorkommen. „Es gibt überall Dinge, die man nicht erklären kann.“ Für ihn sei das Besondere an Lourdes, dass an diesem spirituellen Ort viele Kranke zusammentreffen.
Eine unerklärliche Heilung sei ohnehin noch lange kein Wunder, so der Mediziner. Eine Einstufung als Wunder nehme nur die katholische Kirche vor. Von den etwa 7.000 Heilungen in Lourdes, die seit der Marienerscheinungen von 1858 verzeichnet wurden, seien Angaben der Wallfahrtsstätte zufolge nur 68 als Wunder anerkannt worden. Der Fall der italienischen Ordensschwester Luigina war die letzte von der katholischen Kirche als Wunder bezeichnete Heilung. Die Frau litt an einer Beinlähmung und wurde in Lourdes geheilt. Wie Theiß berichtet, war dieser Fall sehr interessant. „Sie hat uns Jahre beschäftigt.“ Die Nonne wurde im Jahr 1965 gelähmt in den Gottesdienst getragen, konnte dann aber plötzlich wieder ihren Fuß bewegen. Unter medizinischen Gesichtspunkten gebe es keine Erklärung für die Heilung „nach dem heutigen Stand der Wissenschaft“, so Theiß. Die mittlerweile 79-Jährige „ist heute noch gesund“.
Theiß hat den Sitz im Komitee von seinem Vater übernommen. Der Mediziner würde eine Pilgerfahrt nach Lourdes zwar „nicht als Therapie“ empfehlen, würde einen Kranken jedoch unterstützen, „wenn ich aber merke, dass er gerne dorthin möchte“.
Heilungen ohne schulmedizinische Erklärung
Auch in der Medizin werden immer wieder Fälle von Heilungen beschrieben, für die es keine klare schulmedizinische Erklärung gibt. So kann es bei einigen Krebsarten – wenn auch selten – zu einer sogenannten Spontanremission kommen, bei der eine unerwartete Besserung oder sogar vollständige Genesung auftritt. Als Ursache werden der programmierte Zelltod oder die Gefäßneubildung in Tumoren diskutiert.
Tatsächlich ist der menschliche Körper permanent mit Reparatur- und Regenerationsvorgängen beschäftigt. So werden beispielsweise in der Haut rund eine Milliarde Zellen pro Tag erneuert. Auch die Innenschicht des Dünndarms erneuert sich etwa alle drei Tage vollständig. Selbst Defekte in der Erbsubstanz der DNA werden täglich durch Enzyme repariert. Bei Verletzungen wie Knochenbrüchen oder Schnittwunden in der Haut mobilisiert der Körper zusätzliche Selbstheilungskräfte, die die Schäden reparieren. Viele Erkrankungen kann der Körper ganz allein – ohne Medikamente oder spezielle Therapien – heilen.
Im Mai 2010 veröffentlichten die US-amerikanischen Medizinerinnen Deborah Grady und Rita Redberg die Untersuchung „Weniger ist Mehr“, in der sie sich für weniger medizinische Versorgung aussprachen. Immer wieder würden unerwünschte Nebenwirkungen von Therapiemaßnahmen den Nutzen überwiegen, so dass weniger medizinisches Eingreifen manchmal zu einer besseren Genesung führe. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Ärztinnen im Fachmagazin „Archives of Internal Medice“ des „Journal of the American Medical Association“ (JAMA). (ag)
Bild: Bernd Kasper / pixelio.de
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