Unterschiedliche Diabetes-Subtypen – unterschiedliches vaskuläres Risiko
Die herkömmliche Einteilung in die zwei häufigen Diabetes-Typen – Typ-1 und Typ-2 – spiegelt die vielfältigen Ursachen und Auswirkungen eines gestörten Glukosestoffwechsels nicht angemessen wider. Vielmehr sind heute verschiedene Subtypen von Diabetes bekannt. Diese können sich auch durch ihr Risiko für Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Krankheiten deutlich unterscheiden.
Das Hauptmerkmal des Typ-2-Diabetes sind Entgleisungen des Blutzuckerspiegels. Die eigentliche Krankheitslast entsteht aber durch Folgeschäden und Komplikationen der sogenannten Zuckerkrankheit, die hauptsächlich auf diabetesbedingte Schäden am Blutgefäßsystem zurückgehen: Nieren-, Nerven- und Augenschädigungen zählen ebenso dazu wie ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. In einer Mitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) wird darauf eingegangen, welche Risiken für Folgeerkrankungen von den unterschiedlichen Subtypen des Typ-2-Diabetes ausgehen.
Fünf Subtypen des Diabetes identifiziert
Diabetologinnen und Diabetologen vermuten schon seit längerem, dass es sich beim Typ-2-Diabetes nicht um ein einheitliches Krankheitsbild handelt, sondern dass die Ursachen für die gestörte Blutzuckerregulation individuell verschieden sein können.
„In den letzten Jahren ist es gelungen, die Heterogenität des Typ-2-Diabetes mit bestimmten individuellen Variablen in Verbindung zu bringen“, erläutert Professor Dr. med. Robert Wagner, Leitender Oberarzt an der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Leiter des Klinischen Studienzentrums am Deutschen Diabetes Zentrum (DDZ) Düsseldorf.
Zunächst in Schweden, und später auch im Rahmen der groß angelegten German Diabetes Study mit Hauptstandort am DDZ Düsseldorf seien fünf Subtypen des Diabetes identifiziert worden, die sich gerade im Hinblick auf ihr kardiovaskuläres Risiko deutlich unterscheiden.
Für die Subtypisierung wurden nicht nur Variablen herangezogen, die den Zuckerstoffwechsel charakterisieren – wie der Langzeitblutzuckerwert HbA1c, die Insulinproduktion sowie das Ausmaß der Insulinresistenz – sondern auch das Alter bei Diagnose sowie der Body-Mass-Index (BMI).
„Anhand dieser Variablen konnten die Betroffenen in fünf Gruppen eingeteilt werden, die jeweils einem Diabetes-Subtyp entsprachen“, so Wagner. Drei dieser Subtypen seien als schwerer und zwei als milder Diabetes beschrieben worden.
Erhöhtes Risiko für eine diabetische Nervenschädigung
Eine Gruppe mit deutlich reduzierter Insulinproduktion, ähnlich dem autoimmun bedingten Typ-1-Diabetes, war dabei besonders auffallend. In dieser als SIDD (schwerer, insulindefizienter Diabetes) bezeichneten Gruppe kam es demnach besonders häufig zu einer diabetischen Retinopathie, einer Schädigung der Augennetzhaut also, die bis zur Erblindung führen kann.
Auch das Risiko für eine diabetische Nervenschädigung beispielsweise in den unteren Extremitäten oder aber an Augen war erhöht. Eine weitere Gruppe umfasste Erkrankte mit einem schweren, insulinresistenten Diabetes (SIRD).
„Viele Patienten mit diesem Subtyp entwickeln bereits sehr früh im Krankheitsverlauf eine diabetische Nierenschädigung“, erklärt Wagner. Nur fünf Jahre nach der Diabetes-Diagnose sei nahezu ein Viertel der SIRD-Gruppe von dieser schwerwiegenden Folgeerkrankung betroffen gewesen.
Folgen von Prädiabetes unterschätzt
Ohnehin ist die Komplikationsrate bei Menschen mit Diabetes Typ 2 schon zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sehr hoch: Etwa ein Drittel weist dann bereits Diabetes-typische Schädigungen auf. Dies deutet nicht nur darauf hin, dass die Diagnose Typ-2-Diabetes oft zu spät gestellt wird.
„Es zeigt auch, dass die gesundheitlichen Folgen des sogenannten Prädiabetes bislang unterschätzt werden. Viele Patienten verharren lange in diesem Vorläuferstadium des Typ-2-Diabetes“, so Wagner. „Bereits in dieser Phase kann es zu Komplikationen kommen, die unbehandelt schwerwiegende Auswirkungen haben können.“
Forschende unter Wagners Federführung sowie Mitwirken von Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Vizepräsident der DDG, konnten im vergangenen Jahr zeigen, dass bei Menschen mit Prädiabetes die Stoffwechsel-Entgleisungen sehr heterogen sind.
Auch hier lassen sich Subtypen identifizieren, die sich in Bezug auf ihr Herz-Kreislauf-Risiko unterscheiden. Eine solche Subtypisierung könne laut Wagner nicht nur dabei helfen, die Betroffenen anhand ihres individuellen Risikoprofils zielgerichteter zu behandeln und schwerwiegende Komplikationen möglichst zu vermeiden.
„Das kardiovaskuläre Risiko genauer abschätzen zu können, ist auch im Hinblick auf einen gezielten Einsatz der therapeutischen Ressourcen wichtig“, sagt der Experte. Angesichts einer weltweiten Prädiabetes-Prävalenz von mindestens 20 Prozent sei es notwendig, die begrenzten und teuren Präventionsmaßnahmen auf die Hochrisikogruppen zu fokussieren, welche am meisten davon profitierten. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Diabetes Gesellschaft: Typ-2-Diabetes: unterschiedliche Subtypen – unterschiedliches Risiko, (Abruf: 08.11.2022), Deutsche Diabetes Gesellschaft
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.