Diabetes: Neue Praxisempfehlungen zur Ernährung
In Deutschland leben derzeit mehr als acht Millionen Menschen mit Diabetes; bei dem Großteil der Betroffenen liegt ein Typ-2-Diabetes vor. Laut Fachleuten könnten etwa die Hälfte von diesen Personen auch ohne Medikamente gut behandelt werden. Wichtig ist hierbei unter anderem eine Ernährungsumstellung. Doch welche Ernährung ist für Zuckerkranke besonders empfehlenswert? Dazu wurden nun neue Ernährungsempfehlungen veröffentlicht.
Wer fettleibig ist, noch nicht sehr lange an Diabetes leidet und 15 Kilo abnimmt, kann den Zuckerstoffwechsel stark normalisieren und sogar zeitweise ohne Medikamente auskommen. Dies ist eine zentrale Aussage in den aktualisierten Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zur Ernährung von Typ-2-Diabetes-Erkrankten. Weitere wichtige Neuerungen: Strenge Vorgaben für die Mengenaufnahmen von Fett, Kohlenhydraten sowie Eiweiß sind überholt – stattdessen können Betroffene gesunde Ernährungsmuster wählen, die ihren Vorlieben entsprechen. Empfehlenswert zur Gewichtsreduktion sind Formula-Diäten, Low-Carb- und Low-Fat-Ernährung sowie Intervallfasten.
Genaue Verzehrvorgaben für einzelne Mikronährstoffe entfallen
Wie es in einer Mitteilung heißt, hat der Ausschuss Ernährung der DDG für die Überarbeitung der Praxisempfehlungen sämtliche relevanten Studien seit 2004 ausgewertet. Mit dem Ergebnis, dass genaue Verzehrvorgaben für einzelne Mikronährstoffe wie Kohlenhydrate, Fett sowie Eiweiß entfallen; auch die Maßgabe, bei eingeschränkter Nierenfunktion weniger Proteine zu essen, ist überholt.
„Die Empfehlungen zur Gewichtsreduktion und Ernährungsweise bei Diabetes Typ 2 sind insgesamt unkomplizierter und individueller“, erläutert DDG-Präsident Professor Dr. med. Andreas Neu. Im Mittelpunkt der neuen Empfehlungen steht die Erkenntnis, wonach bei Personen mit Adipositas durch eine Gewichtsreduktion von mindestens 15 Kilogramm grundsätzlich ein vollständiges Zurückdrängen des Diabetes möglich ist, eine sogenannte Remission.
„Die DiRECT-Studie aus England zeigt, dass 86 Prozent der Personen, die tatsächlich eine Gewichtsreduktion von mindestens 15 Kilogramm erreicht hatten, eine Diabetesremission erfuhren“, erklärt Professor Dr. med. Diana Rubin, die als Vorsitzende des Ausschusses Ernährung der DDG federführend an der Neuerstellung der Praxisempfehlungen beteiligt war. „Voraussetzung war eine Diabetesdauer von nicht länger als sechs Jahren.“
Abnehmwillige können unter verschiedenen Methoden wählen
Um dieses Ziel zu erreichen, können Abnehmwillige laut der DDG prinzipiell unter verschiedenen Methoden wählen. „Wir haben in der Literatur sehr gute Effekte beispielsweise für Low-Carb gefunden, eine kohlenhydratarme Ernährungsform“, sagt Rubin. Und Low-Fat-Diäten seien zumindest mittelfristig in der Wirkung ebenbürtig. „Soll keine bestimmte Diät eingesetzt werden, so sind für das Diabetesmanagement mediterrane, vegetarische oder vegane Ernährungsmuster gleichermaßen geeignet“, so die Ernährungsmedizinerin.
Intervallfasten könne unter ärztlicher Überwachung ebenso zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden. „Entscheidend ist, dass die Abnehmstrategie zu den Präferenzen der übergewichtigen Person passt und nachhaltig im Alltag umgesetzt werden kann“, erklärt Rubin.
Zu schnellen, hohen Gewichtsverlusten mit dem Resultat einer Diabetesremission führen nachweislich auch Formula-Diäten, die mit einem Mahlzeitenersatz arbeiten, meist in Pulverform. Eine große Studie belegt, dass nahezu die Hälfte der übergewichtigen Diabetespatientinnen und -patienten, die zunächst über drei bis fünf Monate eine Formula-Diät mit einem Kaloriengehalt von 825 bis 852 kcal pro Tag einhielten, eine Remission erzielte.
„Die Remission dauerte teilweise länger als zwei Jahre“, erläutert Rubin. Wenn keine Ernährungsform wirksam ist, sind bariatrische Operationen ebenfalls sehr erfolgreich, um eine Diabetesremission herbeizuführen.
Zügiges Gehen nach den Mahlzeiten
Über das nordische Ernährungsmuster, die makrobiotische Ernährung, die DASH- und Paleo-Diät konnten die Fachleute keine Aussagen treffen. „Zu diesen relativ neuen Ernährungstrends liegen noch zu wenige Studien vor“, so Rubin. Sicher dagegen ist, dass regelmäßige körperliche Aktivität auch mit geringer Intensität – etwa zügigeres Gehen nach den Mahlzeiten – die Körpergewichtsregulation verbessert.
„Schnelles Spazierengehen nach dem Essen hilft definitiv beim Abnehmen“, hebt die Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin am Vivantes Klinikum Spandau und Humboldt-Klinikum Berlin hervor.
Generell gelte: „Wer unverarbeitete, naturbelassene Lebensmittel zu sich nimmt, liegt richtig“, fasst Rubin zusammen. Darüber hinaus sollten Kohlenhydrate bevorzugt in Form von Vollkornprodukten, stärkearmen Gemüsesorten, Hülsenfrüchten und Nüssen verzehrt werden. „Hafer enthält besonders gesunde Kohlenhydrate, die günstig auf den Blutzuckerspiegel wirken“, sagt Rubin.
Süßstoff in üblichen Mengen ist unbedenklich, zuckerarme Früchte besonders im Hinblick auf den Ballaststoffgehalt empfehlenswert und mäßiger Alkoholkonsum mit einer guten Stoffwechseleinstellung vereinbar.
Insgesamt müsse die Ernährungstherapie stark auf die jeweilige Person abgestellt werden. „Es bietet sich an, die individualisierte Ernährungsberatung intensiver zu nutzen – ob in der Sprechstunde, per Mail oder Telefonie“, rät Rubin. Auch eine App, die von Fachleuten geprüft wurde und auf Rezept erhältlich ist, könne hilfreich sein. „In jedem Fall sollte möglichst früh eine Therapie angeboten werden“, betont Rubin. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Diabetes Gesellschaft: Low-Carb, Low-Fat oder Formula-Diät: Abnehmstrategie an individuellen Vorlieben ausrichten, (Abruf: 20.12.2021), Deutsche Diabetes Gesellschaft
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.