Sonderformen des Diabetes: Was bei der Therapie beachtet werden muss
Gesundheitsexperten zufolge leben in Deutschland fast sieben Millionen Diabetiker. Die meisten von ihnen leiden an Diabetes Typ 2. Einem Großteil der Menschen sind auch Typ-1-Diabtes und Schwangerschaftsdiabetes bekannt. Doch es gibt noch weitere Sonderformen des Diabetes. Diese können unter anderem durch Medikamente oder Virusinfektionen ausgelöst werden.
Erkrankungen werden oft falsch behandelt
Diabetes Typ 1, Diabetes Typ 2, Schwangerschaftsdiabetes – diese Stoffwechselerkrankungen sind den meisten Menschen bekannt. Doch viele medizinische Laien und selbst Hausärzte wissen oft nicht, dass es auch Sonderformen des Diabetes gibt. Weil diese Ausprägungen nicht richtig diagnostiziert oder mit anderen Diabetesformen verwechselt werden, kommt es bei ihnen noch immer zu einer falschen Behandlung. Darauf weist die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in einer Mitteilung hin. Die Experten erklären, wie die seltenere Diabetes-Untergruppe erkannt wird und was bei der Therapie beachtet werden muss.
Dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel
„Die Ursachen einer Diabetes-Sonderform sind vielfältig und können von genetischen Erkrankungen über hormonelle Störungen bis hin zu Infektionen reichen“, erklärt DDG Präsidentin Professor Dr. med. Monika Kellerer.
Die seltenen Formen der Zuckerkrankheit werden „gelegentlich auch unter der Bezeichnung „Typ-3-Diabetes“ zusammengefasst, wenn dies auch in Deutschland keine offiziell anerkannte Bezeichnung ist“, schreibt der Diabetesinformationsdienst München auf seiner Webseite.
„Die Praxis-Leitlinie „Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus (2017)“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft fasst diese seltenen Formen in der Gruppe „Andere spezifische Diabetes-Typen“ zusammen“, heißt es dort weiter.
Sie haben im Wesentlichen das gleiche Merkmal wie die „klassischen“ Diabetes-Erkrankungen – einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel, der dringend reguliert werden muss.
„Allerdings unter Beachtung der jeweiligen Grunderkrankung, weshalb die Therapien erheblich voneinander abweichen können“, so Kellerer. Im Zweifel sollten sich betroffene Patienten an eine Schwerpunktpraxis oder spezialisierte klinische Fachabteilung wenden.
Kortison-Therapien als häufiger Auslöser
Der DDG zufolge gehören Kortison-Therapien, etwa bei Rheuma, Asthma, Morbus Crohn und anderen entzündlichen oder onkologischen Erkrankungen, zu den häufigsten Auslösern der Diabetes-Sonderform.
„Hier lautet die gute Nachricht: Der Diabetes kann sich komplett zurückentwickeln, wenn das Kortison ausgeschlichen wird“, sagt Kellerer. „Ob eine medikamentöse Umstellung möglich ist, sollten die Patienten mit ihren behandelnden Ärzten abklären.“
Das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes ist generell umso größer, je höher die Kortison-Dosis und je länger die Therapiedauer sind.
Besonders gefährdet sind Patienten, die fettleibig sind, eine familiäre Vorbelastung oder einen Langzeit-Blutzuckerwert HbA1C über 5,7 Prozent haben.
„Ist das Weglassen des Kortisons nicht möglich oder normalisieren sich die Blutzuckerwerte nach dem Ausschleichen nicht, basiert die Therapie wie beim Typ-2-Diabetes zunächst auf Ernährungsumstellung und mehr Bewegung“, so Kellerer. Dann folgen Antidiabetika in Tablettenform und am Ende Insulin.
Mukoviszidose zieht oft Diabetes nach sich
Zu den Diabetes-Sonderformen gehört auch ein gestörter Glukosestoffwechsel, der sich infolge der seltenen Erbkrankheit Mukoviszidose entwickelt.
Ab einem Alter von 26 Jahren erkrankt laut den Fachleuten jeder zweite Mukoviszidose-Patient zusätzlich an Diabetes, Frauen deutlich früher und häufiger als Männer.
„Dann hängt die Lebenserwartung auch von der Diabetesbehandlung ab“, erläutert Professor Dr. med. Andreas Neu, Vize-Präsident der DDG.
