Diabetes: Vorbeugung durch gute Blutdruckeinstellung
Laut einer neuen Metaanalyse ist die Senkung von zu hohem Blutdruck ein wirksamer Weg, um das Risiko einer Person, in Zukunft an Typ-2-Diabetes zu erkranken, zu verringern. Fachleute weisen daher darauf hin, dass das präventive Potenzial durch eine gute Blutdruckeinstellung ausgeschöpft werden sollte.
Wie die Deutsche Hochdruckliga in einer aktuellen Mitteilung berichtet, kam eine große Metaanalyse, die 22 randomisierte Studien mit insgesamt fast 150.000 Teilnehmenden auswertete, zu dem Ergebnis, dass die medikamentöse Bluthochdrucktherapie mit einem um elf Prozent reduzierten Risiko einherging, im Verlauf von 4,5 Jahren an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken. Besonders deutlich war der Effekt demnach unter der Therapie mit ACE-Hemmern und AT1-Blockern.
Die „tödlichen Vier“
Das sogenannte metabolische Syndrom ist vor allem in den westlichen Industrieländern weit verbreitet. Es bezeichnet die unglückliche Allianz von Hypertonie (Bluthochdruck), Typ-2-Diabetes, erhöhten Lipidwerten (Blutfettwerte) und Übergewicht. Im englischen Sprachgebrauch ist auch von den sogenannten „deadly four“ – den „tödlichen Vier“ die Rede.
Schon 2010 war hierzulande jede vierte bis fünfte Person davon betroffen. Zwischenzeitlich liegt es nahe, dass sich die Häufigkeit nochmal erhöht hat. Denn laut Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) ist die Diabetesprävalenz in Deutschland zwischen 2003 und 2009 von 6,8 auf 9,3 Prozent bei Frauen beziehungsweise von 5,4 auf 8,2 Prozent bei Männern gestiegen.
Und auch die Prävalenz der Adipositas (Fettleibigkeit) hat zumindest bei den Jüngeren deutlich zugenommen: In der Altersgruppe 18 bis 29 Jahre stieg sie von 2010 bis 2014/2015 bei Frauen von 5,5 auf 9,7 Prozent und bei Männern von 5,4 auf 8,9 Prozent.
Entstehung von Typ-2-Diabetes unterdrücken
Umso wichtiger ist es, das Zusammenkommen dieser vier Hauptrisikofaktoren zu vermeiden. Eine aktuelle, in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichte Metaanalyse kam zu einer überraschenden Erkenntnis: Die Bluthochdrucktherapie hat das Potenzial, die Entstehung des Typ-2-Diabetes, auch „Altersdiabetes“ genannt, zu unterdrücken.
„Diese prophylaktische Wirkung ist insofern von großer Bedeutung, weil die meisten Betroffenen es nicht schaffen, die eigentliche Ursache, das Übergewicht, abzubauen. Womöglich hat die Bluthochdrucktherapie das Potenzial, die gefährliche Kaskade des metabolischen Syndroms zu unterbinden oder zumindest relevant aufzuhalten“, erläutert Professor Dr. Ulrich Wenzel, Hamburg, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga.
Den Angaben zufolge wurden in der Metaanalyse 22 randomisierte Studien mit 145.939 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgewertet. Personen, die bei Studieneinschluss einen beginnenden Diabetes aufwiesen, wurden nicht mit ausgewertet.
Die Analyse teilte die Teilnehmenden in zwei Gruppen: jene, die Blutdruckmedikamente erhalten hatten, und jene, die Placebo bekommen hatten. Bei den Therapiestudien im sogenannten Head-to-Head-Vergleich wurde die Kontrollgruppe mit niedrigeren Zielwerten der Placebogruppe zugeordnet.
Deutliche Risikoreduktion
Nach einem Follow-up von im Median 4,5 Jahren wurde bei 9.889 der Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein Diabetes mellitus Typ 2 neu diagnostiziert – bei 4.332 der behandelten Patientinnen und Patienten und bei 5.551 in der Vergleichsgruppe. Der Unterschied war signifikant, es zeigte sich ein um elf Prozent geringeres Diabetesrisiko unter Bluthochdrucktherapie bei Senkung des systolischen Blutdrucks um 5 mm Hg.
Der Effekt war bei allen Probandinnen und Probanden zu beobachten, auch wenn er im Trend bei übergewichtigen Patientinnen und Patienten sogar noch etwas ausgeprägter war (bei Personen mit einem BMI über 30 betrug die Risikoreduktion 17 Prozent, bei jenen mit einem BMI über 35 sogar 21 Prozent).
„Diese Effekte sind beachtlich, zumal man im Hinterkopf behalten muss, dass es keine reinen Placebostudien waren, die in die Auswertung mit eingingen. Hier hatten viele Patientinnen und Patienten der Kontrollgruppe auch eine medikamentöse Blutdrucksenkung erhalten, wenn auch eine weniger intensive. Dennoch war das Ergebnis deutlich“, sagt der Hamburger Bluthochdruckexperte.
Welche Medikamentenklassen besonders potent sind
Die Metanalyse untersuchte auch, welche Bluthochdruckmedikamentenklassen besonders mit einer Reduzierung des Diabetesrisikos in Beziehung zueinander standen. Im Ergebnis zeigte sich, dass ACE-Hemmer und AT1-Blocker besonders potent waren und das Risiko um 16 Prozent reduzierten. „Das ist enorm – fast jeder fünfte Diabetesfall kann also durch die Blutdrucksenkung mit einer dieser beiden Präparate in einer Hochrisikopopulation verhindert werden“, hebt Prof. Wenzel hervor.
Es handelt sich zwar um eine Metaanalyse ohne „Beweiskraft“ und prospektive Studien müssten die Ergebnisse validieren, dennoch spricht sich die Deutsche Hochdruckliga dafür aus, bei Menschen mit Bluthochdruck mit einem hohen Risiko für Typ-2-Diabetes, beispielsweise aufgrund von Übergewicht, bevorzugt diese beiden Substanzklassen einzusetzen.
„Angesichts der hochdynamischen Diabetesrate in unserer Gesellschaft müssen wir das prophylaktische Potenzial ausschöpfen. Beide Substanzen gehören ohnehin zur Standardtherapie von Bluthochdruck und ihr Einsatz wird in den Leitlinien als Mittel der ersten Wahl empfohlen“, erklärt der Präsident der Deutschen Hochdruckliga. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Hochdruckliga: Eine gute Blutdruckeinstellung kann Typ-2-Diabetes vorbeugen, (Abruf: 22.12.2021), Deutsche Hochdruckliga
- Nazarzadeh M, Bidel Z, Canoy D et al.: Blood pressure lowering and risk of new-onset type 2 diabetes: an individual participant data meta-analysis; in: The Lancet, (veröffentlicht: 13.11.2021), The Lancet
Wichtiger Hinweis:
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