Schutz vor Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gleichzeitig?
Im Vorfeld von Typ-2-Diabetes zeigt sich oft eine beeinträchtigte Glukosetoleranz. In diesem Stadium des Prädiabetes kann eine Kombination aus körperlicher Aktivität und gesunder Ernährung die Entstehung von Typ-2-Diabetes verzögern oder sogar verhindern. Gleiches gilt für das Medikament Metformin. Inwiefen dadurch auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt, blieb bislang allerdings unklar.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Miami wurde untersucht, ob bei Menschen mit Prädiabetes das Medikament Metformin oder eine Lebensstilintervention das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder die Rate schwerer kardialer Ereignisse reduzieren. Die Ergebnisse wurden in dem Fachblatt „Circulation“ publiziert.
Über 3.000 Menschen mit Prädiabetes untersucht
Die Untersuchung umfasste 3.234 erwachsene Teilnehmende mit Prädiabetes, welche ursprünglich an einer dreijährigen Studie zum Diabetes-Präventionsprogramm (DPP) teilgenommen hatten. Die DPP-Studie untersuchte, wie das Auftreten von Typ-2-Diabetes bei Menschen mit Prädiabetes verhindert oder verzögert werden kann.
Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Typ-2-Diabetes
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Haupttodesursache bei Menschen mit Typ-2-Diabetes dar und erwachsene Personen mit Typ-2-Diabetes haben gegenüber gesunden Menschen ein rund doppelt so hohes Risiko, an einer kardiovaskulären Erkrankung (einschließlich Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzversagen) zu versterben, berichten die Forschenden.
Außerdem seien bei Menschen mit Typ-2-Diabetes häufig weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie beispielsweise Übergewicht oder Adipositas, Bluthochdruck und hohe Cholesterinwerte vorhanden.
„Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist bei Menschen mit Prädiabetes erhöht, und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt im Laufe der Zeit weiter an, wenn sich ein Typ-2-Diabetes entwickelt und fortschreitet“, betont Studienautor Dr. Ronald B. Goldberg in einer Pressemitteilung.
„Wir haben uns darauf konzentriert, die Auswirkungen von Lebensstil- oder Metformin-Interventionen zur Prävention von Typ-2-Diabetes bei Menschen mit Prädiabetes zu bewerten, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren“, fügt der Mediziner hinzu.
58 Prozent geringeres Diabetesrisiko durch gesunden Lebensstil
In der ursprünglichen DPP-Studie wurden die Teilnehmenden drei Jahre untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass sich in der Gruppe mit einer intensiven Lebensstilintervention (Verbesserung der Ernährung und körperliche Betätigung mit dem Ziel, einen Gewichtsverlust von sieben Prozent zu erreichen) die Inzidenz von Typ-2-Diabetes um 58 Prozent reduzierte.
Außerdem wurde festgestellt, dass Teilnehmende, welche zweimal am Tag das Arzneimittel Metformin einnahmen, eine um 31 Prozent reduzierte Inzidenz von Typ-2-Diabetes aufwiesen, verglichen mit Menschen aus der Kontrollgruppe.
Die DPPOS-Studie begann dann im Jahr 2002. In dieser Untersuchung wurden knapp 90 Prozent der ursprünglichen Teilnehmenden für eine Nachbeobachtungszeit von bis zu 25 Jahren aufgenommen. So sollten langfristige Auswirkungen der Interventionen auf die Entwicklung von Typ-2-Diabetes und deren Komplikationen beurteilt werden.
In der DPPOS-Studie untersuchten die Forschenden die Auswirkungen von Lebensstil- und Metformin-Interventionen auf das Risiko, einen nicht tödlichen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder einen Tod aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses zu erleiden. Dafür wurden die Ergebnisse der einzelnen Interventionsgruppen mit denen einer Placebogruppe verglichen.
Während der gesamten Untersuchung wurden die Teilnehmenden jährlich mit einem Elektrokardiogramm untersucht und ihre Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einschließlich Rauchen, Cholesterinspiegel, Blutdruck und sowie Body-Mass-Index ermittelt.
