Duftstoffe in Kinderspielzeug: Bundesbehörde warnt vor Allergiegefahr und fordert strengere Grenzwerte
16.04.2012
Die Grenzwerte für chemische Duftstoffe in Kinderprodukten wie Puppen und Teddybären sind zu hoch, das berichtet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Durch die in Kinderspielzeug enthaltenen Substanzen können Allergien ausgelöst werden, so die Experten. Die Kinder leiden ein Leben lang an der zugefügten Krankheit.
Die Dufstoffe in Puppen und Teddys reizen nicht nur die Sinne sondern auch die Haut und Schleimhäute. Sie sollen zum Kauf der Spielzeuge animieren und setzen die Kinder erheblichen gesundheitlichen Gefahren aus. Nach Angaben des Bundesinstitut für Risikobewertung sind die Grenzwerte deutlich überschritten. Die Experten fordern die Spielzeughersteller dazu auf, die enthaltenen Stoffe zu reduzieren. Auf EU-Ebene müssten endliche neue Grenzwerte geschaffen werden, so erneute die Forderung des BfR.
In jedem Kinderzimmer von Jungen und Mädchen sind Kuscheltiere oder Kinderautos vorhanden. Sie dienen als Übergangsobjekt, helfen beim Einschlafen, trösten wenn Erkältungen oder Sehnsucht quälen oder werden einfach nur zum Spielen verwendet. Die aktuelle Risikowarnung des BfR dürfte die meisten Eltern aufschrecken. In Kuscheltieren, Kinderautos, Puppen, Brettspielen oder Teddybären können praktisch unnötige Duftinhaltsstoffe enthalten sein, die unter anderem bei einem Teil der spielenden Kindern sogenannte Kontaktallergien auslösen können. Die Allergien bleiben bei den betroffenen Kindern ein Leben lang bestehen, wie ein Sprecher des Risikoinstituts erklärte.
Verbot der chemischen Stoffe in Spielzeug für Kleinkinder gefordert
Damit Kinder keinen Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind, sollten Spielzeuge, die für Kinder unter drei Jahren deklariert sind, keine Duftstoffe enthalten. „Gerade in den ersten drei Lebensjahren erkunden Kleinkinder die Welt mit allen Sinnen. Sie betrachten mit den Augen, fühlen mit den Händen und schmecken mit dem Mund“, berichtet Gritli Bertram, Sozialpädagogin aus Hannover. Die Kinder stecken alles was sie in die Finger bekommen in den Mund. Zwar fordert das Bundesinstitut ein völliges Verbot der künstlichen Duftstoffe in Spielzeugen für Kleinkinder, allerdings sind entsprechende Gesetzesregelungen bislang nicht vorgesehen. Daher, so die Pädagogin, sollten Eltern „eher auf Spielzeug mit dem Bio-Siegel setzen, dann darf keine Chemie verwendet werden“.
Spielzeug für ältere Kinder dürfen nach Ansicht der Risikobewerter des BfR sehr wohl Duftstoffe enthalten. Allerdings sei auch hier der vorgeschriebene Grenzwert von 100 Milligramm pro Kilo Material für bestimmte Substanzen „viel zu hoch“ angesetzt. Daher sollte die zuständige Kommission der Europäischen Union (EU) einen Grenzwert von 10 Milligramm pro Kilo Spielzeug anstreben, so die Empfehlung des BfR. Schon im April 2010 hatte die deutsche Bundesbehörde diesen Rat in Richtung EU erteilt. Bis zum heutigen Zeitpunkt haben sich die gesetzlichen Regelungen allerdings nicht verändert, murinen die Experten. Daher setze man nun auf den zweiten Vorstoß.
2500 verschiedene künstliche Duftstoffe in Spielzeug
Die Spielzeughersteller verwenden insgesamt 2500 unterschiedliche Duftstoffe. Einige dieser Substanzen können bei mehrfachen Kontakt Hautallergien auslösen. Deutlich erkennbar sind die Allergien durch Symptome wie Jucken, Rötungen, Bläschen und Entzündungen. „Die Kinder leiden an der Allergie ein Leben lang“, so die Warnung des BfR. Denn die chronische Erkrankung ist bei heutigem Kenntnisstand nicht heilbar. Nur die Beschwerden als solches können therapiert werden, nicht aber die Ursache. In der EU-Richtlinie für Spielzeuge sind daher bereits 55 allergen Stoffe verboten. Für elf weitere Allergie-Duftstoffe gelten nur Grenzwerte. Für zuletzt genannte will das BfR ein vollständiges Verbot für Kleinkinder-Spielzeug erreichen und den Grenzwert für größere Kinder um das zehnfache gesenkt sehen.
Duftinhaltsstoffe sollen zum Kaufen animieren
Die meisten Duftstoffe werden künstlich aus Chemikalien hergestellt. Für die Spielsachen erfüllen sie keinen praktischen Zweck, außer den Betrachter zum Kaufen zu animieren, sagt Miriam Ewald, Sprecherin des BfR. Im Verlauf einer Studie dänischer Wissenschaftler fanden die Tester heraus, dass in sieben von zehn Kinderspielzeugen Duftstoffe enthalten sind. Meist verstecken sich die Chemiestoffe in Radiergummi, Textmarkern, Papier, Seifenblasen oder Bällen. Die Inhaltsstoffe der Mischungen erreichten zwischen 32 und 5500 Milligramm pro Kilogramm Kinderspielzeug. Zum Teil fanden die Forscher im Jahre 2006 hochgradig allergene Duftstoffmischungen, so Ewald.
Desto „häufiger und intensiver ein Kind mit allergenen Stoffen in Berührung kommt, je höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Kontaktallergie entwickelt“, erklärt die BfR-Sprecherin. Je früher die Kinder mit den Stoffen in Kontakt kommen, „desto problematischer ist es auch“. Mediziner gehen davon aus, dass mindestens zwei Prozent aller Kinder, die mit den genannten Substanzen in Kontakt kommen, eine lebenslange Allergie entwickeln. Von Kindern, die bereits aufgrund von Hautkrankheiten in Kliniken in Behandlung sind, seien es sogar zwölf Prozent.
Nickelrichtlinie konnte umgesetzt werden
Einen kleinen Erfolg konnten allerdings die Experten des Risikoinstituts erlangen. Im April 2010 hatten sie Richtlinien für Nickel in Spielzeug verlangt. Diese Empfehlung wurde auf EU-Ebene umgesetzt. Zwar gelte kein vollständiges Verbot, immerhin wurden aber die eingeforderte Grenzwerte erreicht. Nickel findet sich in Kinderschmuck und Metallaufnähern von Kleidungsgegenständen. Zehn Prozent der Kinder reagieren durch den Kontakt mit einer Nickelallergie. Ob die Grenzwerte in der Praxis zu geringeren Kontaktallergien führte und ob die Industrie die Grenzrichtlinien einhält, dazu konnte das BfR keine Angaben machen. „Lieber auf Naturbelassene Spielzeuge setzen“, so das Fazit von Bertram. (sb)
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Bild: Helene Souza / pixelio.de
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