Weil der Diabetes bei Mukoviszidose-Kranken oft ohne erkennbare Symptome verläuft, sollten Patienten ab einem Alter von zehn Jahren jährlich auf Diabetes gescreent werden.
Doch: „Blutuntersuchungen allein mit dem HbA1c-Wert liefern nicht immer zuverlässige Ergebnisse“, so Neu. Eine sinnvolle Ergänzung seien beispielsweise Nüchtern-Blutzuckerbestimmungen.
Ernährung spielt eine lebenswichtige Rolle
Bei der Behandlung gibt es Besonderheiten, wobei generell gilt: Je untergewichtiger die Patienten, desto größer ihr Diabetes-Risiko. „Deshalb ist es vorteilhaft, Mukoviszidose-Patienten zu einem höheren Body-Mass-Index zu verhelfen“, so Neu.
Betroffene müssen vollwertig ernährt werden, auch in Bezug auf Salze und Kohlenhydrate. „In vielen Praxen werden die Patienten immer noch als Typ 2 eingestuft, die dann lernen, sich kalorienarm zu ernähren“, sagt Neu.
Das sei für Erkrankte mit eingeschränkter Bauchspeicheldrüsenfunktion und Untergewicht in Hinsicht auf die Lebenserwartung aber äußerst problematisch.
Zwar sollen Mukoviszidose-Patienten mit Diabetes laut Leitlinie Insulin erhalten, doch dies geschieht bislang nur bei drei Viertel der Patienten.
„Der Rest wird diätetisch oder mit oralen Antidiabetika behandelt“, erklärt Neu. Die Leitlinien raten aber aufgrund der schlechteren Wirksamkeit von Tabletten ab.
Der DDG zufolge kommen diabeteskranke Mukoviszidose-Patienten, im Gegensatz zu Typ-1-Diabetespatienten, lange ausschließlich mit Insulin zu den Mahlzeiten gut aus. Sie benötigten häufig erst nach Jahren ein zusätzliches Basalinsulin.
Genetische Defekte
Auch die sogenannten „MODY-Diabetes“-Typen („Maturity Onset Diabetes of the Young“), die auf unterschiedlichen genetischen Defekten beruhen und von Generation zu Generation weitervererbt werden, gehören zu den häufigeren Diabetes-Sonderformen.
Diese Defekte bewirken, dass die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse nicht mehr richtig funktionieren und demzufolge die Insulinproduktion eingeschränkt ist.
„Die Patienten sind meist normalgewichtig, weshalb bei ihnen manchmal fälschlicherweise Diabetes Typ 1 diagnostiziert wird“, erläutert DDG Experte Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland.
„Gentests geben Aufschluss, auch der Ausschluss von Antikörpern, die bei Typ 1 vorhanden sind.“
Das ist vor allem auch wichtig für die Therapie. Denn MODY-Diabetespatienten können gegebenenfalls zunächst gut mit Bewegung und ballaststoffreicher Ernährung behandelt werden, dann mit Tabletten. Erst in späteren Stadien ist eine Insulintherapie erforderlich.
Ursache entscheidet über Therapie
Doch auch andere Kategorien dürfen nicht unerkannt bleiben. So können etwa Virusinfektionen einen Diabetes der dritten Gruppe auslösen, zu weiteren Triggern zählen Fehlfunktionen des Immunsystems, hormonelle Störungen oder das Down-Syndrom.
Und eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse führt in 15 Prozent der Fälle zu einem permanenten Diabetes der dritten Gruppe.
„Sind Gallensteine der Grund für die Entzündung, kann sich der Diabetes nach deren Entfernung zurückbilden“, so Professor Dr. med. Baptist Gallwitz.
Eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse, sehr oft bedingt durch Alkoholmissbrauch, löst in etwa der Hälfte der Fälle Diabetes aus.
„Über die genaue Sonderform des Diabetes – und in der Konsequenz auch über die Therapie – entscheidet letztlich die Ursache“, sagt DDG Mediensprecher Gallwitz. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG): Häufig verkannt: Sonderformen des Diabetes - Auslöser können Medikamente, Virusinfektionen, Mukoviszidose oder Gendefekte sein, (Abruf: 06.08.2019), Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
- Diabetesinformationsdienst München: SELTENE FORMEN – „TYP-3-DIABETES“, (Abruf: 06.08.2019), Diabetesinformationsdienst München
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.