Demenz-Report: Verdopplung von Demenz-Patienten in 30 Jahren erwartet: Besonders ostdeutsche Regionen sind vom Strukturwandel betroffen. Der Sozialverband VdK fordert mehr Hilfen für Demenzkranke
23.02.2011
Das Berliner Institut für Bevölkerung und Entwickelung rechnet nach eigenen Angaben mit einer Verdopplung von Demenz-Patienten bis zum Jahre 2050. Schon jetzt entwickele sich Demenz zu einer sogenannten Volkskrankheit, von der jeder Mensch im Alter betroffen sein kann. Der Sozialverband VdK fordert angesichts der neuen Zahlen umfassende Reformen.
Verdoppelung der Demenz-Fälle
In den nächsten 30 Jahren könnte sich die Anzahl von Demenz-Patienten bereits verdoppelt haben. Das berichtet das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Das Institut bezieht sich dabei auf die stetig wachsende Anzahl von Erkrankten der letzten Jahrzehnte. Durch den demografischen Wandel und der besseren medizinischen Versorgung drohen den Menschen vor allem in den westlichen Industrienationen Alterserkrankungen wie Demenz und Alzheimer. Laut dem letzten Demenz-Report 2010 leiden heute in Deutschland rund 1,3 Millionen Menschen an Demenz. Etwa zwei Drittel der Betroffenen ist an Alzheimer erkrankt. Rein Statistisch betrachtet ergibt sich derzeit eine deutschlandweite Krankheitsrate von 1300 Menschen je 100.000 Einwohner. Besonders dramatisch könnte sich die Situation in den neuen Bundesländern entwickeln. So erklärte Reiner Klingholz, in Ostdeutschland erwarte man bundesweite Höchstwerte in Bezug auf Demenz. Bis zum Jahre 2025 dürften beispielsweise in Hoyerswerda (Sachsen) von 100.000 Einwohnern 3660 Menschen an Demenz oder Alzheimer erkrankt sein. Ähnlich besorgniserregende Datenerhebungen liegen auch für die Städte und Regionen Görlitz und Dessau vor. Neben Sachsen sind auch zahlreiche Kreise in Sachsen-Anhalt und Thüringen von der Entwicklung ernsthaften betroffen. Betroffen sind hiervon im wesentlichen Regionen, in denen im Vergleich zur bundesweiten Altersstruktur, nur wenige junge Menschen leben. Vor allem in Ostdeutschland ist die Abwanderung von jungen Menschen deutlich spürbar, woraufhin der Altersdurchschnitt steigt.
Demenz wird zur normalen Begleiterscheinung des Alters
Demenz wird nach Angaben der Autoren zu einer ganz „normalen Begleiterscheinung des Alters“. Die Entwicklung des demografischen Wandels unserer Gesellschaft ist nicht mehr umzukehren. Daher haben die Forscher schon jetzt Auswertungen der Altersstrukturen verschiedener Regionen unternommen, damit die Politik rechtzeitig gegensteuern kann. Allerdings hat die Gesundheitspolitik das Ausmaß bislang nicht vollständig erkannt, wie die Studienautoren kritisieren. Landläufig wird noch immer die Position vertreten, die Gesellschaft würde auch im Jahre 2025 die selbe sei, wie es heute der Fall ist. Nur die Menschen werden eben älter. Doch das ist laut der Wissenschaftler eine fatale Fehleinschätzung. Vor allem die finanzschwachen Regionen müssen damit rechnen, künftig mehr Gelder für die Versorgung von Alterserkrankungen bereit zu stellen, als es heute der Fall ist. Zudem werden die Einnahmen deutlich sinken, weil immer mehr Menschen sich im Altersruhestand befinden werden.
Alzheimer, eine unheilbare Krankheit
Weltweit leiden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO rund 35 Millionen Menschen an der Demenz-Form Alzheimer. Bei der unheilbaren Krankheit befinden sich spezifische Eiweißablagerungen im menschlichen Gehirn. Dabei werden wichtige Reizübertragungen zwischen den Hirnzellen gestört. In Folge sterben die Hirnzellen ab und das Gedächtnis der Patienten wird vollständig eliminiert. Als besonders belastend wird im Umfeld des Betroffenen der Verlust der Persönlichkeit des Patienten erlebt. Die Menschen verlieren im zunehmenden Maße die zeitliche und räumliche Orientierung. Da die Alzheimer-Patienten hierdurch hilflos und inaktiv werden, sind sie rund um die Uhr auf eine intensive Pflege angewiesen. Etwa zwei Drittel der Betroffenen wird von Familienangehörigen zuhause gepflegt. Für die Angehörigen bedeutet die Pflege eine enorme Belastung, immer wieder kritisieren Patientenverbände in diesem Kontext die nur unzureichende Unterstützung der Politik.
Nach Ansicht des Kölner Neurologen Prof. Gereon Fink werden bereits im Jahre 2050 rund 115 Millionen Menschen weltweit an Demenz leiden. Fink forderte einen Ausbau der Behandlungsangebote für Demenz-Kranke. Zudem müssten Mediziner besser geschult werden, damit eine rechtzeitige Diagnose stattfinden könne. Um so früher die Erkrankung erkannt wird, um so größer sind die Chancen des Patienten, eine längere Zeit Alltags-tauglich zu bleiben. Und das entlaste wiederum das Gesundheits- und Pflegesystem.
Sozialverband fordert mehr finanzielle Hilfen für Demenzkranke
Der Sozialverband VDK forderte angesichts der dramatischen Zahlen Demenzkranke stärker in die Pflegeversicherung einzubeziehen. "Häusliche Pflege ist ein gutes Beispiel für gelebte Generationssolidarität", so die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher, heute am Rande eines sozialpolitischen Forums des Sozialverbands VdK Bayern in der Evangelischen Akademie Tutzing zum Thema "Generationengerechtigkeit". Vor allem ältere Menschen kümmern sich häufig um ihre Pflegebedürftigen Familienmitglieder. Die VDK-Vorsitzende verwies auf die große Zahl von 4 Millionen pflegenden Angehörigen, die "heute dafür sorgen, dass unser Pflegesystem nicht in Teilen kollabiert". Die finanzielle Absicherung dieser Form von Familienarbeit sei aber absolut unzureichend. Insbesondere für die Versorgung von Demenzkranken müsse es mehr finanzielle Anerkennung geben: "Wir wollen, dass es auch für Demenz-Erkrankungen angemessene Leistungen aus der Pflegeversicherung gibt. Deshalb muss der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff, der der Bundesregierung bereits seit Anfang 2009 vorliegt, endlich umgesetzt werden." Bisher ist die Auszahlung von Pflegegeld an das Vorliegen einer Pflegestufe gekoppelt, die jedoch nur bei körperlichen Einschränkungen zuerkannt wird. Um der Pflege von Demenz-Kranken nachzukommen, seien umfassender Reformen notwendig.
Um eine gute Versorgung von Demenzkranken zu gewährleisten, benötige die Pflege mehr finanzielle Hilfen. "Heute beträgt der Beitrag in der gesetzlichen Pflegeversicherung 1,95 Prozent. Eine moderate Anhebung der Beiträge bei paritätischer Beteiligung der Arbeitgeber halte ich für verkraftbar, wenn dadurch notwendige Leistungsverbesserungen zuverlässig für längere Zeit solidarisch finanziert werden. Ich plädiere für mehr Ehrlichkeit und weniger Wahltaktik in dieser Debatte." (sb)
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