Heilpraktiker nach Tod von drei Krebspatienten vor Gericht
Am Freitag hat vor dem Landgericht Krefeld ein Prozess gegen einen Heilpraktiker wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen begonnen. Der 61-Jährige soll Medikamente für Krebspatienten mit einer ungeeigneten Waage angemischt haben. Deshalb kam es zu der tödlichen Arzneimittel-Überdosierung.
Fahrlässige Tötung in drei Fällen
Am Landgericht Krefeld hat am Freitag ein Prozess gegen einen Heilpraktiker begonnen, der wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen sowie fahrlässigen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in vier Fällen angeklagt ist. Dem 61-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen wird vorgeworfen, mit einer ungeeigneten Waage Medikamente für Krebspatienten angemischt zu haben. Drei dieser Patienten starben an den Folgen einer Überdosis. Bei einer weiteren Patientin sei die Therapie abgebrochen worden.
Infusionen mit dem Stoff 3-Bromopyruvat
Der Heilpraktiker aus dem niederrheinischen Moers habe in seiner Praxis in der Gemeinde Brüggen „überwiegend Patienten behandelt, welche an einer Krebserkrankung gelitten hätten“, heißt es in einer älteren Pressemitteilung des Landgerichts Krefeld.
„Im Rahmen dieser Behandlungen habe er vier Patienten unter anderem Infusionen mit dem Stoff 3-Bromopyruvat verabreicht, um die Krebszellen in den Zelltod zu führen und so den Krebs zu bekämpfen.“
Im Juli 2016 sei es bei Zubereitung der jeweils individuell hergestellten Infusionslösungen bei vier Patienten zu einem Wiegefehler gekommen, in dessen Folge es zur Überdosierung mit 3-Bromopyruvat gekommen sei.
Den Angaben zufolge hätten die Wiegefehler darauf beruht, dass die Waage für das Zuwiegen von Kleinstmengen nicht geeignet gewesen sei und Kontrollmaßnahmen zur Überprüfung der Richtigkeit der Dosierung nicht vorhanden gewesen seien.
Wegen Überdosierung gestorben
„Aufgrund der Überdosierung seien drei der vier Patienten in den Folgetagen verstorben“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Eine weitere Patientin habe unter anderem Übelkeit und Unwohlsein erlitten.
Die Therapie bei dieser Frau sei nach einer ersten Infusionsgabe abgebrochen worden.
„Der Angeklagte habe bei Beachtung der ihm obliegenden und gebotenen Sorgfalt bei Behandlung seiner Patienten die Überdosierung mit 3-Bromopyruvat erkennen und verhindern können und müssen“, schreibt das Gericht.
Angeklagter sieht sich unschuldig
Vor Gericht wies der Angeklagte nun jedoch jede Schuld von sich. „Ich habe ein gutes Gefühl, dass ich richtig und sauber gearbeitet habe“, sagte der Heilpraktiker laut einer Mitteilung der Nachrichtenagentur dpa.
Der 61-Jährige bedauere den Vorfall und habe seitdem schlaflose Nächte, doch er könne sich nicht erklären, wie es zu den drei Todesfällen kommen konnte.
Den Angaben zufolge soll das Medikament in den verschiedenen Fällen um das Drei- bis Sechsfache zu hoch dosiert gewesen sein.
Keine Hoffnung auf Heilung gemacht
Der Beschuldigte, der 2010 seine Heilpraktiker-Prüfung abgelegt hatte, erklärte am ersten Verhandlungstag, dass in der Praxis in der Gemeinde Brüggen, in der er seit September 2014 gearbeitet hatte, fast ausschließlich Krebspatienten behandelt worden seien – oft „hoffnungslose Fälle“.
Nach seinen Angaben, sei er zum Jahreswechsel 2015/2016 erstmals mit dem experimentellen Wirkstoff 3-Bromopyruvat (3-BP) in Berührung gekommen.
Diese Substanz verfügt auf dem deutschen Markt über keine Zulassung als Arzneimittel, erklärt der Bund Deutscher Heilpraktiker (BDH) in einer älteren Mitteilung.
