Duogynon-Klage: Akten bleiben geschlossen? Das Landgericht sieht kaum Chancen den Pharmahersteller Bayer-Schering zur Gewährung der Akteneinsicht zu zwingen. Der Fall sei nach 30 Jahren "nach Einnahme des Arzneimittels" verjährt.
Gestern fand der erste Gerichtstag am Landgericht Berlin statt. Die Richter signalisierten, dass es anscheinend wenig Möglichkeiten für die mutmaßlichen Duogynon-Geschädigten gibt, den Pharmakonzern Bayer-Schering zu zwingen, eine vollständige Akteneinsicht zu gewähren. Ein endgültiges Urteil für Anfang Januar 2011 erwartet.
Am ersten Verhandlungstag folgte schon der erste herbe Rückschlag für die mutmaßlichen Duogynon-Opfer. Nach Ansicht der Landesrichter gibt es wenig Möglichkeiten, eine Akteneinsicht zu erzwingen. Der Grund: Der Verkauf der fraglichen Arzneimittel fand im Jahre 1975 statt. Aus einer „ersten Sicht“ des Richters Udo Spuhl sei die Angelegenheit damit verjährt. Eine Herausgabe der 30 Jahre alten Akten sei kaum mehr möglich. Eine Verjährung beginnt 30 Jahre nachdem ein „schadenstiftendes Ereignis“ stattgefunden hat. