50 Jahre nach Agent-Orange-Einsatz immer noch neue Opfer
12.08.2011
Vor 50 Jahren wurde im Vietnam-Krieg von den Amerikanern erstmals das Pflanzengift Agent Orange zur Entlaubung des Urwalds eingesetzt, um den gegnerischen Truppen die Deckung zu nehmen. Noch heute leiden Hunderttausende an den Spätfolgen.
Das zur Zerstörung des Laubdach eingesetzte hochgiftige Pflanzengift Agent Orange verursachte sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Soldaten, die in Kontakt mit dem Entlaubungsmittel kamen, erhebliche irreversible gesundheitliche Problemen. Da das dioxinhaltige Agent Orange nicht nur die Gesundheit direkt angreift, sondern auch das Erbgut schädigt, werden in Vietnam noch heute ungewöhnlich viele Kinder mit schweren Fehlbildungen geboren. Die US-Armee hatte im Verlauf des Krieges laut Aussage von „Vietnams Vereinigung der Opfer von Agent Orange/Dixoin (Vafa)“ über zehn Jahre 76 Millionen Liter des hochtoxischen Pflanzengifts versprüht und so ganze Landstriche Vietnams verseucht.
Krebserkrankungen, Missbildungen und Immunschwächen durch Agent Orange
Das vor 50 Jahren erstmals eingesetzte Agent Orange hat bei der Bevölkerung und den Soldaten, die zwischen 1961 und 1971 in Vietnam in Kontakt mit dem Herbizid kamen, oftmals erhebliche gesundheitliche Schäden wie Immunschwächen, Krebserkrankungen und eine Vielzahl weiterer Erkrankungen hervorgerufen, berichtet Nguyen Van Rinh von „Vietnams Vereinigung der Opfer von Agent Orange/Dixoin (Vafa)“ auf der zweiten Opferkonferenz in Hannoi. Darüber hinaus könne die hochgiftige Chemikalie das Erbgut schädigen und gefährdet so auch Jahrzehnte nach dem Agent-Orange-Einsatz noch die Gesundheit von Neugeborenen, erklärte Rinh. Die Kinder und Enkel der in Kontakt mit dem Herbizid gekommenen Personen, leiden überproportional häufig unter schwersten Missbildungen wie verformte Körperteilen, fehlenden Augen oder Gliedmaßen und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (umgangssprachlich Hasenscharte). Insgesamt sind bis heute laut Aussage der Vafa-Chefs Nguyen Van Rinh mehr als drei Millionen Agent-Orange-Opfer zu verzeichnen. Wobei die Betroffenen mit ihren Problemen häufig alleine dastehen, denn lediglich 200.000 bekämen eine kleine staatliche Unterstützung, erklärte der Experte. Ein Großteil (70 Prozent) der Agent-Orange-Opfer lebe unter der Armutsgrenze, wobei 20 Prozent der betroffenen Familien gleich drei oder mehr Opfer zählen. Eine Belastung, die ohne Unterstützung kaum zu meistern ist. Daher forderte der Vafa-Chef auf der Opferkonferenz anlässlich des 50. Jahrestages des erstmaligen Abwurfes von Agent Orange die USA dazu auf, „die Verantwortung für den Schaden zu übernehmen“. Auch sollten die Herstellerfirmen des hochgiftigen Herbizids wie Dow Chemical und Monsanto endlich ihre Schuld eingestehen und Entschädigungen zahlen, so Rinh weiter.
Klage gegen Chemiefirmen vor US-Gericht gescheitert
Bereits im Jahr 2004 hatten vietnamesische Opfer des Agent-Orange-Einsatzes in den USA gegen insgesamt 32 Chemiefirmen geklagt, die das hochtoxische Herbizid produziert hatten. Das Gericht entschied jedoch, dass die Firmen im Auftrag des Militärs gehandelt hätten und damit nicht haftbar zu machen seien. Allerdings hatten Monsanto und Co. sich bereits 1984 mit den rund 30.000 betroffenen US-Veteranen geeinigt und ihnen 180 Millionen Dollar Entschädigung zugestanden. Die vietnamesische Klage wurde indes nach mehreren Revisionen im Jahr 2009 letztinstanzlich abgewiesen. Die US-Armee, welche letztendlich für den Einsatz des Agent Orange verantwortlich zu machen ist, kann auf Basis der bestehenden Gesetze in den USA nicht wegen möglicher Kriegsschäden angeklagt werden. Und da die USA bisher nicht bereit sind, die Verantwortung für die – durch das Versprühen der knapp 80 Millionen Liter Agent Orange inklusive der darin enthaltenen 366 Kilogramm Dioxin – entstandenen Gesundheitsschäden bei der vietnamesischen Bevölkerung zu übernehmen, können die Betroffenen von dieser Seite kaum Hilfe erwarten.
Agent-Orange-Opfer dringend auf Hilfe angewiesen
Dabei sind die Agent-Orange-Opfer in Vietnam dringend auf Hilfe angewiesen, wie auch der Appell des vietnamesischen Gesundheitsminister Nguyen Thim Kim Tien auf der Opferkonferenz verdeutlicht. „Wir brauchen dringend die Hilfe internationaler Freunde“, betonte Tien. Landesweit seien mit solcher Unterstützung bereits zwölf Rehabilitationszentren für die Opfer aufgebaut worden, in denen auch Familien mit schwerbehinderten Kindern geholfen werden kann. Die gescheiterte Klage in den USA hat nach Einschätzung von Tien ebenfalls Früchte getragen, obwohl sich die Betroffenen vor Gericht nicht gegen die Chemiekonzerne durchsetzen konnten. Denn die US-Regierung habe im Jahr 2007 erstmals drei Millionen Dollar für Untersuchungen zur Verfügung gestellt. Außerdem ist kürzlich ein Hilfsprojekt angelaufen, bei dem bis Ende nächsten Jahres der verseuchte Boden des Flughafens in Danang, wo die mit der namensgebenden orangefarbenen Banderole gekennzeichneten Chemiefässer gelagert und verladen wurden, gereinigt werden sollen. 32 Millionen Dollar sollen aus US-Steuergeldern zur Unterstützung des Projektes fließen. Insgesamt bezifferte eine bilaterale Arbeitsgruppe vergangenes Jahr die Kosten für einen zehnjährigen Aktionsplan mit 300 Millionen Dollar. Doch die Betroffenen werden davon kaum profitieren, für sie sind lediglich drei Millionen Dollar vorgesehen, so die Kritik der Vereinigung der Opfer von Agent Orange/Dixoin. (fp)
Bildnachweis: Alexis Duclos, Wikipedia
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