Doktor Smartphone: Wie sinnvoll sind Gesundheits-Apps?
30.03.2015
Mittlerweile sind Tausende Gesundheits-Apps für das Smartphone auf dem Markt. Viele davon sind kostenlos erhältlich. Man kann damit Puls messen, sich an die Pille erinnern lassen und sogar erste Diagnosen stellen. Die Apps können zwar viel, den Arzt können sie aber nicht ersetzen.
Berater für Gesundheitsfragen in der Hosentasche
Auf dem Markt sind mittlerweile Tausende Smartphone-Apps für Gesundheit, Fitness und Medizin erhältlich. Ständig kommen neue hinzu. Zu finden sind unter anderem Blutdruckmesser, Schmerztagebuch, Pillenwecker oder Ernährungsratgeber. Immer mehr Menschen nutzen die Programme. So auch Thomas Brauer, der seinen kleinen Berater in Gesundheitsfragen immer in der Hosentasche bei sich hat. Der 32-Jährige erzählte: „Mit einer App kann ich meinen persönlichen Bedarf an Eiweiß, Kalorien und Fetten berechnen. Das hilft mir, mein Gewicht zu halten und mich ausgewogen zu ernähren.“ Auch beim Einkaufen hat er einen Helfer: „Wenn ich mir im Supermarkt Lebensmittel kaufe, fotografiere ich manchmal die Packung und bekomme von einer App aufgelistet, was genau darin ist.“ Er verlässt sich aber nicht in allen Lebensbereichen auf die Programme: „Wenn ich Hautprobleme habe, gehe ich zu meinem Arzt. Wenn ich nur ein Foto der Haut zur Diagnose in die Praxis mailen würde, würde ich mich nicht sicher fühlen“, so der Allergiker.
Zehntausende Apps für Fitness und Gesundheit
Die Apps für Smartphones und Tablets oder fürs Handgelenk als Uhr oder Band – Wearables – sind ein Megatrend. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, gibt es unter den drei Millionen Apps bereits rund 87.000 Angebote für den Bereich Fitness-Wellness und etwa 55.000 medizinische Apps. Dies teilte Hartmut Gehring vom Uniklinikum Schleswig-Holstein bei einer Experten-Tagung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn mit. Es ist nicht immer unterscheidbar, ob die Programme nur Infos bieten, eher zu Lifestyle und Fitness gehören oder ins Medizinische reichen.
Gefahr einer Fehldiagnose
Sandra Hoyer vom Bitkom-Arbeitskreis E-Health sieht der Agentur zufolge eine „digitale Revolution in der Gesundheitsbranche“. Mit den Apps kann man beispielsweise Puls- oder Blutdruckmessen, sich an die Medikamenten-Einnahme erinnern lassen oder Nebenwirkungen, Blutwerte oder Migräne-Anfälle dokumentieren. Zudem heißt es, dass ein Patient zur Erkennung von Hautkrebs den verdächtigen Fleck auf der Haut mit dem Smartphone ablichten und das Foto zur Auswertung an den Arzt mailen könne. Des weiteren werden Seh- oder Hörtests genutzt und es gibt Nierenfunktionsrechner, Apps für Patienten mit Parkinson, Diabetes, Asthma oder Menschen mit Schlafproblemen. In manchen Fällen gibt es auch Unterstützung von der Krankenkasse. Die Central Krankenversicherung in Köln beispielsweise stattet Diabetes-Patienten vom Typ 2 mit einem iPhone, einem Schrittzähler und einem Blutzuckermessgerät aus, um die Krankheit besser überwachen zu können. Wie BfArM-ExperteWolfgang Lauer aus einer Umfrage zitierte, sehen manche Verbraucher, ebenso wie viele Ärzte, die Gefahr einer Fehldiagnose. Der Markt boomt und bietet neue Möglichkeiten. „Vielversprechend, aber auch problematisch“, so Lauer.
Doktor Smartphone ersetzt keinen Arzt
Für die beiden führenden Smartphone-Plattformen (Android von Google und iOS von Apple) gibt es jeweils eine zentrale Anlaufstelle und eine eigene Entwicklungsumgebung zum Thema Gesundheit. Diese heißen beim iPhone „Apple Health“ und bei Android „Google Fit“. Dort werden Daten aus verschiedenen Programmen und Sensoren zusammengeführt. BfArM-Präsident Karl Broich sagte, dass die Apps zwar mehr Eigenregie des Patienten in der Behandlung ermöglichen, aber die Gefahr einer Fehldiagnose und der Fehlinterpretation von Bildern bestehe. Es sollte nicht passieren, dass die Nutzer sagen: „Ich muss nicht mehr zu meinem Arzt oder Apotheker.“ Es sei zu riskant, sich allein auf Doktor Smartphone zu verlassen. Häufig weisen auch die Hersteller darauf hin, dass ihre App eine „qualifizierte ärztliche oder medizinische Betreuung“ nicht ersetzt.
„Auch beim Arzt gibt es Fehldiagnosen“
Apps werden mittlerweile auch in Arztpraxen oder im Klinikalltag eingesetzt. So werden sie etwa bei Operationen zur Steuerung der OP-Roboter genutzt. Narkosearzt Gehring berichtete über eine Software, die bei der Dosierung von Medikamenten in der Kinderintensivmedizin hilft. Er selbst glaube zunächst dem „mündigen Patienten“, der mit einer via App gewonnenen fertigen Diagnose zu ihm kommt, kontrolliere aber doch lieber nach, wenn ihm die Daten nicht plausibel erscheinen. Wenn die Software laut Hersteller „der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten“ dient, dann ist die „Medical App“ als Medizinprodukt zu bewerten und muss entsprechende Standards erfüllen, erklärte der Essener Medizinrechtler Volker Lücker. Allerdings sei Fachleuten zufolge bei der Überwachung der Hersteller und Kontrolle der Medical Apps noch vieles ungeregelt. Markus Müschenich vom Bundesverband Internetmedizin meint, dass es das Angebot schaffe, den Patienten in seinem Alltag zu begleiten. Zudem sagte er: „Auch beim Arzt gibt es Fehldiagnosen.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.