Herpesviren als Risikofaktoren für Diabetes
Die Liste der Diabetes-Risikofaktoren ist lang, wobei die meisten Menschen zunächst unweigerlich an ungesunde Ernährung und Übergewicht als potenzielle Auslöser denken. Doch auch Infektionen mit zwei gängigen Herpesviren sind laut einer aktuellen Studie mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes verbunden.
Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), des Helmholtz-Zentrums München, des Imperial College London und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben die Auswirkungen von Herpesvirus-Infektionen auf das Risiko für Typ-2-Diabetes untersucht. Die Ergebnis wurden in dem Fachmagazin „Diabetologia“ veröffentlicht.
Diabetes weltweit stark verbreitet
Schätzungsweise litten rund 9,3 Prozent der Weltbevölkerung im Jahr 2019 an Typ-2-Diabetes und Betroffene weisen vor allem aufgrund der daraus resultierenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine erhöhte Sterblichkeitsrate auf, berichten die Forschenden.
Viele verhaltensbedingte, umweltbedingte und genetische Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes sind bereits bekannt, doch Virusinfektionen stehen erst seit kurzem als potenzielle Auslöser in der Diskussion.
Herpesviren und Typ-2-Diabetes
In der aktuellen Studie haben die Forschenden nun einen möglichen Zusammenhang zwischen Herpesviren und Typ-2-Diabetes anhand der Daten von 1.967 Personen aus der bevölkerungsbezogenen Gesundheitsforschungsplattform KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) untersucht.
Alle Teilnehmenden wurden bei Studienbeginn (2006-2008) und bei der Nachuntersuchung (2013-2014) eingehend medizinisch untersucht. Dazu gehörten Tests auf das Vorhandensein humaner Herpesviren, orale Glukosetoleranztests (OGTT) und die Messung des glykosylierten Hämoglobins (HbA1c).
Bei Studienbeginn waren die Teilnehmenden durchschnittlich 54 Jahre alt, 962 (49 Prozent) waren Männer und 999 (51 Prozent) Frauen. Für die Inzidenzanalyse zur Entwicklung von (Prä-)Diabetes wurden die Daten der 1.257 Teilnehmenden mit normaler Glukosetoleranz zu Studienbeginn verwendet, erläutert das Team
Herpesviren mit Blutproben nachgewiesen
Weiterhin wurden Analysen der Blutproben durchgeführt, um das Vorhandensein von Antikörpern gegen sieben der acht bekannten humanen Herpesviren – Herpes-Simplex-Viren (HSV) 1 und 2, das Varizella-Zoster-Virus (VZV), das Epstein-Barr-Virus (EBV), das Cytomegalovirus (CMV) und die menschlichen Herpesviren (HHV) 6, 7 und 8 – nachzuweisen.
Alle diese Herpesviren verursachen nach einer anfänglichen, meist milden oder asymptomatischen Primärinfektion lebenslange latente Infektionen in ihren Wirten, erläutern die Fachleute. Ein Nachweis der Antikörper kann auf das Vorhandensein von sowohl primären als auch latenten Infektionen schließen lassen.
Diabetes-Risikofaktoren erfasst
Die Forschenden haben außerdem weitere Faktoren erfasst, von denen bekannt ist, dass sie mit dem Diabetes-Risiko in Verbindung stehen. Darunter das Geschlecht, das Alter, der Body-Mass-Index (BMI), körperliche Aktivität und Bluthochdruck.
Rund ein Drittel mit Prädiabetes
Zu Studienbeginn litten laut dem Forschungsteam 27,5 Prozent der Teilnehmenden an Prädiabetes. Bei der Nachuntersuchung waren es 36,2 Prozent. Typ-2-Diabetes hatten zu Studienbeginn 8,5 Prozent der Teilnehmenden und 14,6 Prozent bei der Nachuntersuchung.
Von den 1.257 Freiwilligen mit normaler Glukosetoleranz bei Studienbeginn entwickelten 364 einen Prädiabetes im Laufe der durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 6,5 Jahren und 17 entwickelten Typ-2-Diabetes, berichten die Forschenden.
Bei den Herpesviren seien Infektionen mit EBV am weitesten verbreitet gewesen (98 Prozent der Stichprobengruppe seropositiv), gefolgt von HSV1 (88 Prozent seropositiv), HHV7 (85 Prozent seropositiv) und VZV (79 Prozent seropositiv).
Deutlich weniger verbreitet waren Infektionen mit CMV (46 Prozent seropositiv), HHV6 (39 Prozent seropositiv) und HSV2 (11 Prozent seropositiv). Im Durchschnitt seien die Teilnehmenden bei Studienbeginn auf 4,4 Herpesviren positiv getestet worden und bei der Nachuntersuchung auf 4,7.
Diese Herpesviren erhöhen das Diabetes-Risiko
Ein Zusammenhang mit dem Auftreten von (Prä-)Diabetes bei Personen, die zu Studienbeginn noch eine normale Glukosetoleranz aufwiesen, war unabhängig von anderen Risikofaktoren für das Herpes-Simplex-Virus 2 und das Cytomegalovirus feststellbar, berichtet das Forschungsteam.
Bei Personen mit HSV2 sei die Wahrscheinlichkeit, an (Prä-)Diabetes zu erkranken, um 59 Prozent höher als bei nicht-infizierten Personen gewesen und bei Personen mit CMV-Infektion um 33 Prozent höher.
Sowohl HSV2 als auch CMV tragen konsistent und komplementär zur Entwicklung von (Prä-)Diabetes bei, selbst nach Berücksichtigung von anderen Risikofaktoren wie Alter, BMI, Bildung, Rauchen, elterlichem Diabetes oder Bluthochdruck, schreiben die Forschenden.
HSV2 sei zudem mit dem HbA1c-Wert in Verbindung gebracht worden, unabhängig von anderen Störfaktoren und der Prävalenz von (Prä-)Diabetes selbst.
Weitere Untersuchungen erforderlich
Zwar wird Typ-2-Diabetes in erster Linie durch die bekannten Risikofaktoren ausgelöst, doch HSV2 und CMV könnten ebenfalls einen Anteil haben. Allerdings müssen die Mechanismen, durch die diese Viren zur Entwicklung von (Prä-)Diabetes beitragen können, noch entschlüsselt werden.
Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse den Zusammenhang zwischen Viren und (Prä-)Diabetes und verdeutlichen den Bedarf nach mehr Forschungsarbeiten in diesem Bereich, erläutern die Fachleute. Dies könne auch zur Verbesserung von Präventionsstrategien gegen Diabetes beitragen. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Tim Woelfle, Birgit Linkohr, Tim Waterboer, Barbara Thorand, Jochen Seissler, Marc Chadeau-Hyam, Annette Peters: Health impact of seven herpesviruses on (pre)diabetes incidence and HbA1c: results from the KORA cohort; in: Diabetologia (veröffenticht 11.05.2022), springer.com
- Diabetologia: New study reveals that herpesvirus infection may increase the risk of developing diabetes (veröffentlicht 11.05.2022), eurekalert.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.