Die Geburt als teures Hobby der Hebammen
05.05.2011
Eltern, die nicht wollen, dass ihr Kind konventionell in einer Klinik geboren wird, entscheiden sich immer häufiger für eine Hausgeburt oder ein Gebären im Geburtshaus. Doch in der letzten Zeit wird es immer schwieriger eine freiberufliche Hebamme zu finden, denn die exorbitant gestiegenden Haftpflichtprämien haben dafür gesorgt, dass viele selbstständige Geburtshelferinnen ihre Tätigkeit nicht mehr ausführen können, weil der ohnehin schon geringe Lohn von Jahr zu Jahr immer geringer wird und die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden. Wenn die Politik nicht schnell in Handeln kommt, wird die Geburt im Geburtshaus bald nur noch wohlhabenden Müttern zur Verfügung stehen.
Internationaler Hebammen-Tag
Heute, am internationalen Tag der Hebammen, gehen deutschlandweit Geburtshelferinnen auf die Straße und demonstrieren für die freie Wahl des Entbindungsortes, eine gesetzlich verankerte Geburtshilfe für jede Frau und für bessere Arbeitsbedingungen in den Kliniken. Eingeladen zu den Aktionen sind nicht nur alle Geburtshelferinnen, sondern auch Eltern und Freunde, die das Anliegen der fortschrittlichen Mutter- und Kindgerechten Entbindung unterstützen.
Der Deutsche Hebammen-Verband e.V. hat die fünf wichtigsten Forderungen zusammen gestellt, die in Anlehnung an die weltweiten gesundheitspolitischen Entwicklungsziele als die „deutschen Big Five“ bezeichnet werden. Der Appell richtet sich an die Gesundheitspolitiker der schwarz-gelben Koalition und an die Krankenkassen.
Politik handelt nicht
Die Kritik richtet sich vor allem an den Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP): „Seit Monaten wartet der Deutsche Hebammenverband auf die Umsetzung der Zusagen, die Minister Rösler den Hebammen gegeben hat. Außer der Ausschreibung zur Datenerhebung zur Einkommens- und Kostensituation der freiberuflichen Hebammen wurde die letzten Monate nichts Erkennbares auf den Weg gebracht.“ Mit einem Ergebnis ist anscheinend noch lange nicht zu rechnen, vor allem wenn man sich den bisherigen Zeitverlauf anschaut. Das ist äußerst unbefriedigend, wie eine Sprecherin des Protesttages in Hannover gegenüber „Heilpraxisnet.de“ sagte, und das obwohl „die Hebammen keine Zeit mehr haben, weil viele den Beruf aufgrund der finanziellen Nöte kaum noch ausführen können“. „Was ist aus der Zusage des Ministers geworden, die steigenden Kosten für die Berufsausübung, wie zum Beispiel die Haftpflichtgebühren, auf der Einnahmenseite zu berücksichtigen? “, fragen die um ihre Existenz fürchtenden Hebammen.
Die Geburt als teures Hobby für Hebammen
Im Durchschnitt verdient eine freiberufliche Hebamme rund 7,50 Euro brutto in der Stunde. Vielfach übersteigen mittlerweile schon die Kosten die Einnahmen, wie Uschi Fietz, Vorsitzende des niedersächsischen Verbandes der Hebammen im NDR 1 Radio Niedersachsen mahnte. Hauptgrund für die Belastung ist die neu eingeführte Haftpflichtversicherung für Geburtshelfer. Die Haftpflichtprämien wurden im letzten Jahr von 1000 auf 3700 Euro pro Jahr angehoben. Damit hat sich die Prämie fast vervierfacht. Die berufsbedingte Haftpflicht soll Personenschäden bis zu sechs Millionen Euro abdecken. Die Prämien für eine Geburt wurden im Gegensatz dazu nur um acht Euro brutto angehoben. Hebammen, die Mütter nur während der Vorsorge und Nachsorge betreuen, zahlen nur einen jährlichen Beitrag von 340 Euro. "Früher musste eine Hebamme dreieinhalb Geburten begleiten, dann hatte sie ihre Jahresversicherungssumme ausgeglichen, heute sind schon fast 17 Geburten nötig, um die Haftpflicht bezahlen zu können."Aus diesem Grund gehen heute auch Geburtshelferinnen und Eltern in Hannover auf die Straße. Das Motto es Protestes lautet "Die Geburt als teures Hobby für Hebammen“. Der Protestzug beginnt um 15.00 Uhr am Lister Platz und führt im Anschluss zur Innenstadt auf dem Kröpcke- Platz.
Hebammen fordern bessere Arbeitsbedingungen
Neben der geringen Vergütung beklagt der Hebammen-Verband die zu hohen Arbeitsbelastungen der Geburtshelferinnen in den Kliniken. Nach Angaben des Verbandes kommen rund 120 Geburten auf eine Hebamme pro Jahr. Oft müssen Hebammen drei gebärende Frauen an einem Tag gleichzeitig betreuen. Auch hier müsse schnell gehandelt werden. Doch die Krankenkassen und Kliniken setzen anscheinend auf eine Verzögerungstaktik und wollen erst im nächsten Jahre über bessere Vergütungen und Veränderungen der Arbeitsbedingungen verhandeln. Obwohl bereits im Sommer 2010 genau 186.356 Menschen bei einer Online-Petition an den Deutschen Bundestag für den Erhalt der wohnortnahen Versorgung mit Hebammenhilfe gestimmt haben, hat sich seitdem nichts an der Situation der Geburtshelfer verändert. Im Übrigen war die eingereichte Petition bislang die am erfolgreichste gemessen an den Unterzeichnungen, die je in Deutschland eingereicht wurde. (sb)
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Bild: Hartmut910 / pixelio.de
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