Der Angeklagte gab an, seinen Patienten keine Hoffnung auf Heilung gemacht zu haben, doch er habe den Eindruck gehabt, dass der Wirkstoff manchen Patienten helfe.
Einer der damit behandelten Männer „konnte am Anfang nicht allein laufen, nach der zweiten Behandlungswoche ist er wieder mit den Hunden spazieren gegangen“, so der Heilpraktiker laut dpa.
Den Angaben zufolge war dieser Patient später durch die Verabreichung einer Infusionslösung mit dem Wirkstoff 3-BP gestorben.
Der Beschuldigte gab an, jede Infusion immer direkt vor der Gabe vorbereitet zu haben.
Er habe das Pulver mit einem kleinen Dosierlöffel aus einer großen Flasche geholt und abgewogen. Dies lief Wochen und Monate so.
Als die drei Patienten Ende Juli 2016 nach der 3-BP-Behandlung am selben Tag körperliche Beschwerden hatten, sei es das erste Mal gewesen, dass etwas nicht nach Plan gelaufen sei.
Die genutzte Waage war ungeeignet
Als der Vorsitzende Richter den Angeklagten fragte, ob er sich – statt die Waage zu nutzen – auch mal nur auf sein Augenmaß verlassen habe, antwortete dieser: „Ich habe die Waage benutzt, ausnahmslos.“
Er habe sich auch an die empfohlene Dosierung von zwei bis vier Milligramm gehalten. Laut dpa ist in der Anklage aber von sieben bis zwölf Milligramm die Rede, die in den vorliegenden Fällen verabreicht worden sein sollen.
Die neue Waage, die er im April 2016 gekauft habe, sei hygienischer zu verwenden gewesen als die alte. Doch laut Staatsanwaltschaft war das Gerät nicht geeicht. Nach Herstellerangaben sei das Abwiegen von Kleinstmengen damit nicht möglich.
Wie die Deutsche Presseagentur weiter erklärt, wurde bei der Verhandlung auch darüber diskutiert, dass der Beschuldigte am Tag vor der Behandlung der drei später gestorbenen Patienten neue Flaschen mit 3-BP geliefert bekommen habe: Pulver in vier Flaschen aus Plastik. Zuvor bestanden die Behälter aus Glas.
Könnte die Substanz also womöglich chemisch verdorben worden sein? Oder kann der Wirkstoff 3-Bromopyruvat schon allein schädlich gewesen sein?
Den Angaben zufolge äußerte der nun Angeklagte diese Bedenken bereits am betreffenden Juli-Tag in einem E-Mail-Verkehr mit seinem Lieferanten.
„Ich wollte sie nicht weiter für Patienten verwenden, nachdem es diesen drei so schlecht ging“, sagte der 61-Jährige laut dpa, „dass ich sie weggeworfen habe, bereue ich heute zutiefst“.
Vierte Patientin in schlechter gesundheitlicher Verfassung
Für den Prozess gegen den Heilpraktiker wurden insgesamt zehn Verhandlungstage angesetzt.
Den Angaben zufolge soll der Beschuldigte beim nächsten Termin am 5. April im Gerichtssaal vormachen, wie er das Medikament sonst immer angemischt hat.
Bei späteren Verhandlungstagen sollen auch Zeugen wie beispielsweise Angehörige der Opfer gehört werden.
Die vierte Patientin, bei der die fragwürdige „alternativmedizinische“ Behandlung abgebrochen wurde, sei laut dem Richter in einer schlechten gesundheitlichen Verfassung und könne nicht teilnehmen.
Informationen zu alternativen Heilmethoden
Gesundheitsexperten weisen immer wieder darauf hin, dass biologische Krebstherapie keineswegs eine Therapie ist, die als „Alternative“ gesehen werden darf.
Jede zusätzliche Therapie muss in Absprache der behandelnden Ärzte geschehen.
Informationen zu alternativen Heilmethoden bei Krebs finden sich unter anderem auf der Onlineplattform des Kompetenznetzwerks Komplementärmedizin in der Onkologie (KOKON). Das Projekt wird von der Deutschen Krebshilfe gefördert. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.