Zusammenhang zwischen dem zirkadianen Rhythmus und Diabetes
Die Zahl der Diabetes-Erkrankungen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und noch immer sind viele Betroffene auf eine lebenslange Therapie angewiesen. In einer aktuellen Studie haben Forschende der Université de Genève (UNIGE) und der Hôpitaux universitaires de Genève (HUG) einen Zusammenhang der Erkrankung mit Störungen der inneren Uhr nachgewiesen und diese Störungen dann korrigiert. Ein vielversprechende neuer Ansatz zur Heilung der Erkrankung.
Das Forschungsteam der UNIGE und der HUG konnten in der neuen Studie den Zusammenhang zwischen Störungen des zirkadianen Rhythmus in den Zellen der Bauchspeicheldrüse und Diabetes Typ 2 eindeutig nachweisen und diese Störungen erfolgreich korrigieren. Veröffentlicht wurden die Studienergebnisse in dem Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).
Zirkadianer Rhythmus betrifft fast alle Zellen
Der zirkadiane Rhythmus erlaubt es den Organismen, periodische Veränderungen der geophysikalischen Zeit vorauszusehen und sich an diese Veränderungen anzupassen. Dabei haben fast alle Zellen unseres Körpers innere Uhren, die die Stoffwechselfunktionen in einem 24-Stunden-Zyklus von Tag-Nacht-Änderungen regulieren und synchronisieren, erläutern die Forschenden.
Zusammenhang mit Stoffwechselkrankheiten
Mittlerweile gebe es immer mehr Hinweise darauf, dass Störungen unserer inneren Uhren (beispielsweise durch häufige Zeitzonenwechsel oder unregelmäßige Arbeitszeiten) einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung von Stoffwechselkrankheiten beim Menschen haben, darunter auch Typ-2-Diabetes. „Solche Störungen scheinen das ordnungsgemäße Funktionieren der Zellen in den Pankreasinseln zu verhindern, die Insulin und Glukagon absondern, die Hormone, die den Blutzuckerspiegel regulieren“, berichtet das Forschungsteam.
Gestörter Rhythmus der Bauchspeicheldrüsenzellen
In ihren Untersuchungen konnten die Genfer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler „durch einen Vergleich der Pankreaszellen von Typ-2-Diabetes-Humanspendern mit denen gesunder Menschen (…) zum ersten Mal nachweisen, dass die Pankreasinselzellen, die von den Typ-2-Diabetes-Humanspendern stammen, kompromittierte zirkadiane Oszillatoren tragen“, so die Mitteilung der UNIGE.
Hormonsekretion nicht mehr richtig koordiniert
Mit Hilfe der kombinierten Biolumineszenz-Fluoreszenz-Zeitraffer-Mikroskopie, einer Technologie, die es erlaubt, die molekulare Aktivität in lebenden Zellen über die Zeit sehr genau zu verfolgen, verglichen die Forschenden die Pankreaszellen der Teilnehmenden. So stellten sie fest, dass die biologischen Rhythmen der Inselzellen bei Typ-2-Diabetes reduzierte Amplituden der zirkadianen Schwingungen und auch eine schlechte Synchronisationsfähigkeit aufwiesen. Die Folge davon sei, dass die Hormonsekretion nicht mehr richtig koordiniert wird.
Mögliche Ursache der Diabetes-Erkrankungen
„Darüber hinaus waren die bei Patienten mit Typ-2-Diabetes beobachteten Defekte in der zeitlichen Koordination der Insulin- und Glucagonsekretion vergleichbar mit denen, die bei gesunden Inselzellen mit künstlich gestörter zirkadianer Uhr gemessen wurden“, so das Forschungsteam weiter. Mit der Störung der inneren Uhren in den Bauchspeicheldrüsenzellen ging eindeutig eine Störung der Hormonsekretion einher, die nach Einschätzung der Forschenden Ursache der Diabetes-Erkrankung sein kann.
Vor zwei Jahren hatte das Forschungsteam um Charna Dibner vom Diabeteszentrum an der medizinischen Fakultät der UNIGE und an der HUG bereits gezeigt, dass bei Nagetieren die Störung der inneren Uhr der Bauchspeicheldrüse zu einer Störung der Insulin- und Glukagonsekretion führt und damit den Ausbruch von Diabetes begünstigt. Auch für Menschen wurde daher ein entsprechender Zusammenhang vermutet.
Natürlicher Wirkstoff kann die innere Uhr „reparieren“
Dieser Zusammenhang scheint nun bestätigt und es ist den Forschenden zudem gelungen, die gestörten Zelluhren mit Hilfe des aus der Zitronenschale gewonnenen Moleküls Nobiletin zu „reparieren“ und die Funktion der Inselzellen teilweise wiederherzustellen, berichtet die UNIGE. Nobiletin bilde ein kleines „Uhrenmodulator-Molekül“, dessen Einfluss auf die zirkadianen Rhythmen erst kürzlich entdeckt wurde. Durch seine Wirkung werde die innere Uhr quasi zurückgestellt, erläutern die Forschenden.
Zirkadianer Rhythmus vor allem vom Licht anhängig
Der zirkadiane Rhythmus stellt die täglichen Zyklen dar, die die verschiedenen Zellfunktionen durchlaufen und wird vor allem durch Licht beeinflusst. Ausgehend von der zentralen Uhr im zerebralen Hypothalamus werden die peripheren inneren Uhren der Organe und Zellen dabei wie in einem Orchester dirigiert, erläutern die Forschenden. Letztere werden also teilweise zentral gesteuert, funktionieren aber je nach ihrer Funktion in jedem Organ und sogar in jeder Zelle unterschiedlich.
Beeinträchtigung der Stoffwechselfunktionen
So unterliegen „auch die Zellen der Bauchspeicheldrüse dem Rhythmus des Fastens und der Nahrungsaufnahme sowie einer strengen hormonellen Regulierung“, erläutert der Studienleiter Charna Dibner. Erst durch die Koordination aller Regulationsebenen werde die Optimierung der Stoffwechselfunktionen möglich und die Störung der inneren Uhren der Bauchspeicheldrüsenzellen führe zu einer Beeinträchtigung der Stoffwechselfunktionen – mit weitreichenden Folgen.
Neue Behandlungsansätze ableitbar?
„Wenn Sie die gleiche Nahrung nachts und nicht am Tag essen, können Sie aufgrund einer suboptimalen Reaktion Ihres Stoffwechsels viel schneller zunehmen“, erläutert der Studienleiter einen möglichen Effekt. Offenbar lässt sich die Störung der inneren Uhr jedoch gezielt beheben, so dass negative Effekte vermieden werden können. Auch scheinen sich durch eine entsprechende Intervention auf Basis des natürlichen Wirkstoffs Nobiletin neue Behandlungsansätze gegen Diabetes zu eröffnen, die nun in weiteren Studien geprüft werden müssen. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Volodymyr Petrenko, Nikhil R. Gandasi, Daniel Sage, Anders Tengholm, Sebastian Barg, and Charna Dibner: In pancreatic islets from type 2 diabetes patients, the dampened circadian oscillators lead to reduced insulin and glucagon exocytosis; in: PNAS (veröffentlicht 21.01.2020), pnas.org
- Université de Genève (UNIGE): Could resetting our internal clocks help control diabetes? (veröffentlicht 31.01.2020), unige.ch
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.