Diabetes: Neue Ursache zur Krankheitsentstehung entdeckt
Typ-2-Diabetes entsteht in der Regel über einen langen Zeitraum und häufig ohne dass Betroffene Anzeichen der Krankheit spüren. Schon seit Jahrzehnten wird intensiv untersucht, welche Ursachen zu der sogenannten Zuckerkrankheit führen. Neben einer erblichen Veranlagung spielt vor allem ein ungesunder Lebensstil mit Übergewicht beziehungsweise Adipositas und Bewegungsmangel eine Rolle. Forschende haben nun eine neue Ursache zur Entstehung der Erkrankung entdeckt.
Wie die gemeinnützige Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe auf ihrer Webseite schreibt, gibt es in Deutschland aktuell circa acht Millionen Menschen mit Diabetes. Innerhalb eines Jahres erkranken 12 von 1.000 Personen neu an der Stoffwechselkrankheit. Pro Jahr kommen so mehr als 600.000 Neuerkrankungen hinzu. Ein Forschungsteam hat nun eine neue Ursache zur Entstehung des Diabetes entdeckt.
Diabetes-induzierte Organschäden bei Fischen
„Können Fische einen Diabetes bekommen?“, wird in einer aktuellen Mitteilung der Universitätsmedizin Mannheim gefragt. Und in der Tat: Der Mexikanische Tetra (Astyanax mexicanus), ein Süßwasserfisch, speichert nach periodischer Nahrungsaufnahme die Glukose im Blut, um so längere Phasen eines Nahrungsmangels zu überstehen.
In den vergangenen Jahren konnte Professor Dr. Jens Kroll vom European Center for Angioscience der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg zeigen, dass Fische auch, wie der Mensch, Diabetes-induzierte Organschäden ausbilden können.
Die Forschenden erhoffen sich von den Fischen Antworten auf die Frage, wie Diabetes-induzierte Organschäden entstehen.
Schutzmechanismus entdeckt
Den Angaben zufolge nutzt Kroll für seine Forschung genetisch veränderte Zebrafische (Danio rerio) mit spezifischen Änderungen im Glukose- und Insulinstoffwechsel, die auch beim Menschen einen Diabetes verursachen.
Diese Fische zeigen die typischen Veränderungen in den Blutgefäßen, Augen und Nieren, wie sie oft in diabetischen Patientinnen und Patienten beobachtet werden. Die als diabetische Retinopathie sowie diabetische Nephropathie bezeichneten Krankheitsbilder gehören zu den mikrovaskulären Folgeschäden der Diabeteserkrankung; sie können bis hin zur Erblindung und Dialysepflicht führen.
Auf ihrer Suche nach molekularen Schaltern im Stoffwechsel des Zebrafischs, die sich möglicherweise zur Diagnostik und für neue Therapien des Diabetes nutzen lassen, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt einen Schutzmechanismus entdeckt, der, wenn er ausgehebelt wird, beim Fisch die gleichen Folgen zeigt wie der Typ 2 Diabetes in menschlichen Patientinnen und Patienten.
Risikofaktoren der Diabeteserkrankung
Im Zentrum der Forschung von Professor Kroll steht neben den klassischen Risikofaktoren der Diabeteserkrankung wie Bewegungsmangel, falsche Ernährung und das Alter, der Metabolismus, also Stoffwechselwege, die unter anderem durch die Nahrungsaufnahme im Körper aktiviert werden.
In den letzten Jahren wurde hier gezeigt, dass eine Reihe von ungewollten und teilweise problematischen Verbindungen entstehen, die im Organismus die Funktion der Proteine, Fette und des Erbguts (DNA) verändern können, was längerfristig zu verschiedenen Erkrankungen, und eben auch zum Diabetes, führen kann.
Auch sogenannte reaktive Aldehyde, die aufgrund ihrer chemischen Struktur sehr reaktionsfreudig sind, gehören zu diesen Verbindungen. Der Körper hat vielfältige Schutzmechanismen entwickelt, um diese im Stoffwechsel gebildeten Aldehyde schnell abbauen zu können. Aber was passiert, wenn diese Schutzmechanismen ausfallen?
Genau diese Frage hat Kroll mit seinem Forschungsteam untersucht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deaktivierten im Zebrafisch ein Enzym (Akr1a1a), das im Normalfall das Aldehyd Acrolein unschädlich macht.
Daraufhin zeigten die Fische erhöhte Mengen an Acrolein und entwickelten einen Diabetes sowie diabetische Organschäden in Augen und Nieren. Als Ursache zeigte sich eine Insulinresistenz, wie sie genau so auch im Typ 2 Diabetes in diabetischen Patientinnen und Patienten auftritt.
Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Advanced Science“ veröffentlicht.
Veränderungen im Metabolismus
„Diese Erkenntnisse erweitern unser Verständnis zur Entstehung der Diabeteserkrankung wesentlich“, sagt Kroll. Sie zeigen, dass neben den klassischen Risikofaktoren auch Veränderungen im Metabolismus eine zentrale Ursache für die Entstehung des Diabetes sind.
Ob sich die reaktiven Aldehyde auch als Biomarker zur Vorhersage der Diabetes-Entstehung und der späteren Ausprägung diabetischer Organschäden eignen, ist eine der Fragestellungen, denen Kroll mit seinem Team und Kollaborationspartnern an der Universität Heidelberg im Rahmen des Internationalen Graduiertenkollegs DIAMICOM und des Sonderforschungsbereiches SFB 1118 nachgehen wird.
Darüber hinaus wollen die Fachleute aufklären, was einen Ausfall der Schutzsysteme bewirken kann und ob die Schutzsysteme oder auch die reaktiven Aldehyde Ansatzpunkte zur Prävention und Therapie des Diabetes und seiner Folgeerkrankungen sein können. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin Mannheim: Neue Ursache zur Entstehung des Diabetes entdeckt, (Abruf: 20.07.2021), Universitätsmedizin Mannheim
- Haozhe Qi, Felix Schmöhl, Xiaogang Li, Xin Qian, Christoph T. Tabler, Katrin Bennewitz, Carsten Sticht, Jakob Morgenstern, Thomas Fleming, Nadine Volk, Ingrid Hausser, Elena Heidenreich, Rüdiger Hell, Peter Paul Nawroth, Jens Kroll: Reduced Acrolein Detoxification in akr1a1a Zebrafish Mutants Causes Impaired Insulin Receptor Signaling and Microvascular Alterations; in: Advanced Science, (veröffentlicht: 18.07.2021), Advanced Science
- diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe: Diabetes in Zahlen, (Abruf: 20.07.2021), diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.