Schneller Einsatz von Tranexamsäure nach Kopfverletzungen rettet Leben
Ein bereits verfügbares Medikament könnte die Todesfälle nach Kopfverletzungen deutlich reduzieren. In einer globalen Studie unter Leitung der London School of Hygiene & Tropical Medicine wurden erste klare Beweise dafür gefunden, dass Tranexamsäure (TXA) die Zahl der Todesfälle bei Patientinnen und Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen um bis zu 20 Prozent senkt.
Das kostengünstige Medikament hemmt den Abbau von Blutgerinnseln und kann hierdurch Blutungen im Gehirn verhindern. Erst kürzlich wurde in einer anderen Studie deutlich, dass selbst bei leichten Kopfverletzungen Mikroblutungen im Gehirn drohen, die das Risiko einer Invalidität deutlich erhöhen. Die aktuelle Studie macht nun deutlich, dass durch die Verabreichung von TXA die Blutungen im Gehirn und viele Todesfälle bei Patientinnen und Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen verhindert werden können. Veröffentlicht wurden die Studienergebnisse in dem Fachmagazin „The Lancet“.
Hirnverletzungen eine häufige Todesursache
Traumatische Hirnverletzungen sind weltweit eine der häufigsten Ursachen für Invalidität und einen frühzeitigen Tod – mit schätzungsweise 69 Millionen Fällen pro Jahr, berichtet die Forschungsgruppe. In der CRASH-3-Studie (Clinical Randomisation of an Antifbrinolytic in Significant Head Injury) seien die Behandlungsmöglichkeiten mit TXA an mehr als 12.000 Menschen mit Kopfverletzungen aus 175 Krankenhäusern in 29 Ländern untersucht worden. Damit bilde sie eine der größten klinischen Studien, die jemals bei Kopfverletzungen durchgeführt wurden.
20 Prozent weniger Todesfälle
Die Teilnehmenden der Studie wurden aufgrund ihrer Kopfverletzung entweder intravenös mit Tranexamsäure oder mit einem Placebo behandelt. So konnten die Forschenden nachweisen, dass die Verabreichung von TXA innerhalb von drei Stunden nach der Verletzung die Zahl der Todesfälle deutlich reduziert. Dieser Effekt sei am stärksten bei Betroffenen mit leichten und mittelschweren traumatischen Hirnverletzungen gewesen, bei denen die Todesfälle um 20 Prozent geringer ausfielen, berichtet die London School of Hygiene & Tropical Medicine in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen.
Vorteile durch die Behandlung mit TXA
„Wir wissen bereits, dass eine schnelle Verabreichung von Tranexamsäure bei Patienten mit lebensbedrohlichen Blutungen in der Brust oder im Bauchbereich, wie wir sie oft bei Opfern von Verkehrsunfällen, Schießereien oder Messerstichen sehen, Leben retten kann“, erklärt Studienleiter Professor Ian Roberts von der London School of Hygiene & Tropical Medicine. In der aktuellen Untersuchung sei nun deutlich geworden, dass eine frühzeitige Behandlung mit TXA auch Todesfälle durch Kopfverletzungen verhindern kann.
Frühzeitige Anwendung empfohlen
Da TXA nur verhindert, dass sich die Blutungen verschlimmern, aber bereits entstandene Schäden nicht rückgängig gemacht werden können, ist laut Aussage der Forschenden eine frühzeitige Behandlung entscheidend. In der Studie habe sich gezeigt, dass für jede 20-minütige Verzögerung eine zehnprozentige Reduktion der Behandlungseffektivität zu verzeichnen ist. Dies verdeutliche, dass Betroffene so schnell wie möglich nach einer Kopfverletzung mit TXA behandelt werden sollten.
Hunderttausende Menschenleben weltweit retten
Dies ist die erste klinische Studie, die belegt, dass ein Medikament die Sterblichkeit nach traumatischen Hirnverletzungen reduzieren kann, betont Professor Antoni Belli von University of Birmingham, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Wir glauben, dass dies Hunderttausende Menschenleben weltweit retten könnte“, so de Neurochirurg weiter. Bislang bilde die Behandlung traumatischer Hirnverletzungen eine große Herausforderung, da für Betroffene nur sehr wenige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Breite klinische Umsetzung gefordert
Dank der neuen Erkenntnisse, die auf Patientinnen und Patienten mit Kopfverletzungen jeglicher Ursache und aller Bevölkerungsgruppen anwendbar sind, stehe nun eine potenziell leistungsstarke neue Behandlung für traumatische Kopfverletzung zur Verfügung, so die Forschenden. Sie zeigten sich davon überzeugt, dass bei einer breiten klinischen Umsetzung die Überlebenschancen von Menschen mit Kopfverletzungen in Ländern mit hohem und niedrigem Einkommen auf der ganzen Welt verbessert werden können.
Keine Nebenwirkungen feststellbar
Bei Betroffenen mit sehr schweren Kopfverletzungen war allerdings in der Studie kein klarer Nutzen des Medikaments erkennbar. Jedoch haben sich auch keine Hinweise auf Nebenwirkungen ergeben und es war keine Zunahme der Invalidität bei den Überlebenden festzustellen, die das Medikament erhalten hatten. So sprechen sich die Forschenden grundsätzlich für einen möglichst schnelle Anwendung von TXA nach traumatischen Kopfverletzungen aus. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ian Roberts, et al.: Effects of tranexamic acid on death, disability, vascular occlusive events and other morbidities in patients with acute traumatic brain injury (CRASH-3): a randomised, placebo-controlled trial; in: The Lancet (veröffentlicht 14.10.2019), thelancet.com
Wichtiger Hinweis:
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