Teufelskreis durchbrechen: Therapiemöglichkeiten, um das Schmerzgedächtnis zu löschen
Während ein Großteil der Deutschen nur zweitweise mit Beschwerden in Rücken, Knie oder anderen Körperregionen zu kämpfen hat, leiden etwa 16 Millionen Menschen an anhaltenden, chronischen Belastungen. Schuld daran hat das sogenannte Schmerzgedächtnis. „Dieses sorgt dafür, dass Impulse von Arealen, in denen gar keine Probleme mehr vorliegen, weiterhin als Schmerzen wahrgenommen werden”, erklärt Dr. Tobias Weigl, Arzt, Schmerzexperte und Geschäftsführer der Bomedus GmbH.
Andauernder Fehlalarm
Akute Schmerzen stellen ein sinnvolles Warnsignal dar, um auf Verletzungen in bestimmten Körperregionen hinzuweisen. Sobald die über den gesamten Organismus verteilten Sinneszellen einen entsprechenden Impuls wahrnehmen, leiten sie diesen über die Nervenfasern im Rückenmark an das Gehirn weiter, um ihn dort als Schmerz zu identifizieren. Bei chronischen Beschwerden verselbstständigt sich allerdings diese Weiterleitung, sodass überaktive Neuronen dauerhaft Impulse übermitteln. Durch diesen fehlgeleiteten Lerneffekt entwickelt sich das Schmerzgedächtnis.
„Sämtliche eingehende Impulse dieser Körperregion, selbst einfache Berührungen, nimmt das Gehirn als Schmerzsignal wahr”, verdeutlicht Dr. Weigl. Betroffene dahingehend zu behandeln, stellt Mediziner häufig vor eine große Herausforderung, da die eigentliche Ursache meist nicht mehr vorhanden ist und der Schmerz selbst zur Erkrankung wird.
Ganzheitliche Behandlung
Während der Einsatz von Medikamenten bei akuten Problemen erste Erfolge zeigt, gilt es ihre Einnahme aufgrund diverser Nebenwirkungen bei anhaltenden Beschwerden zu reduzieren und auf andere Maßnahmen zu setzen. Patienten müssen hierbei viel Selbstinitiative zeigen, da es keine allgemeingültige Therapie gibt und jeder Mensch auf unterschiedliche Behandlungen anspricht. Im ersten Schritt helfen meist physikalische Therapien, die Bewegung sowie Kräftigungs- und Dehnübungen beinhalten. Doch auch neue Therapieansätze, wie die Small Fiber Matrix Stimulation, kurz SFMS, kommen in diesem Feld zum Einsatz.
Eingebaut in ein Band, ähnlich einer Bandage, befinden sich kleine Elektroden, die elektrische Impulse abgeben. Betroffene wenden diese besondere Form der Elektrostimulation von zu Hause aus an und programmieren damit ihr Schmerzgedächtnis um. „Durch die punktförmig angebrachten Polyamidfäden auf der Innenseite des Bandes gelangen Stromreize an die Schmerzfasern in der obersten Hautschicht. Mithilfe der niederfrequenten Elektrostimulation beruhigen sich überaktive Nervenfasern und das Schmerzempfinden sinkt auf ein Normalmaß ab”, erläutert Dr. Weigl.
Bei regelmäßiger Anwendung, zweimal täglich für 20 Minuten, reduzieren sich die Beschwerden innerhalb von vier bis sechs Wochen um bis zu 70 Prozent. Ergänzend dazu helfen psychologische Verfahren dabei, aufgebaute Ängste und seelischen Druck abzubauen. Patienten lernen durch Entspannungstechniken, Yoga oder Meditation, wie sie im Alltag mit der Krankheit umgehen können. „Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Therapiemöglichkeiten können Betroffene ihr Leben wieder selbstbestimmt in die Hand nehmen”, merkt der Schmerzexperte abschließend an. (sb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.