Medikamenteneinnahme im Laufe der Jahre gestiegen
Laut den Forschenden stieg der Prozentsatz der Teilnehmenden, welche blutdruck- und cholesterinsenkende Medikamente einnahmen, im Laufe der Studie weiter an. Bei Teilnehmenden aus der Gruppe der Lebensstilintervention fiel dieser Anstieg etwas niedriger aus.
Kein Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt
„Von Beginn des Diabetes-Präventionsprogramms an waren wir in erster Linie daran interessiert, ob die Vorbeugung von Diabetes zu einer Verringerung der Entwicklung von Komplikationen führen würde, die durch Typ-2-Diabetes verursacht werden – Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen, Retinopathie und Neuropathie“, erläutert Goldberg.
Nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 21 Jahren konnte das Team jedoch keine signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit von Herzinfarkten, Schlaganfällen oder kardiovaskulären Todesfällen zwischen den drei Gruppen feststellen.
Die Forschenden berichten, dass zum Beispiel in der Lebensstil-Interventionsgruppe insgesamt 35 nicht tödliche Herzinfarkte auftraten. In der Metformin-Gruppe seien es 46 und in der Placebo-Gruppe 43 gewesen.
Ähnliche Auswirkungen wurden auch bei nicht tödlichen Schlaganfällen festgestellt. Es gab 39 Schlaganfälle in der Lebensstil-Interventionsgruppe, 16 in der Metformingruppe und noch einmal 28 in der Placebogruppe, so das Team.
Außerdem berichten die Fachleute über die Anzahl an Todesfällen aufgrund von kardiovaskulären Ereignissen. 37 Menschen aus der Lebensstil-Interventionsgruppe verstarben während der Studie. In der Metformin-Gruppe verstarben 39 Personen und unter den Teilnehmenden, welche während der ursprünglichen DPP-Studie ein Placebo eingenommen hatten, verstarben 27.
„Die Tatsache, dass weder ein Lebensstil-Interventionsprogramm noch Metformin zu einem Rückgang der Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit Prädiabetes führten, könnte bedeuten, dass diese Interventionen bei der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nur begrenzt oder gar nicht wirksam sind, obwohl sie bei der Verhinderung oder Verzögerung der Entwicklung von Typ-2-Diabetes hochwirksam sind“, so Goldberg.
Laut dem Mediziner ist es wichtig zu wissen, dass die meisten Teilnehmenden zusätzlich auch mit Cholesterin- und Blutdruckmedikamenten behandelt wurden, welche bekanntermaßen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren.
„Die niedrige Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die insgesamt festgestellt wurde, könnte daher auf diese Medikamente zurückzuführen sein, was es schwierig machen würde, einen positiven Effekt der Lebensstil- oder Metformin-Intervention festzustellen“, erläutert der Experte.
Diabetes-Entstehung erheblich verzögert
Die Forschenden berichten aber auch, dass es bei den Teilnehmenden mit Lebensstilintervention und Personen, die Metformin einnahmen, eine anhaltende Verzögerung der Entwicklung von Typ-2-Diabetes für einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren gab. Eine Lebensstilintervention sei unglaublich wirksam, um Typ-2-Diabetes zu verzögern beziehungsweise zu verhindern.
Nun ist weitere Forschung zu dem komplexen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erforderlich, um diesen besser zu verstehen, betont Studienautor Dr. Eduardo Sanchez.
Dies könne auch helfen, einen gezielteren Ansatz zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit Prädiabetes und Typ-2-Diabetes zu entwickeln, fügt Dr. Goldberg hinzu. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ronald B. Goldberg, Trevor J. Orchard, Jill P. Crandall, Edward J. Boyko, Matthew Budoff, et al.: Effects of Long-term Metformin and Lifestyle Interventions on Cardiovascular Events in the Diabetes Prevention Program and Its Outcome Study; in: Circulation (veröffentlicht 23.05.2022), Circulation
- American Heart Association: Lifestyle changes, meds effective to prevent or delay Type 2 diabetes; no change in CVD (veröffentlicht 23.05.2022), AHA
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.