30 Prozent der Musiker scheiden aus ihrem Job vorzeitig wegen gesundheitlicher Probleme aus
31.10.2012
Der Beruf des Musikers ist ein Knochenjob. Während für Leistungssportler regelmäßige Gesundheitschecks zum Alltag gehören, gibt es für Berufsmusiker jedoch kaum Angebote zur gesundheitlichen Vorsorge. Experten schlagen jetzt Alarm, denn 30 Prozent der Musiker müssen Ihren Job vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen aufgeben.
Beruf des Musikers ist ein Knochenjob
Kopfschmerzen, Schwerhörigkeit, Rücken- und Halswirbelschmerzen sowie psychische Überlastung sind nur einige der Beschwerden, an denen viele Musiker leiden. Laut Experten besteht dringender Handlungsbedarf, denn mehr als ein Viertel der Musiker scheidet vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen aus ihrem Beruf aus. „Profimusiker haben einen Knochen- und Muskeljob, vergleichbar dem eines Leistungssportlers", erklärt Egbert Seidel, Musikmediziner aus Weimar, gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
„Wo Profifußballer oder Leistungssportler die Karriere mit Mitte 30 beendet, da hat ein Musiker noch mehr als 30 Jahre vor sich“, betont Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV). Viele Geiger leiden beispielsweise an Schulterbeschwerden, Schlagzeuger werden mit der Zeit schwerhörig und Flötisten klagen über Schmerzen am Ellenbogen. Obwohl fast jeder Berufsmusiker derartige Beschwerden kennt, gibt es bislang kaum Angebote für Gesundheitschecks, die speziell auf die Belange von Musikern zugeschnitten sind. Auch Willibert Steffens, Gesundheitsexperte der DOV, kritisiert das magere Angebot und betont gegenüber der „dpa“: „Es gibt zu wenig Präventionsangebote." Die Vorsorgemaßnahmen müssten zudem häufig von den Musikern selbst bezahlt werden, ergänzt Seidel. Dabei würden bereits junge Musiker und Musikerinnen über Beschwerden klagen. „Das Musizieren im Orchester fordert von jedem Orchestermitglied körperliche und mentale Höchstleistungen gerade im Hinblick auf musikalisch-spieltechnische Präzision und punktgenaues Zusammenspiel“, erläutert Mertens.
Musiker leiden am häufigsten an Orthopädische Problemen
Eine Befragung der DOV, an der in diesem Jahr 2.500 Berufsmusiker teilnahmen, hat gezeigt, dass orthopädische Probleme wie Schulter- und Rückenbeschwerden unter den Instrumentalisten am verbreitetsten sind. Aber auch Schädigungen des Gehörs wurden häufig von den Befragten angeführt. Nichts zuletzt aufgrund dieser gesundheitlichen Probleme müssen viele Musiker vorzeitig aus ihrem Job ausscheiden. „30 Prozent der Musiker erreichen wegen gesundheitlicher Beschwerden nicht das reguläre Rentenalter", erläutert Steffens. Es bestehe großer Handlungsbedarf. „Orchester benötigen endlich eine eigene medizinische Betreuung – die großen philharmonischen Orchester genauso wie die kleinen."
Dieser Meinung ist auch Mertens: „Sowohl die Musiker als auch die Orchester als Institution müssen nach Wegen und Rahmenbedingungen suchen, die Leistungsfähigkeit auf dem Instrument möglichst lange aufrecht zu erhalten und zu fördern. Dazu zählt u.a. die dringend notwendige Umsetzung der an vielen Orchesterstandorten noch immer nur mangelhaft realisierten EU-Richtlinie zum Gehörschutz in Orchester /-gräben, aber auch die professionelle Optimierung des eigenen Körpergefühls und der eigenen Gesundheitsprophylaxe bereits in der Ausbildung an den Musikhochschulen.“ Das Instrumentalspiel fordere wie kaum ein anderer Beruf den ganzen Menschen mit seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. „Fehlt es an dem einen, ist auch das andere und damit die gesamte Berufsausübung beeinträchtigt. Eine gute Gesundheit ist die Voraussetzung der Qualität eines Orchesters“, erklärt Mertens.
Defizite in der gesundheitlichen Prävention für Musiker
Der Untersuchung der DOV zufolge, gibt jeder zweite deutsche Orchestermusiker an, unter gesundheitlichen Beschwerden zu leiden. „Sie kümmern sich allerdings oft erst dann darum, wenn es nicht mehr anders geht – und dann sind sie meist schon 40, 50 Jahre alt", berichtet Seidel. Der Mediziner sieht auch die Musikhochschulen in der Verantwortung, da diese viel zu selten Gesundheitsangebote für die jungen Musikbegeisterten offerieren würden. Zudem gebe es nur wenig Stellen für Musikmedizin, die teilweise gestrichen würden.
Doch es gibt auch Gegenbeispiele: In einem Modellprojekt, dessen Finanzierung eine gesetzliche Krankenkasse übernimmt, wird das sächsische Landesjugendorchester vom Zentrum für physikalische und rehabilitative Medizin am Klinikum Weimar medizinisch betreut. Im Rahmen einer Probenwoche in Weimar werden 90 junge Musiker ärztlich betreut und beraten. Seidel, Leiter des Zentrums für physikalische und rehabilitative Medizin, und seine seine Kollegen korrigieren in verschiedenen Workshops vor allem die Körperhaltung der jungen Musiker. „Die Schulterstütze für die Violine muss höher sein, sonst kommt es zu Verspannungen", erklärt er einigen Streicherinnen. Auch bei vielen jungen Teilnehmern habe sich eine ungünstige Körperhaltung beim Musizieren bereits verfestigt. Deshalb rät er einer Geigerin zu Lockerungsübungen, aber auch zu einer Therapie. „Sonst drohen chronische Kopfschmerzen." Ein Posaunist erhält in einem anderen Workshop eine Anleitung für gymnastische Übungen von zwei Physiotherapeuten, um die Muskeln zu trainieren. (ag)
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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