Die sanften und fließenden Bewegungen von Tai Chi können nicht nur dazu beitragen, das körperliche und geistige Gleichgewicht zu finden, sie bringen laut dem Experten für orientalische Medizin Tim Sobo von der Cleveland Clinic in den USA auch eine Vielzahl an gesundheitlichen Vorteilen mit sich.
Beim Tai Chi wird eine Reihe von sanften und kaum belastenden Bewegungen durchgeführt. Dabei liegt die Konzentration auf tiefer und langsamer Atmung. Da die Übungen laut Sobo dazu beitragen können, die Energie des Körpers und den Geist zu harmonisieren, wird Tai Chi häufig auch als Meditation in Bewegung bezeichnet.
Tai Chi in der traditionellen Chinesischen Medizin
Die sogenannte traditionelle Chinesische Medizin (TCM) greift bereits seit Jahrhunderten auf Tai Chi zurück. Der Fokus liegt darauf, die Körperenergie zu aktivieren und auszugleichen, da davon ausgegangen wird, dass der Körper am besten funktioniert, wenn er sich im Gleichgewicht befindet, berichtet Sobo.
Bei Tai Chi werde versucht, die Bewegungen ineinander fließen zu lassen. Die langsamen, zielgerichteten Bewegungen von Tai Chi erfordern laut dem Experten gleichzeitig Kraft und Koordination und stellen eine Herausforderung für alle Fitnessstufen dar.
„Sie bewegen Ihren ganzen Körper als Einheit. Und weil man Kraft und Gleichgewicht braucht, ist Tai Chi gut für die Muskeln und Knochen“, erläutert der Experte in einer Pressemitteilung.
So gesund ist Tai Chi
Tatsächlich verbessere Tai Chi viele Aspekte der Gesundheit. So gebe es Hinweise darauf, dass Tai Chi die allgemeine Muskelkraft und die Gesundheit der Gelenke fördert. Zudem könne Thai Chi auch die Beweglichkeit, das Gleichgewicht und die Koordination verbessern.
Tai Chi vermittele außerdem ein Gefühl von Ruhe und Gelassenheit, was vorteilhaft für die Psyche sei. So habe beispielsweise eine Studie nachgewiesen, dass Tai Chi bereits nach zwölf Wochen Training Angstzustände deutlich reduziert. Dabei werde die Wirkung auf eine erhöhte Achtsamkeit zurückgeführt.
„Die Praxis der Achtsamkeit ist ein großartiger Stressabbau. Die Tai-Chi-Bewegungen erfordern, dass man sich auf die Atmung und die Bewegung konzentriert, so dass man sich auf das konzentriert, was man tut, und nicht auf alles andere, was im Leben vor sich geht“, erklärt Sobo.
Verbessert das Gleichgewicht
Tai Chi könne auch vor Stürzen schützen, welche insbesondere im Alter unter Umständen sogar tödlich enden. Eine Überprüfung von zehn Studien habe gezeigt, dass die Ausführung von Tai Chi mit bis zu 50 Prozent weniger Stürzen verbunden ist, verglichen mit Personen, die kein Tai Chi praktizieren. Dabei könne Tai Chi speziell bei Menschen mit Parkinson das Sturzrisiko reduzieren.
Vorteilhaft für das Gehirn
Mit zunehmendem Alter wird es immer schwieriger, von einer Aufgabe zur anderen zu wechseln. Die zwölfwöchige Ausführung von Tai Chi kann jedoch die Fähigkeit verbessern, zwischen Aufgaben zu wechseln, berichtet Sobo unter Berufung auf eine weitere Studie. Zusätzlich erhöhe Tai Chi auch die Aktivität im präfrontalen Kortex.
Zudem habe eine weitere Forschungsarbeit ergeben, dass ältere Menschen mit Gedächtnisproblemen durch eine dreimalige wöchentliche Ausübung von Tai Chi über den Zeitraum von sechs Monaten ihr Gedächtnis deutlich verbessern können.
Kann Depressionen lindern
Wird Tai Chi mit Medikamenten kombiniert, kann dies außerdem Symptome von Depressionen reduzieren, so Sobo. Eine Untersuchung habe gezeigt, dass zwei Stunden Tai Chi pro Woche zusammen mit dem Medikament Escitalopram bei der Behandlung von schweren Depressionen vorliegende Symptome deutlich reduzieren.
Thai Chi könne zudem Linderung bei Fibromyalgie bringen, einer Erkrankung, die Schmerzen im ganzen Körper verursacht. In einer Studie wurden die Auswirkungen von Tai Chi auf Fibromyalgie mit denen eines aeroben Trainings verglichen und Tai Chi habe die Symptome von Fibromyalgie besser gelindert, so Sobo.
