Abnehmen gegen Diabetes?
Bei übergewichtigen Menschen mit Typ-2-Diabetes sollte eine Gewichtsabnahme von 15 Prozent im Mittelpunkt stehen, da sie auftretende Komplikationen reduzieren, das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen und in vielen Fällen sogar eine Remission erreichen kann. Eine solche Gewichtsabnahme sollte daher gegebenenfalls in die Behandlungsrichtlinien aufgenommen werden.
In einer aktuellen Studie unter Beteiligung der University of Texas wurde festgestellt, dass bei der Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes eine Gewichtsabnahme von 15 Prozent angestrebt werden sollte, da diese verschiedene positive Auswirkungen für betroffene Personen mit sich bringt und die Erkrankung sogar rückgängig machen kann. Die Studienergebnisse wurden auf der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorgestellt und können in dem englischsprachigen Fachblatt „The Lancet“ nachgelesen werden.
Übergewicht häufig Ursache von Typ-2-Diabetes
Bei übergewichtigen Menschen mit Typ-2-Diabetes und ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen „sollte das Hauptaugenmerk der Therapie auf der Behandlung der wichtigsten zugrunde liegenden Anomalie und Ursache der Krankheit liegen: der Fettleibigkeit”, betont Studienautorin Dr. Ildiko Lingvay in einer Pressemitteilung.
Dieser Ansatz hat laut der Expertin den zusätzlichen Vorteil, dass er nicht nur den hohen Blutzucker, sondern auch andere mit Übergewicht beziehungsweise Fettleibigkeit zusammenhängende Komplikationen wie beispielsweise Fettleber, obstruktive Schlafapnoe, Osteoarthritis, Bluthochdruck und ein erhöhtes Blutfettprofil bekämpfen würde. Der Einfluss auf die Gesamtgesundheit der Person sei deutlich weitreichender als die alleinige Behandlung des Blutzuckers.
Remission durch Gewichtsabnahme
„Es hat sich gezeigt, dass eine Behandlung der Fettleibigkeit mit dem Ziel, einen nachhaltigen Gewichtsverlust von 15 Prozent zu erreichen, einen großen Einfluss auf das Fortschreiten des Typ-2-Diabetes hat und bei einigen Patienten sogar zu einer Remission des Diabetes führt”, berichtet Studienautorin Dr. Priya Sumithran von der Universität Melbourne.
Belege für die Vorteile der Gewichtsabnahme bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes stammen aus unterschiedlichen Quellen wie beispielsweise der DiRECT-Studie, in der 70 Prozent der Menschen mit Übergewicht oder Adipositas und Typ-2-Diabetes in einem Zeitraum von zwei Jahren eine Remission der Erkrankung erreichten, wenn sie 15 Kilogramm oder mehr an Gewicht abnahmen, so das Team.
Studien zur Adipositaschirurgie (bariatrische Chirurgie) hätten ebenfalls sowohl unmittelbare als auch nachhaltige Vorteile für Menschen mit Typ-2-Diabetes und Adipositas gezeigt. Nach einer Operation reduzierte sich der Bedarf an glukosesenkenden Medikamenten innerhalb weniger Tage und es konnte langfristig eine Verbesserung von mehreren Gesundheitsindikatoren festgestellt werden, berichten die Forschenden.
Studien zu neuen Arzneimitteln, wie beispielsweise Semaglutid 2-4 mg und Tirzepatid 15-0 mg, hätten zudem ergeben, dass mehr als 25 Prozent der Teilnehmenden mit Typ-2-Diabetes ohne weiteres 15 kg Gewicht abbauen können. Zusätzlich sei es möglich, die Blutzuckereinstellung bei den meisten Teilnehmenden wieder nahezu zu normalisieren.
Verbindung zwischen Körperfett und Insulinresistenz
Die meisten Personen (40 bis 70 Prozent) mit Typ-2-Diabetes weisen ein oder mehrere Merkmale einer Insulinresistenz auf. Dies bedeutet laut Aussage der Forschungsgruppe, dass Typ-2-Diabetes bei diesen Menschen wahrscheinlich durch zunehmendes Körperfett bedingt ist.
„Zu den wichtigsten Merkmalen, an denen sich Menschen erkennen lassen, bei denen zunehmendes Körperfett ein wichtiger mechanistischer Faktor für Typ-2-Diabetes ist, gehören das Vorhandensein von zentraler Adipositas (Fett um die Taille), ein erhöhter Taillenumfang, mehrere Hautanhängsel, hoher Blutdruck und eine Fettlebererkrankung”, erklärt Dr. Lingvay.
„Für diese Patientengruppe schlagen wir als Behandlungsziel eine Gewichtsabnahme von mindestens 15 Prozent vor, um nicht nur die Blutzuckereinstellung zu verbessern, sondern um den Kern der Pathophysiologie des Typ-2-Diabetes am wirksamsten zu stören und so den Verlauf langfristig zu ändern und die damit verbundenen Stoffwechselkomplikationen zu verhindern“, fügt die Expertin hinzu.
Gewichtsabnahme als Behandlungsziel
Die Forschenden sind der Meinung, dass Behandlungsziele für übergewichtige Menschen mit Typ-2-Diabetes sich auf eine nachhaltige Gewichtsabnahme konzentrieren sollten. Behandlungsrichtlinien sollten eine anhaltende Gewichtsabnahme als primäres Behandlungsziel aufnehmen. Arztpraxen sollten ebenfalls miteinbezogen werden, um ein effektives Gewichtsmanagement für Personen mit Typ-2-Diabetes einzuführen, so das Team.
Wandel in klinischer Versorgung notwendig
„Es ist an der Zeit, eine erhebliche (d. h. zweistellige) Gewichtsabnahme als Hauptziel für die Behandlung vieler Patienten mit Typ-2-Diabetes in Betracht zu ziehen. Dieser Ansatz würde die Pathophysiologie des Krankheitsprozesses bei Typ-2-Diabetes in Angriff nehmen, die Pathologie des Fettgewebes als eine der Hauptursachen für das Kontinuum von Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen anerkennen und weit über die Blutzuckerkontrolle hinausgehende Vorteile für den Stoffwechsel mit sich bringen“, fassen die Forschenden zusammen. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Diabetologia: Weight loss of 15% or more should be become a central focus of type 2 diabetes management (veröffentlicht 30.09.2021), Diabetologia
- Ildiko Lingvay, Ildiko Lingvay, Ildiko Lingvay: Obesity management as a primary treatment goal for type 2 diabetes: time to reframe the conversation; in: The Lancet (veröffentlicht 30.09.2021), The Lancet
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.