Eine Studie zeigt massive gesundheitliche Risiken für Griechen in Zeiten der Krise
19.10.2011
Eine neuerlich veröffentlichte Studie zeigt eine Kausalität zwischen dem Gesundheitsrisiko und der sich verschlimmernden Rezession in Griechenland. Demnach hat die griechische Finanzkrise ein erhebliches Einwirken auf den Gesundheitszustand der Menschen.
Schon länger ist bekannt, dass eine herannahende oder bereits eingetretene Armut die Menschen regelrecht krank macht. Menschen, die sich in einer prekären Lage wiederfinden, haben einen ungleichen Zugang zum Gesundheitssystem. Allgemein wird ein in solchen Situationen ein Anstieg von sexuell übertragbaren Krankheiten beobachtet. Die Gefahr sich mit nicht heilbaren Erkrankungen wie AIDS durch den HI-Virus zu infizieren, steigt rapide an. Zudem steigt auch das Sterberisiko, weil die Menschen vermehrt unter Stress, Depressionen oder Herz-Kreislauferkrankungen leiden.
In dem englischen Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlichten Forscher der Soziologischen Fakultät der Universität Cambridge eine Studie, die die gesundheitliche Entwicklung der Griechen in den vergangenen Jahren durchleuchtete. Als Untertitel verwendeten die Soziologen den passenden Titel: „Vorzeichen einer griechischen Tragödie“. Für die Datenzusammensetzung bediente sich das Forscherteam aus Quellen des griechischen Gesundheitsministeriums und der Europäischen Union (EU). Die Studienautoren schrieben gleich zu Beginn von einer „beunruhigenden Verschlechterung der Gesundheitsdaten“, seitdem das Land mit den Folgen der Finanzkrise zu kämpfen hat. Die Studie zeigt gleichwohl nur einen bitteren Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Denn die Auswirkungen sind heute anhand der Datenanalyse zunächst nur zu erahnen, weil die schlimmsten Auswirkungen für die Menschen in Griechenland noch bevorstehen.
Mehr Suizide und HIV-Infektionen
Die durch das Gesundheitsministerium vorgelegten Daten zeigen seit dem Jahr 2010 eine massive Zunahme von Suiziden. Bereits im Jahre 2010 war die Rate im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 25 Prozent gestiegen. Im ersten Halbjahr des Jahres 2011 ist die Quote sogar um 40 Prozent zum Vergleich des ersten Halbjahres 2010 noch oben geschnellt. Zwar kann anhand der Daten nicht nach den genauen Ursachen geforscht werden, aber ein Zusammenhang zur derzeitigen Lage in Griechenland ist unumgänglich. Vielen Menschen fehlt angesichts steigender Armut und Perspektivlosigkeit vermeintlich der Grund zum Weiterleben. Leiden die Betroffenen bereits an depressiven Episoden, können äußere Bedingungen das Leiden erhöhen.
Ferner konnten die Experten einen rapiden Anstieg bei den HIV-Infektionen ausmachen. Die Datenauswertung ergebe aufgrund der Zunahme Ende 2010 eine äußerst schlechte Prognose. So sagen die Wissenschaftler einen Anstieg der Neuinfektionen für das laufende Jahr 2011 um 52 Prozent um mehr als 900 in diesem Jahr voraus. Erste Zahlen aus den vergangenen sieben Monaten des Jahres 2011 zeigten, dass sich zehn Mal mehr Drogenabhängige mit HI-Virus ansteckten als vergleichsweise im Vorjahreszeitraum 2010. Auch hier könne ein Kontext hergestellt werden, wie die Forscher betonten. „Der Zusammenhang zur Finanzkrise besteht darin, dass Abhängige keine Gelegenheitsarbeiten mehr bekommen, keine Almosen oder kein Taschengeld von den Eltern“, erklärte Studienleiter Alexander Kentikelenis. Viele müssen ihren Körper verkaufen, um überhaupt noch an Geld zu kommen. Zugleich nahm auch der Konsum von Heroin zu. Dieser Anstieg wird am Deutlichsten, seitdem aufgrund der Sparmaßnahmen kaum noch Sozialarbeiter in staatlich finanzierten Programmen arbeiten. Die Regierung hat in den letzten zwei Jahren soziale Programme stark gekürzt oder gänzlich abgeschafft.
Mehr Verbrechen in Griechenland
Zeitgleich zum Anstieg der Infektionskrankheiten konnte die Studienarbeit auch einen Anstieg von Verbrechen feststellen. Die Anzahl der Diebstahldelikte und Gewalttaten hat sich laut Ergebnisse zwischen 2007 und 2009 fast verdoppelt. Während des selben Zeitraums konnten etwa 40 Prozent weniger Menschen in Griechenland Leistungen für den Krankheitsfall in Anspruch nehmen.
Erstaunlich war allerdings, dass der Alkoholkonsum in den untersuchten Jahren deutlich sank. Zeitgleich sanken demzufolge auch die „Alkohol am Steuer“ Delikte. Demnach gebe es nach Meinung der Soziologen Möglichkeiten des Staates, „die Lage der Menschen zu verbessern“. Auf der anderen Seite kann der sinkende Konsum auch ein Zeichen für die geringere Kaufkraft der Griechen sein.
Situation wird sich verschlimmern
Es ist allerdings damit zu rechnen, dass sich die Situation der Menschen noch weiter verschlimmern wird. Eine deutsche Studie aus dem Jahre 2010 im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB zeigte, dass eine lang anhaltende Erwerbslosigkeit die Menschen regelrecht krank macht. Denn Arbeitslosigkeit führt zu einer „Stresssituation der eigenen Art“, wie damals die Studienautoren berichteten. Die Folgen zeigen sich allerdings erst nach ein paar Jahren. Zu den häufigsten Erkrankungen von Langzeitarbeitslosen gehören Stoffwechselstörungen wie Diabetes, psychische Leiden wie Depressionen oder Herz-Kreislauf-Krankheiten. (sb)
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