Süßigkeiten nicht schuld an gestiegenen Diabetes-Zahlen bei Kindern
Bei Diabetes, der sogenannten Zuckerkrankheit, handelt es sich längst nicht nur um eine Alterskrankheit. Immer mehr Kinder erkranken daran. Ärzte haben bislang keine Erklärung für den Anstieg. Aber Süßigkeiten seien nicht das Problem.
Anstieg gibt Rätsel auf
Immer mehr Kinder leiden hierzulande an Typ-1-Diabetes und zudem bricht die Krankheit auch immer früher aus. Dieser Anstieg von Diabetes gibt Rätsel auf, denn Mediziner haben keine Erklärung dafür. „Warum der Typ-1-Diabetes ansteigt – für die Antwort kann man noch einen Nobelpreis gewinnen“, so Thomas Danne, Chefarzt am Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult in Hannover und Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe. „Es ist wie ein Puzzlespiel.“ Dabei trifft Diabetes nicht nur Alte und Übergewichtige. Das „Diabetes-Eltern-Journal“ berichtet etwa über Fälle wie die kleine Ann-Fabienne, die Leistungsturnerin ist und mit sieben Zucker bekam und dennoch ein weitgehend normales Leben führt.
Kinder vor allem von Typ 1 betroffen
Bei Diabetes handelt es sich um die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern. Von den unter 18-Jährigen leiden in Deutschland etwa 30.000 an Typ 1 und die Neuerkrankungen steigen pro Jahr, je nach Quelle um zwei bis vier Prozent. Bei der Erkrankung entgleist das Immunsystem und zerstört die Insulin produzierenden Zellen. Bei Typ 2, auch oft als Altersdiabetes bezeichnet, wirkt das Insulin, häufig infolge von Übergewicht, nicht ausreichend und der Körper kann irgendwann nicht mehr genug produzieren. Waren Erkrankungen an Diabetes Typ 2 noch vor wenigen Jahrzehnten fast ausschließlich bei älteren Menschen zu beobachten (daher auch Altersdiabetes genannt), leiden heute vermehrt bereits Heranwachsende an der Stoffwechselstörung.
Süßigkeiten spielen keine Rolle
Die meisten Diabetes-1-Kinder seien in Finnland zu finden. Die Gründe dafür sind allerdings unklar. „Wir wissen, dass bestimmte Viruserkrankungen das Risiko fördern“, so Danne. Circa 20 Gene würden im Zusammenhang mit Typ-1-Diabetes stehen. Auch Ernährungsbestandteile oder ein Vitamin D-Mangel könnten eine Rolle spielen. „Sicher ist nur: Süßigkeiten spielen keine Rolle“, erklärt Danne. „Es gibt eine Menge offener Fragen.“ Allerdings könne das Typ 2 Diabetes-Risiko durch süße Softdrinks erhöht werden, wie neulich das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DifE) mitteilte. Die Deutsche Diabetes Hilfe, deren Vorsitzender Danne ist, wirbt um Spenden und auch für mehr Forschung.
Enorme Belastung für die Familie
Vor allem wenn die Patienten noch Kleinkinder sind, stellt dies eine enorme Belastung für die Familie dar. So müsse ein halbes Dutzend Mal täglich der Blutzucker gemessen und etwa viermal Insulin gespritzt werden. Dafür müssen die Kleinen auch teils nachts geweckt werden. Der Stoffwechsel wird in dieser Phase durch Wachstum, Bewegungsdrang und Infektionen in unvorhersehbarer Weise beeinflusst. Ein hoher Zuckerwert kann im Extremfall tödlich sein. Und auch eine Unterzuckerung, bei sich das Bewusstsein trübt, ist gefährlich. Auch später im Teenageralter wird es nicht zwangsläufig einfacher. Oft greifen die Heranwachsenden dann zu Alkohol und der erhöht die Gefahr der Unterzuckerung. Oder auch die Droge Extasy. „ Da hat jemand drei Nächte durchgetanzt. Wenn er dann eine extreme Unterzuckerung hat, rettet ihn nichts mehr“, so Danne.
Übergewicht und Bewegungsmangel als Ursachen
Rund sechs Millionen Deutsche leiden an Typ-2-Diabetes. Ursachen für die Krankheit sind eine genetische Veranlagung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Es erkranken immer mehr junge Leute, jedoch selten Kinder. „Wir haben ein Problem mit Adipositas und Kindern. Aber Diabetes ist erst die Endstufe“, so der Vizevorsitzende der Forschergruppe Diabetes am Helmholtz-Zentrum in München, Michael Hummel. „Dass der Typ 2-Diabetes bei Kindern wahnsinnig zunimmt, stimmt nicht.“ Jedoch: „Wir sehen immer mehr Typ-2-Patienten im Alter von 25 und 35 Jahren.“
Strafsteuer auf ungesunde Lebensmittel
Im Kampf gegen Typ 2-Diabetes haben rund 20 Staaten eine Zwangsabgabe auf zuckerhaltige Getränke erhoben. Jüngst beschloss auch Mexiko eine Steuer auf kalorienreiches Fastfood und zuckerhaltige Limonaden. In dem Land sind Angaben der Weltlandwirtschaftsorganisation (FAO) zufolge rund ein Drittel der Menschen übergewichtig. Eine „Straf“-Besteuerung von ungesunden Lebensmitteln könnte auch hierzulande ein Weg sein, sagte Danne. Eine Restriktion bei der Eröffnung von Fastfood-Restaurants sei ebenfalls möglich. Die Politik sei nun gefordert. „Was man in Deutschland gerne macht, ist bunte Broschüren drucken. Andere Länder haben einen nationalen Diabetesplan."
Insulin bislang die einzige Lösung
Allgemein müssten die Hilfen für Familien verstärkt und Schulen besser vorbereitet werden. Durch Abnehmen und Bewegung lasse sich Typ-2-Diabetes behandeln. Typ 1 könne nicht geheilt werden. „Das Einzige, was wir machen können, ist Insulin geben“, erklärt Danne. „Was wir anbieten können, sind technische Lösungen.“ Vor kurzem hätten Patienten erstmals eine künstliche Bauchspeicheldrüse zu Hause getestet. Mit dem Gerät könne man automatisch den Zucker im Gewebe messen und es gibt dann die richtige Insulinmenge ab. Es wird aber noch lange dauern, bis solche Geräte die Marktreife erlangen. (ad)
Bild: Steffi Pelz / pixelio.de
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