Erste digitale Psychotherapie gegen Angststörungen startet
Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Sie können das Leben bestimmen und viele Menschen über längere Zeit begleiten. Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten der Behandlung. Neben Medikamenten spielt hier die Psychotherapie eine bedeutende Rolle. Diese gibt es nun auch in digitaler Form.
Die Techniker Krankenkasse (TK) bietet ab sofort eine digitale Therapie zur Behandlung von Angststörungen in den eigenen vier Wänden an. Den Angaben zufolge können die Teilnehmenden innerhalb von vier Wochen eine App-gestützte Therapie mit zahlreichen Schulungsvideos und digital angeleiteten Übungen absolvieren.
Leitliniengerechte Fernbehandlung von Angststörungen
Laut Studien leiden zehn Millionen Menschen in Deutschland im Verlauf eines Jahres an einer Angststörung. Sie ist damit eine der häufigsten psychischen Erkrankungen.
„Angststörungen sind in der Regel gut mit Psychotherapie oder Medikamenten zu behandeln. Zusätzlich können Maßnahmen wie Sport oder Entspannungsverfahren hilfreich sein“, erklärt das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) auf dem Portal „Patienten-Information.de“.
Die erstgenannte Behandlungsmöglichkeit wird von der TK nun auch digital angeboten. Wie es in einer Mitteilung heißt, ermöglicht die von der Hamburger Firma Sympatient entwickelte Therapie mit dem Namen „Invirto“ mit Virtual Reality (VR) und einer App erstmalig eine leitliniengerechte Fernbehandlung von Angststörungen.
Therapie ohne Wartezeiten
Kernstück von „Invirto“ ist die Konfrontation nach therapeutischen Prinzipien mit Angst auslösenden Situationen wie Aufzug- und U-Bahnfahrten oder Menschenansammlungen.
„Unser Behandlungskonzept ermöglicht den Patienten einen schnellen Zugang ohne Wartezeiten zu einer hochwertigen Psychotherapie“, sagt TK-Vorstandsvorsitzender Dr. Jens Baas.
Bevor die Therapie mit der VR-Brille beginnen kann, untersucht das Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZiP) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) alle Teilnehmenden im Rahmen einer umfassenden psychotherapeutischen Diagnostik. Danach bekommen die Teilnehmenden die VR-Brille und einen App-Zugang nach Hause geschickt.
„Anders als bei einer klassischen Psychotherapie mit einem in der Regel einstündigen Besuch beim Psychotherapeuten pro Woche kann bei dem neuen Angebot jeder Patient selbst entscheiden, wann, wo und wie oft er die verschiedenen Schulungsmodule und Übungen absolviert“, erläutert TK-Chef Baas.
„Während der Therapie wird der Patient von einem Psychotherapeuten des UKSH per Telefon und Video begleitet. Gerade in Regionen mit wenigen spezialisierten Therapeuten und langen Anfahrtswegen ist das eine sehr attraktive Therapieoption.“
Psychische Situation der Teilnehmenden wird regelmäßig erfasst
Die App erfasst im Behandlungsverlauf regelmäßig die psychische Situation der Teilnehmenden anhand eines Fragenkatalogs.
„Wenn die Teilnehmer eine Verschlechterung ihres psychischen Zustands erfahren, haben sie direkten Zugang zu Notfallnummern und können sofort hilfreiche Übungen wiederholen“, erklärt Julian Angern, einer der drei Gründer und psychologischer Leiter von Sympatient.
In Krisenfällen nehmen spezialisierte Mitarbeiter der Klinik mit den Teilnehmenden direkt Kontakt auf.
„Außerdem haben wir bei der Entwicklung von Invirto einen starken Fokus auf den Schutz der Patientendaten gelegt. Auch deshalb haben wir unsere Software von einer externen Stelle hinsichtlich der Sicherheit prüfen lassen.“
Den Angaben zufolge hat das vor zwei Jahren aus einer wissenschaftlichen Studie am UKSH heraus gegründete Unternehmen Sympatient für Invirto acht Stunden therapeutisches Schulungsmaterial und fast vier Stunden VR-Bildmaterial für sieben verschiedene Angstszenarien erstellt.
„Damit bilden wir die häufigsten Angst auslösenden Situationen ab“, sagt Angern.
Enormer Leidensdruck
Auf den Patientinnen und Patienten lastet ein enormer Leidensdruck. „ Anfangs sind es oft sehr diffuse und unspezifische Symptome wie Schweißausbrüche, Herzklopfen oder Übelkeit“, so der Psychiater Dr. Bartosz Zurowski vom UKSH.
„Deshalb erkennen die Patienten zu Beginn häufig nicht, dass ihre Ängste diese Symptome hervorrufen“, erläutert der Oberarzt und Leiter des Bereichs Angst- und Zwangsstörungen am UKSH-Campus in Lübeck.
Im weiteren Verlauf würden die Symptome oft komplexer. Manchmal trauten sich die Betroffenen im weiteren Verlauf gar nicht mehr, ihre Wohnung zu verlassen. Eine Berufstätigkeit, Einkäufe oder eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben seien für diese Menschen dann häufig gar nicht mehr möglich.
„Deshalb ist es wichtig, dass Angstpatienten möglichst frühzeitig und niederschwellig ihre Störung mit einem wirksamen Gesamtkonzept bearbeiten können“, sagt Dr. Zurowski.
Behandlung werde entscheidend verbessert
Laut Zurowski seien die einzelnen Bausteine der Therapie wissenschaftlich sehr gut erprobt und haben sich in zahlreichen Studien bewährt.
„Es wird höchste Zeit, dass wir diese neuen digitalen Techniken endlich in der ambulanten Versorgung einsetzen. Ich bin mir sicher, dass wir damit die Behandlung entscheidend verbessern und das bisherige Angebot der ambulanten Psychotherapie ergänzen.“
TK-Versicherte können für die Teilnahme an der neuen Therapie bei der Invirto-Terminkoordination unter der Telefonnummer 040 – 30 92 47 13 einen Termin vereinbaren. Weitere Informationen gibt es unter „www.invirto.de“ sowie unter „www.tk.de“ (Suchnummer 2075184). (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Techniker Krankenkasse (TK): TK, Start-up Sympatient und UKSH starten erste digitale Psychotherapie gegen Angststörungen, (Abruf: 03.02.2020), Techniker Krankenkasse (TK)
- Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ): Angststörungen, (Abruf: 03.02.2020), Patienten-Information.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.