Kann der Arbeitsplatz vor Demenz schützen?
Wenn Menschen in geistig stimulierenden Berufen arbeiten, ist dies mit einem geringeren Risiko für die Entstehung von Demenz verbunden, verglichen mit Menschen, welche in nicht stimulierenden Berufen tätig sind.
Bei einer aktuellen internationalen Studie unter Beteiligung von Forschenden des Karolinska Institutet in Stockholm wurde untersucht, wie sich die Arbeit in einem Beruf, der geistig stimulierend ist, auf die Entstehung von Demenz auswirkt. Die Ergebnisse können in dem englischsprachigen Fachblatt „BMJ“ nachgelesen werden.
Was sind Axonogenese und Synaptogenese?
Generell wird angenommen, dass kognitive Stimulation den Ausbruch von Demenz verhindern oder hinauszögern kann. Als mögliche Erklärung dafür wird angeführt, dass geistige Stimulation mit einem geringeren Gehalt an bestimmten Proteinen verbunden ist, welche die Bildung neuer Verbindungen zwischen den Gehirnzellen verhindern. Diese Prozesse werden als Axonogenese und Synaptogenese bezeichnet.
Studienergebnisse zu diesem Thema seien allerdings uneinheitlich, berichten die an der neuen Untersuchung beteiligten Forschenden. Es gebe beispielsweise Langzeitstudien, welche nahelegen, dass kognitive Aktivitäten in der Freizeit das Demenzrisiko nicht verringern, so das Team.
Kognitive Stimulation bei Arbeit dauert lange an
Im Unterschied zu kognitiven Aktivitäten in der Freizeit dauere die kognitive Stimulation bei der Arbeit in der Regel jedoch wesentlich länger an, so die Fachleute. Allerdings haben auch auf die Arbeit bezogene Studien keine überzeugenden Beweise für einen positiven Nutzen der kognitiv anspruchsvollen Tätigkeiten gezeigt.
Proteinwege wurden analysiert
Daher versuchte das internationale Forschungsteam den Zusammenhang zwischen kognitiv anregender Arbeit und dem späteren Demenzrisiko zu analysieren. Die Fachleute wollten dabei die sogenannten Proteinwege für diesen Zusammenhang ermitteln. Die Ergebnisse beruhen auf verschiedenen Studien, in denen Zusammenhänge zwischen arbeitsbezogenen Faktoren und chronischen Krankheiten, Behinderungen und Sterblichkeit untersucht wurden.
Die Forschenden befassten sich mit drei speziellen Zusammenhängen: Kognitive Stimulation und Demenzrisiko bei 107.896 Teilnehmenden, von denen 42 Prozent Männer waren, wobei das durchschnittliche Alter bei 45 Jahren lag. Außerdem wurden kognitive Stimulation und Proteine bei einer Zufallsstichprobe von 2.261 Teilnehmenden aus einer Studie analysiert. Zusätzlich wurde an 13.656 Teilnehmenden aus zwei unterschiedlichen Studien untersucht, welcher Zusammenhang zwischen Proteinen und dem Demenz-Risiko besteht.
Zu Beginn wurde die kognitive Stimulation am Arbeitsplatz gemessen. Danach wurden die Teilnehmenden über einen Zeitraum von durchschnittlich 17 Jahren medizinisch überwacht, um festzustellen, ob die teilnehmenden Personen eine Demenz entwickelten, berichtet die Forschungsgruppe.
Zu den kognitiv stimulierenden aktiven Arbeitsplätzen gehören anspruchsvolle Aufgaben und ein großer Entscheidungsspielraum bei der Arbeit, während nicht stimulierende passive Arbeitsplätze mit geringen Anforderungen und mangelnder Arbeitsplatzkontrolle verbunden sind, erklären die Fachleute.
Hohe kognitive Stimulation reduziert Demenzrisiko
Bei der Datenauswertung wurde festgestellt, dass das Demenzrisiko bei Teilnehmenden mit hoher kognitiver Stimulation am Arbeitsplatz geringer war, als bei Teilnehmenden mit niedriger kognitiver Stimulation (Inzidenz 4,8 pro 10.000 Personenjahre in der Gruppe mit hoher Stimulation und 7,3 in der Gruppe mit niedriger Stimulation).
Bezogen auf diese Assoziation gab es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen oder zwischen Menschen, welche jünger oder älter als 60 Jahre waren, so das Team. Allerdings gebe es Hinweise darauf, dass die Assoziation für die Alzheimer-Krankheit stärker war als für andere Demenzerkrankungen.
Kognitive Stimulation wurde zusätzlich auch mit niedrigeren Spiegeln von drei Proteinen in Verbindung gebracht, welche sowohl mit kognitiver Stimulation im Erwachsenenalter, als auch mit Demenz in Verbindung stehen, was möglicherweise Hinweise auf die zugrunde liegenden biologischen Mechanismen liefert, berichten die Fachleute.
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelte, könne jedoch kein Kausalzusammenhang festgestellt werden. So ist laut den Forschenden nicht auszuschließen, dass ein Teil des beobachteten Demenzrisikos auf andere, nicht gemessene Faktoren zurückzuführen sei.
Geringeres Risiko für Demenz im Alter durch Beruf
Laut dem Team deuten die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung darauf hin, dass Menschen mit kognitiv stimulierenden Berufen ein geringeres Risiko dafür haben, im Alter an Demenz zu erkranken, als es bei Menschen mit nicht stimulierenden Berufen der Fall ist.
Die Erkenntnis, dass kognitive Stimulation mit niedrigeren Spiegeln von Plasmaproteinen verbunden ist, die möglicherweise die Axonogenese und Synaptogenese hemmen und das Demenzrisiko erhöhen, könnte dabei Hinweise auf die zugrunde liegenden biologischen Mechanismen liefern, berichtet das Team.
Trotz umfangreicher früherer Forschung sei die Rolle der arbeitsbedingten geistigen Bereicherung bei Demenz unklar geblieben. „Diese neue Arbeit ist eine wichtige Erinnerung für alle, die sich mit Demenzprävention befassen, dass wir mit kurzen, späten und kleinen Interventionsstudien, die nur Menschen mit heterogenen Risikoprofilen einschließen, nicht viel erreichen können, um einen Nutzen der geistigen Bereicherung für das Demenzrisiko aufzuzeigen”, fügt Studienautor Serhiy Dekhtyar vom Karolinska Institutet in einem zugehörigen Leitartikel hinzu. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Serhiy Dekhtyar: Cognitive stimulation at work and dementia; in: BMJ (veröffentlicht 19.08.2021), BMJ
- Mika Kivimäki, Keenan A. Walker, Jaana Pentti, Solja T. Nyberg, Nina Mars, et al.: Cognitive stimulation in the workplace, plasma proteins, and risk of dementia: three analyses of population cohort studies, in: BMJ (veröffentlicht 19.08.2021), BMJ
Wichtiger Hinweis:
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