Studie: Wie effektiv sind die Diabetes-Risiko-Scores?
Die sogenannten Diabetes-Risiko-Scores wurden entwickelt, um anhand von gezielten Fragen einschätzen zu können, wie hoch das Risiko einer Person ist, zukünftig an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Nun untersuchte ein deutsches Forschungsteam, welche Nutzen Betroffene aus der Risikoeinschätzung ziehen.
Forschende des Deutschen Diabetes-Zentrums um Professor Wolfgang Rathmann haben im Rahmen einer Studie untersucht, welche Wirkung die Nutzung der Diabetes-Risiko-Scores bei Menschen mit Übergewicht hat, bei denen noch kein Diabetes diagnostiziert wurde. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Acta Diabetologica“ vorgestellt.
Was sind die Diabetes-Risiko-Scores?
Zur persönlichen Einschätzung des Risikos für Diabetes kann ein fragebogenbasierter Test herangezogen werden, mit dem die Diabetes-Risiko-Scores ermittelt werden können. Unter anderem werden hierbei Faktoren wie Taillenumfang, Ernährungsgewohnheiten oder körperliche Aktivität abgefragt.
Bislang wurde jedoch kaum überprüft, ob diese Risikoeinschätzung einen konkreten Nutzen für Menschen mit Übergewicht hat. Führt das Wissen über ein erhöhtes Risiko für Diabetes tatsächlich dazu, dass Menschen ihren Lebensstil verändern, um unerwünschte Konsequenzen zu vermeiden?
Können Risiko-Scores eine Erkrankung abwenden?
Die Arbeitsgruppe des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) hat diese Überprüfung nun vorgenommen. „Diese neue Studie ist nicht nur deshalb so wichtig, weil sie uns hilft die Folgen und Nebeneffekte der Diabetes-Prävention besser zu verstehen, sondern es geht hier auch um die Auswirkungen der Nutzung solcher Risikofragebögen auf die Bevölkerung mit Übergewicht“, betont Professor Michael Roden aus dem Vorstand der DDZ.
„Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schauen daher genau hin, wie sich das Verhalten der Menschen nach solchen Tests ändert und welche Rückschlüsse sich daraus für uns ziehen lassen, um die Verfahren zu optimieren“, erläutert Professor Roden.
Ablauf der Studie
Für die Studie wurden die Teilnehmenden bei einer hausärztlichen Gesundheitsuntersuchung in zwei Gruppen aufgeteilt. In einer Gruppe wurde zusätzlich zur Routineuntersuchung der Diabetes-Risiko-Score ermittelt.
Zwölf Monate nach der Untersuchung überprüfte das Team, ob die Erhebung der Diabetes-Risiko-Scores einen gesundheitlich messbaren Zusatznutzen für die Patientinnen und Patienten gebracht hat.
Dazu wurde beispielsweise untersucht, ob es zu Veränderungen bei der körperlichen Aktivität, dem Body-Mass-Index, dem Taillenumfang, der Motivation zu Lebensstilveränderungen und der mentalen Einstellung gab.
Keine signifikantem Änderungen durch Diabetes-Risiko-Scores
Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen waren jedoch bescheiden. In der Gruppe, bei der die Diabetes-Risiko-Scores ermittelt wurde, konnte nur ein leichter Anstieg der körperlichen Aktivität beobachtet werden.
Bei allen anderen physischen und mentalen Faktoren waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen erkennbar.
„Die von Experten lange geforderte Studie zur Effektivität von Diabetes-Risiko-Scores im primärärztlichen Setting zeigt eindrucksvoll, dass die Nutzung inklusive Einordnung dieser Ergebnisse beim Abschlussgespräch mit dem zuständigen Arzt nicht ausreicht, um die körperliche Aktivität bei dieser exponierten Personengruppe zu fördern“, resümiert Dr. Seidel-Jacobs aus dem Forschungsteam.
Vergleichbare Studien zur Effektivität von Risikoscores für kardiovaskuläre Erkrankungen kamen laut der DDZ-Arbeitsgruppe zu ähnlichen Ergebnissen.
Art der Beratung könnte Einfluss haben
„Möglicherweise hat die Art und Intensität der Gesprächsführung zwischen dem Hausarzt und Patient im Zusammenhang mit der Nutzung von Diabetes-Risiko-Scores einen Einfluss auf die Effektivität der Maßnahme“, so die Einschätzung von Professor Rathmann. Er empfiehlt daher eine Untersuchung der Beratungstechnik.
Diabetes-Risiko-Scores allein reichen nicht aus
Die Forschenden des DDZ heben abschließend hervor, dass die Nutzung der Diabetes-Risiko-Scores in hausärztlichen Praxen dennoch sinnvoll ist, da die Methode eine Möglichkeit darstelle, das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes objektiv quantifizieren zu können.
Als alleinige Intervention reiche das Verfahren jedoch nicht aus, um die weiter steigenden Diabetes-Fallzahlen einzudämmen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Esther Seidel-Jacobs, Fiona Kohl, Miguel Tamayo, et al.: Impact of applying a diabetes risk score in primary care on change in physical activity: a pragmatic cluster randomised trial; in: Acta Diabetologica (2022), link.springer.com
- DDZ: Welche Auswirkungen haben die Diabetes-Risiko-Scores beim Hausarzt? (veröffentlicht: 28. Juni 2022), ddz.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.