Hilft bei Arthrose
Auch könnten wöchentliche Tai-Chi-Übungen bei Arthrose, Schmerzen in den Knien lindern. Diese Linderung seiso effektiv, dass das American College of Rheumatology (ACR) und die Arthritis Foundation empfehlen, zur Behandlung von Arthroseschmerzen Tai Chi durchzuführen.
Kostengünstig und einfach durchzuführen
Die Ausübung von Tai Chi benötigt keine spezielle Ausrüstung oder Fachkenntnisse. Es reicht bereits aus, sich Videos mit Anleitungen anzuschauen, wodurch Tai Chi kaum Kosten verursacht oder sogar vollständig kostenlos sein kann, erläutert der Experte.
Im Gegensatz zu Yoga, erfordere Tai Chi nicht die gleiche Flexibilität. Zudem sei Tai Chi auch nicht so anstrengend wie andere Sportarten, was die Gelenke und Muskeln schone. Ein weiterer Vorteil von Tai Chi sei, dass das eigene Fitnesslevel keine Rolle zur Durchführung spiele.
Fast für alle Menschen geeignet
Eigentlich sei Tai Chi aufgrund seiner geringen Anstrengung für Menschen fast jeden Alters geeignet. Trotzdem sollte man sich vorab ärztlich untersuchen und beraten lassen. Auch von Herzkrankheiten und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) betroffene Personen können laut Sobo jedoch sicher Tai Chi ausüben.
Wie fängt man mit Tai Chi an?
Wenn eine ärztliche Untersuchung keine möglichen Probleme bei der Ausführung von Tai Chi ergeben habe, könne man mit der praktischen Durchführung beginnen – entweder mit Hilfe von Unterrichtsvideo oder durch Besuch eines Tai-Chi-Kurses.
Tai Chi kann von vielen Menschen problemlos täglich für 20 Minuten praktiziert werden. Da es sich um kein Krafttraining oder Ausdauertraining handelt, braucht der Körper keinen Tag um sich zu regenerieren, erläutert Sobo.
Das Leben mit Tai Chi perfektionieren
„Betrachten Sie Tai Chi als eine Form des Tanzes. Sie können die Tanzschritte innerhalb weniger Tage lernen, aber Sie können ein ganzes Leben damit verbringen, den Tanz zu beherrschen. Wenn Sie die Tai-Chi-Bewegungen einmal gelernt haben, versuchen Sie, diese jeden Tag besser zu machen. Sie werden lernen, sie geschmeidiger auszuführen und tiefer in sie hineinzugehen“, fügt Sobo hinzu. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Cleveland Clinic: Slow and Steady: The Health Benefits of Tai Chi (veröffentlicht 06.09.2023), Cleveland Clinic
- Shuai Zheng, Christine Kim, Sara Lal, Peter Meier, David Sibbritt, et al.: The Effects of Twelve Weeks of Tai Chi Practice on Anxiety in Stressed But Healthy People Compared to Exercise and Wait-List Groups–A Randomized Controlled Trial; in: Journal of Clinical Psychology (veröffentlicht 13.06.2017), Journal of Clinical Psychology
- Rafael Lomas-Vega, Esteban Obrero-Gaitán, Francisco J. Molina-Ortega, Rafael Del-Pino-Casado: Tai Chi for Risk of Falls. A Meta-analysis; in: Journal of the American Geriatrics Society Clinical Investigation (veröffentlicht 24.07.2017), Journal of the American Geriatrics Society
- Meng-Tien Wu, Pei-Fang Tang, Joshua O. S. Goh, Tai-Li Chou, Yu-Kai Chang, et al.: Task-Switching Performance Improvements After Tai Chi Chuan Training Are Associated With Greater Prefrontal Activation in Older Adults; in: Frontiers in Aging Neuroscience (veröffentlicht 24.09.2018), Frontiers in Aging Neuroscience
- Somporn Sungkarat, Sirinun Boripuntakul, Sirinart Kumfu, Stephen R. Lord, Nipon Chattipakorn: Tai Chi Improves Cognition and Plasma BDNF in Older Adults With Mild Cognitive Impairment: A Randomized Controlled Trial; in: Neurorehabilitation and Neural Repair (veröffentlicht 20.01.2018), Neurorehabilitation and Neural Repair
- Helen Lavretsky, Lily L. Alstein, Richard E. Olmstead, Linda M. Ercoli, Micheal R. Irwin, et al.: Complementary Use of Tai Chi Chih Augments Escitalopram Treatment of Geriatric Depression: A Randomized Controlled Trial; in: American Journal of Geriatric Psychiatry (veröffentlicht Volume 19, Issue 10, Oktober 2011), American Journal of Geriatric Psychiatry
- Chenchen Wang, Christopher H Schmid, Roger A Fielding, William F Harvey, Kieran F Reid, et al.: Effect of tai chi versus aerobic exercise for fibromyalgia: comparative effectiveness randomized controlled trial; in: BMJ (veröffentlicht 21.03.2018, BMJ
Wichtiger Hinweis:
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