Antidepressiva wirken nicht nur psychischen Störungen entgegen, sondern können nach neuesten Forschungsergebnissen auch zu einem deutlich verbesserten Schutz vor schweren Infektionen und lebensbedrohlichen Blutvergiftungen beitragen.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Washington wurde untersucht, ob sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zum Schutz vor verschiedenen Infektionen beitragen können. Die Ergebnisse sind in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Science Advances” nachzulesen.
Schwierigkeiten der Behandlung von Infektionen
Das Immunsystem versucht, den Körper vor Infektionen zu schützen, aber manchmal kann es zu einer Überreaktion kommen. Bei einer Sepsis reagiert das körpereigene Immunsystem übermäßig auf eine Infektion, was zu Multiorganversagen oder einem vorzeitigen Tod führen kann, erläutern die Forschenden.
Wird die Entzündungsreaktion unterdrückt, bestehe jedoch das Problem, dass dies die Erkrankten noch anfälliger für die ursprüngliche Infektion und für neue Infektionen machen könne.
„Bei der Behandlung einer Infektion wäre die optimale Behandlungsstrategie eine, die die Bakterien oder Viren abtötet und gleichzeitig unser Gewebe und unsere Organe schützt“, ergänzt die Studienautorin Professorin Janelle Ayres in einer aktuellen Pressemitteilung.
Erweiterte Behandlungsansätze
Während die meisten Medikamente zur Behandlung von Infektionen Krankheitserreger abtöten, ist eine Behandlung mit Fluoxetin den neuen Forschungsergebnissen zufolge zusätzlich in der Lage, Gewebe und Organe wirksam zu schützen.
Die neue Studie baut auf den Ergebnissen von zwei unabhängigen Studien auf, die bereits gezeigt hatten, dass die Einnahme von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) (z.B. Prozac) bei Menschen mit weniger schweren Infektionen und bei Mäusen mit einem besseren Schutz vor Sepsis verbunden ist.
In der neuen Studie wurden Mäuse mit einer bakteriellen Infektion in zwei Gruppen aufgeteilt: Tiere, die mit Fluoxetin vorbehandelt worden waren, und Mäuse, die keine solche Behandlung erhalten hatten. Es zeigte sich, dass die mit Fluoxetin vorbehandelten Tiere besser vor Blutvergiftungen, Multiorganschäden und einem vorzeitigen Tod geschützt waren.
Wie schützt Fluoxetin vor Infektionen?
Um den Mechanismen auf die Spur zu kommen, die den positiven Effekten von Fluoxetin zugrunde liegen, führten die Fachleute anschließend eine Reihe von Folgeexperimenten durch.
Nach acht Stunden untersuchte das Team die Anzahl der Bakterien in den Mäusen und die mit Fluoxetin behandelten Tiere wiesen dabei weniger Bakterien auf, was auf eine weniger schwere Infektion hindeutete. Demnach hat Fluoxetin offenbar antimikrobielle Eigenschaften und kann das Bakterienwachstum eindämmen.
Welche Rolle spielt das entzündungshemmende IL-10?
Anschließend maßen die Forschenden in jeder Gruppe von Mäusen die Werte verschiedener Entzündungsmoleküle. Dabei zeigte sich, dass die mit Fluoxetin behandelten Mäuse mehr entzündungshemmendes IL-10 in sich trugen.
Die Fachleute schlossen daraus, dass IL-10 die durch Sepsis verursachte Hypertriglyceridämie verhindert. Bei einer Hypertriglyceridämie befinden sich zu viele Triglyceride im Blut.
Die Behandlung mit Fluoxetin ermöglichte es dem Herzen, den richtigen Stoffwechselzustand aufrechtzuerhalten und die Mäuse vor infektionsbedingter Morbidität und Mortalität zu schützen.
Um zu verstehen, wie der Einfluss von Fluoxetin auf den Serotoninspiegel zu diesen Effekten beitragen könnte, untersuchte das Team schließlich zwei neue Mauspopulationen.
Beide Mäusegruppen wurden mit Fluoxetin vorbehandelt, aber eine Gruppe hatte zirkulierendes Serotonin, die andere nicht. Zirkulierendes Serotonin ist ein Botenstoff, der unter anderem die Stimmung, den Schlaf und den Schmerz reguliert und damit der wichtigste Angriffspunkt für die psychische Wirkung von Fluoxetin ist.
Die Forschenden berichten, dass die positiven gesundheitlichen Effekte von Fluoxetin in keiner Weise mit dem zirkulierenden Serotonin zusammenhängen. Unabhängig davon, ob die Mäuse Serotonin im Blut hatten oder nicht, profitierten alle von den gleichen Vorteilen von Fluoxetin bei der Infektionsabwehr.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass Fluoxetin sowohl das Potenzial hat, Krankheitserreger abzutöten, als auch infektionsbedingte Schäden im Körper zu lindern. Das Medikament wirkt daher gegen Infektionen und verhindert gleichzeitig körperliche Schäden.
Die neuen Erkenntnisse könnten in Zukunft nicht nur vielen Menschen das Leben retten, sondern auch den Schutz vor Pandemien deutlich verbessern, resümieren die Forschenden. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Robert M. Gallant https://orcid.org/0000-0003-1741-5336, Karina K. Sanchez, Emeline Joulia https://orcid.org/0000-0003-3278-4412, Jessica M. Snyder https://orcid.org/0000-0002-0470-0931, Christian M. Metallo, Janelle S. Ayres: Fluoxetine promotes IL-10–dependent metabolic defenses to protect from sepsis-induced lethality; in: Science Advances (veröffentlicht 14.02.2025), Science Advances
- Salk Institute: New study explains how antidepressants can protect against infections and sepsis (veröffentlicht 14.02.2025), Salk Institute
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.