Boreout-Syndrom als Folge langfristiger Unterforderung im Beruf
28.07.2014
Nicht nur eine Überforderung im Job kann zu psychischen Beschwerden führen, sondern auch eine Unterforderung geht oftmals mit erhebliche Belastungen der Psyche einher. Dieses sogenannte Boreout-Syndrom äußert sich in ähnlichen Symptomen wie das deutlich bekanntere Burnout-Syndrom und kann schlimmstenfalls zu langfristiger Berufsunfähigkeit führen.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) beschreibt als Ursache des Boreout-Syndroms die anhaltende psychische Unterforderung, welche „quantitativ verursacht (wird), wenn zeitlich gleichförmige Tätigkeiten ausgeführt werden müssen und qualitativ, wenn die Leistungsvoraussetzungen größer sind als die Anforderungen.“ Oftmals wird aus der Unterforderung psychischer Stress, der auch körperliche Beschwerden mit sich bringen kann. Obwohl das Thema unter anderem durch das Buch „Diagnose Boreout“ der Schweizer Unternehmensberater Philippe Rothlin und Peter Werder aus dem Jahr 2007 zunehmend in den Fokus der öffentliche Diskussion gerückt ist, fehlen in vielen Unternehmen bislang Strategien zur Vermeidung der Unterforderung und zum Umgang mit Betroffenen.
Unterforderung nach Zwangsversetzung
Die Nachrichtenagentur „dpa“ berichtet in ihrer aktuellen Mitteilung zum Thema Boreout von einem Betroffenen, der nach seiner Zwangsversetzung im Beruf deutlich unterfordert war. Torsten Gottschall sei in der Behindertenarbeit einer städtischen Verwaltung in Schleswig-Holstein tätig gewesen und habe dort kaum Leerlauf gehabt. Im Jahr 2005 erfolgte die Versetzung ins Controlling, doch der Sozialwissenschaftler konnte mit den Zahlen und Statistiken wenig anfangen. „Die wollten mich loswerden“ und „plötzlich hatte ich keine Aufgabe mehr“, zitiert die Nachrichtenagentur den Betroffenen. Die Arbeit sei „immer weniger und weniger“ geworden. Gerne hätte Gottschall nach eigenen Angaben mehr geleistet, denn „der Stress war, dass mir nichts mehr zugemutet wurde.“
Vertuschung der Unterforderung verursacht Stress
Aus dem erfolgreichen Sozialwissenschaftler und ausgebildeten Psychotherapeut, der früher bereits eine Alteneinrichtung geleitet hatte, wurde „plötzlich ich eine Null“, so Gottschall gegenüber der „dpa“. Über Jahre habe er an seinem Schreibtisch gesessen und jede Minute gezählt. Beschäftigungen wie das Surfen im Internet oder das Lesen von Büchern waren nicht erlaubt. Gottschall brachte sich stattdessen selbst den Umgang mit verschiedenen nützlichen EDV-Programmen bei und zog nach eigenen Angaben jede Tätigkeit enorm in die Länge, um den Eindruck zu erwecken, dass er beschäftigt ist. Gerade diese Versuche, die Unterforderung zu vertuschen, führen nach Einschätzung der Experten jedoch zu besonders starkem Stress.
Körperliche Beschwerden durch Unterforderung
Als mögliche Folgen dauerhafter Unterforderung beschreibt Andrea Lohmann-Haislah von der Baua gegenüber der „dpa“ ähnliche Beschwerden wie bei anhaltender Überlastung. Hier seien vor allem Depressionen, chronischen Rückenschmerzenund Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu nennen. Die Betroffenen fühlen sich wertlos und antriebslos. Hinzu kommt, dass die Meisten versuchen, stets einen beschäftigten Eindruck zu erwecken, um ihren Arbeitsplatz nicht zu gefährden. „Ich kann nicht über Langeweile sprechen in einer Zeit, wo Leistung das Maß aller Dinge ist und jeder um seinen Job kämpft“, zitiert die „dpa“ die österreichische Arbeitssoziologin Elisabeth Prammer.
Mit Eigeninitiative gegen Boreout
Besonders häufig von Boreout betroffen sind laut Angaben der Experten Beschäftigte in Verwaltungs- oder Dienstleistungsjobs, wo vermehrt Aufgaben wegrationalisiert oder durch Software erledigt werden. Unternehmensberater Philippe Rothlin nennt hier Beamte mit Bürojobs in der Finanzindustrie als stark gefährdet. Um die Entwicklung eines Boreout-Syndroms zu vermeiden, sei die Eigeninitiative der Beschäftigten entscheidend. „Man muss selber etwas tun“, so Rothlin gegenüber der „dpa. Aktiv vom Vorgesetzten Aufgaben einfordern und gegebenenfalls „ungefragt neue Dinge erarbeiten“, empfiehlt der Experte. Keinesfalls dürften sich gefährdete Personen der Langeweile ergeben. Im Ernstfall müsse über einen Jobwechsel nachgedacht werden. Diesen Weg ist auch Torsten Gottschall gegangen, der heute Vollzeit in seiner eigenen psychotherapeutischen Praxis arbeitet und dabei laut Mitteilung der „dpa“ sehr gut ausgelastet ist. Bleibt nur zu hoffen, dass sich hier nicht als nächstes eine Überlastung anbahnt. Denn Selbstständige sind tendenziell besonders häufig von Burnout betroffen. Insgesamt bleibt der Eindruck, dass es zunehmend schwierig wird, eine angemessene Auslastung im Beruf zu erreichen. (fp)
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