Durchbruch in der Behandlung von Typ-2-Diabetes
Jetzt wurde ein Peptid entwickelt, welches zu einer neuen Klasse von Antidiabetika gehört. Es ist in der Lage, die Stoffwechselanomalien zu korrigieren, die zu Typ-2-Diabetes und den damit verbundenen Begleiterkrankungen wie Insulinresistenz führen. Die neue Entwicklung könnte einen wichtigen Durchbruch in der Behandlung von Diabetes darstellen.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Birmingham wurde ein Peptid mit der Bezeichnung PATAS getestet, welches in vivo die Ganzkörper-Insulinresistenz reduziert und gleichzeitig die Glukoseintoleranz, Nüchternglukose, Lebersteatose und Fibrose bei Nagetieren verbessert.
Die Ergebnisse wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „Diabetes“ publiziert.
Etwa 537 Millionen Menschen leiden an Diabetes
Diabetes mellitus ist eine chronische Erkrankung, von der weltweit etwa 537 Millionen Menschen betroffen sind. Die meisten der Betroffenen leiden an Typ-2-Diabetes. Die Prävalenz von Typ-2-Diabetes nimmt seit Jahrzehnten zu, was auf die Alterung der Bevölkerung, Bewegungsmangel und eine schlechte Ernährung zurückzuführen ist, so das Team.
Zusätzlich sinke auch das Alter, in dem Menschen die Diabetes entwickeln. So trete die Erkrankung heutzutage auch vermehrt bei Jugendlichen und Kindern auf.
Schwächen vorhandener Medikamente
Derzeit zur Verfügung stehende Arzneimittel sind darauf ausgelegt, die Folgen von Typ-2-Diabetes zu behandeln. Dafür konzentrieren sie sich hauptsächlich auf die Senkung des Blutzuckerspiegels, erläutern die Forschenden.
Auch wenn es eigentlich dringend nötig wäre, neue und effektive Behandlungsoptionen für Diabetes zu entwickeln, sei seit über einem Jahrzehnt keine bahnbrechende therapeutische Behandlung mehr auf den Markt gekommen.
Was sind Adipeutics?
Das neu entwickelte Peptid PATAS könnte hier Abhilfe schaffen. Es gehört zu einer neuen Klasse von Diabetes-Medikamenten, welche als Adipeutics bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um Arzneimittel für Behandlungen, welche speziell die Fettzellen betreffen.
Wirkungsweise von PATAS
PATAS wirkt, indem es gezielt auf die Adipozyten (also die Fettzellen) abzielt, den Glukoseeintritt wiederherstellt und so die Stoffwechselphysiologie des Fettgewebes korrigiert, erklären die Fachleute.
Innerhalb der Studie konnte die neue Form der Behandlung in Tiermodellen die Glukoseaufnahme in den Adipozyten gezielt wiederherstellen. Dies führte zu einer Behandlung der Insulinresistenz, welche positive Auswirkungen auf den gesamten Körper hatte, berichten die Forschenden weiter.
PATAS könnte auch bei anderen Erkrankungen helfen
Die Auswirkungen der Therapie sind auch sehr vielversprechend für anderen Erkrankungen als Typ-2-Diabetes. So hilft die Behandlung der Insulinresistenz auch gegen eine Vielzahl von schweren Erkrankungen, welche auf die Resistenz zurückzuführen sind, erläutern die Forschenden.
Die aktuelle Studie ist das Ergebnis jahrelanger intensiver Laborarbeit. Bereits Jahre zuvor haben die Forschenden ein neues therapeutisches Ziel für Typ-2-Diabetes identifiziert, als sie eine seltene Erkrankung mit der Bezeichnung Alström-Syndrom untersuchten.
Insulinresistenz durch Anomalien im Fettgewebe
Damals zeigte sich, dass Anomalien im Fettgewebe, welche durch das dysfunktionale Protein ALMS1 ausgelöst werden, bei Menschen mit Alström-Syndrom zu einer extrem schweren Insulinresistenz führen.
Eine solche schwere Insulinresistenz ist mit einer frühen Entstehung von Typ-2-Diabetes verbunden. Wurde allerdings die Funktion des Proteins in den Fettzellen wiederhergestellt, führte dies in Tiermodellen dazu, dass sich das sogenannte Blutzuckergleichgewicht wieder normalisierte, so das Team.
Die Fachleute konzentrierten sich danach genauer auf ALMS1 und speziell darauf, wie es mit anderen Proteinen innerhalb der Fettzellen interagiert. So fand das Team heraus, dass sich ALMS1 in Abwesenheit von Insulin an ein anderes Protein mit der Bezeichnung PKC alpha bindet.
Die Aktivierung von Insulin in den Adipozyten führt zur Trennung dieser beiden Proteine. Das bewirkt einen Eintritt von Glukose in die Zellen. Bei Menschen mit Diabetes (welche insulinresistent sind) bleibt diese Verbindung zwischen den beiden Proteinen bestehen, erläutern die Forschenden.
PATAS unterbricht Interaktion zwischen ALMS1 und PKC alpha
Mit diesem Wissen in der Hinterhand, entwickelten die Fachleute das Peptid PATAS. Das Peptid ist in der Lage die Interaktion zwischen ALMS1 und PKC alpha zu unterbrechen, wodurch die Insulinsignalübertragung in den Fettzellen wiederherstellt wurde.
So wurde es möglich, mit der Hilfe von PATAS wieder die normale Physiologie der Fettzellen zu erreichen, indem es in Mausmodellen die Glukoseaufnahme wiederherstellte.
„Dank PATAS waren die Adipozyten, die keinen Zugang mehr zu Glukose hatten, wieder in der Lage, diese aufzunehmen und dann zu verstoffwechseln, um Lipide zu synthetisieren und abzusondern, die für den gesamten Körper von Nutzen sind“, erklärt Studienautor Vincent Marion in einer Pressemitteilung.
Deutliche Verbesserung der Insulinresistenz erreicht
„Diese positiven Auswirkungen sind in unseren Tiermodellen sichtbar, die eine deutliche Verbesserung der Insulinresistenz aufweisen. Auch andere Parameter und Begleiterkrankungen werden verbessert, darunter eine bessere Blutzuckerkontrolle und eine geringere Leberfibrose und -steatose“, fügt der Experte hinzu.
Als nächstes plant das Team eine klinische Studie, um PATAS an Menschen zu untersuchen. Durch die Entwicklung einer neuen Klasse von Antidiabetika könnte nicht nur die Behandlung von Typ-2-Diabetes erheblich verbessert werden, sondern auch die von vielen anderen kardio-metabolischen Erkrankungen, bei denen dysfunktionale Adipozyten und Insulinresistenz ein Problem darstellen. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Edwige Schreyer; Cathy Obringer; Nadia Messaddeq; Bruno Kieffer; Paul Zimmet;, et al.: PATAS, a First-in-Class Therapeutic Peptide Biologic, Improves Whole-Body Insulin Resistance and Associated Comorbidities In Vivo; in: Diabetes (veröffentlicht 13.07.2022), Diabetes
- INSERM (Institut national de la santé et de la recherche médicale): Towards a new drug class in the treatment of type 2 diabetes (veröffentlicht 13.07.2022), INSERM
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.