Diabeteserkrankungen auf dem Vormarsch – Versorgung unzureichend vorbereitet
Im Jahr 2040 werden Schätzungen zufolge zwölf Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes leiden – die meisten an Diabetes Typ 2. Gleichzeitig werden weniger aktive Diabetologinnen und Diabetologen für die Betroffenen bereit stehen. Bei den Diabetes-Fachgesellschaften klingeln die Alarmglocken. Steuern wir auf einen Versorgungsengpass zu?
Fachleute der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sowie der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V. (VDBD) machen in einem aktuellen Positionspapier zur Bundestagswahl 2021 auf drohende Engpässe in der Versorgung von Menschen mit Diabetes in den kommenden Jahren aufmerksam. Sie fordern die Umsetzung einer auf den gesamten Menschen ausgerichteten Medizin.
Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung steigt
Die deutsche Durchschnittsbevölkerung wird immer älter. Bis zum Jahr 2030 wird ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger das 65. Lebensjahr überschritten haben. Mit dem Durchschnittsalter steigt auch die Zahl betreuungsintensiver Patientinnen und Patienten mit Grunderkrankungen, denn das Alter ist gleichzeitig ein Risikofaktor für zahlreiche Volkskrankheiten wie
- Diabetes,
- Bluthochdruck,
- Herzinsuffizienz (Herzschwäche),
- chronische Lungenerkrankungen wie COPD,
- Krebs.
Schwerwiegende Folgen durch gute Versorgung vermeidbar
„Je besser Menschen mit Diabetes versorgt sind, umso besser ist ihr Stoffwechsel eingestellt und die oft schwerwiegenden Folgen wie Herzinfarkt, Amputationen, Erblindung oder Nierenversagen lassen sich vermeiden“, betonen die Fachgesellschaften. Dafür benötige es jedoch gut ausgebildete Fachkräfte.
Mangel an Diabetologinnen und Diabetologen
Doch genau an diesen Fachkräften mangelt es, warnt die DDG. Ein Drittel der aktiven Diabetologinnen und Diabetologen sei heute bereits über 50 Jahre alt. Neue Fachkräfte könnten aufgrund mangelnder Fortbildungsangebote nicht in ausreichender Zahl ausgebildet werden. Ein Ausbau der klinischen Lehrstühle für Diabetologie sei „zwingend notwendig“.
„In den letzten Jahren haben sich diese fast halbiert“, verdeutlicht DDG Präsident Professor Dr. med. Andreas Neu. Bund und Bundesländer müssten dafür Sorge tragen, dass deren Anzahl an den medizinischen Fakultäten in Deutschland wieder deutlich ansteigt. Sonst steuern wir nach Ansicht der DDG direkt in ein Versorgungsdefizit.
Kliniken bauen Versorgung für Diabetes-Betroffene ab
Gleichzeitig komme erschwerend hinzu, dass Kliniken seit Jahren Stellen und Betten in der Diabetologie abbauen. Dies habe zur Folge, dass auch Weiterbildung im Bereich Diabetes in allen Gesundheitsberufen immer seltener angeboten werden. „An allen großen Versorgungskrankenhäusern muss die Diabetologie als selbstständige Einheit erhalten bleiben“, fordert DDG Vizepräsident Professor Dr. med. Andreas Fritsche. Immerhin leide etwa ein Viertel aller Patientinnen und Patienten im Krankenhaus an Diabetes.
Eine Frage des Geldes
„Ein wesentlicher Teil der Therapie von Menschen mit Diabetes besteht im Gespräch, in Information und Aufklärung durch ein multiprofessionelles Diabetesteam“, erklärt Fritsche. Genau für die Leistungen erhalten die Kliniken jedoch am wenigsten Geld, kritisiert der DDG Vizepräsident. In der Hochleistungsmedizin werde eine informierende, aufklärende und patientenzentrierte Versorgung zu wenig wertgeschätzt.
Zu wenig finanzieller Anreiz für Diabetologie?
„Eine angemessene Vergütung dieser Leistungen muss daher endlich umgesetzt werden, sonst werden künftig Diabetologen und Personal in der Diabetesbehandlung fehlen und sich damit die Versorgung der Patienten deutlich verschlechtern“, prognostiziert Fritsche.
Digitalisierung verschlafen
Eine weitere Baustelle im Bereich Diabetes ist der VDBD zufolge die Digitalisierung. Hier gehe viel Potenzial verloren. „Die Digitalisierung ermöglicht effizientere Prozesse, trägt zur Patientensicherheit bei und unterstützt die Patienteninformation und -kommunikation“, schildert Dr. rer. medic. Nicola Haller, Vorstandsvorsitzende des VDBD. Durch die Digitalisierung könnten Freiräume im Arbeitsalltag geschaffen werden, in denen sich das Fachpersonal mit Patientinnen und Patienten auseinandersetzt – statt mit Schreibarbeit.
Praxen, die solche Versorgungsmodelle bereits umgesetzt haben, berichten von sehr guten Erfahrungen in der Telemedizin bis hin zum digital orientierten Therapiemanagement. Solche Konzepte könnten für die gesamte Medizin zukunftsweisend sein, unterstreicht die VDBD.
Mit Digitalisierung zurück zu den Wurzeln
Die Digitalisierung könne das ärztliche Handeln wertvoll ergänzen und damit dem medizinischen Personal ermöglichen, sich wieder auf das zu fokussieren, was ihren Beruf im Kern ausmacht, nämlich eine empathische Begleitung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Krankheiten wie Diabetes. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Diabetes Gesellschaft: DDG und VDBD warnen vor Versorgungsengpässen für Menschen mit Diabetes (veröffentlicht: 15.07.2021), deutsche-diabetes-gesellschaft.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.