Entstehung von Thrombosen bei Diabetes entschlüsselt
Rund 80 Prozent aller Todesfälle, die auf Typ-2-Diabetes zurückzuführen sind, werden durch Blutgerinnsel verursacht, die eine Vene oder Arterie blockieren. Ein amerikanisches Forschungsteam entdeckte nun einen bislang unbekannten Mechanismus, der für die Entstehung solcher Gerinnsel verantwortlich zu sein scheint. Die Entdeckung eröffnet neue therapeutische Ansatzpunkte zur Verhinderung von Thrombosen bei Diabetes und anderen Erkrankungen.
Forschende des Brigham and Women’s Hospital in Boston (USA) beschreiben erstmals einen Mechanismus, der bei vielen Menschen mit Typ-2-Diabetes auftritt und an der Entstehung von potenziell tödlichen Blutgerinnseln beteiligt zu sein scheint. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Science Translational Medicin“ präsentiert.
Diabetes erhöht Risiko für Thrombosen
Bisher gingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überwiegend davon aus, dass Proteine, die von geschädigten Blutgefäßen freigesetzt werden, zu einem erhöhten Risiko für überschießende Blutgerinnung bei Diabetikerinnen und Diabetikern führen können. Die Arbeitsgruppe des Brigham and Women’s Hospital legt nun jedoch nahe, dass ein völlig anderer Mechanismus hinter dem erhöhten Thrombose-Risiko steckt.
Die Forschenden entdeckten, dass die Entstehung der Blutgerinnsel durch die Aktivierung eines Ionenkanals namens PIEZO1 angetrieben wird. Dieser Kanal könnte ein wichtiges therapeutisches Ziel zur Verhinderung von Thrombosen darstellen. Gleichzeitig könnten über den Kanal Risikopersonen identifiziert werden.
Nicht nur bei Diabetes von Interesse
„Als wir Blutproben von Patienten mit Diabetes untersuchten, stellten wir eine erhöhte Aktivierung von PIEZO1 fest“, bestätigt Studienhauptautor Calum MacRae. Dieser Mechanismus scheint auch bei anderen Erkrankungen, bei denen das Thrombose-Risiko erhöht ist, eine Rolle zu spielen.
Erhöhter Blutzuckerspiegel als Initiator
Eine der zentralen Erkenntnisse der Forschungsarbeit ist, dass die Aktivität des Ionenkanals immer dann erhöht ist, wenn der Blutzuckerspiegel ansteigt. Die erhöhte Aktivierung sei mit einer Kaskade von Reaktionen verbunden, die die Entstehung von Blutgerinnseln begünstigt.
Erste Tests zeigten großes medizinisches Potenzial
In einem Tiermodell und an Blutproben von Personen mit Diabetes testete die Arbeitsgruppe, was passiert, wenn der Ionenkanal PIEZO1 bei hohem Blutzuckerspiegel gehemmt wird. Es stellte sich heraus, dass durch die Hemmung des Ionenkanals auch die überschießende Blutgerinnung verhindert wurde.
Man lernt nie aus
Die Fachleute weisen jedoch darauf hin, dass erst Studien an Menschen erforderlich sind, bevor das Verfahren in die klinische Praxis umgesetzt werden kann. Unklar sei derzeit beispielsweise noch, ob das Verfahren Nebenwirkungen hervorruft und wenn ja, welche. Denn bei PIEZO1 handele es sich um ein Protein, das im Körper weit verbreitet ist. „Wir lernen immer noch viel Neues über Krankheiten, von denen wir dachten, dass wir sie vollständig verstehen“, resümiert MacRae. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Zhu W et al.: PIEZO1 mediates a mechanothrombotic pathway in diabetes; in: Science Translational Medicine, 2022, DOI: 10.1126/scitranslmed.abk1707, science.org
- Brigham and Women's Hospital: Researchers uncover new mechanism for deadly blood clots (veröffentlicht: 10.01.2022), eurekalert.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.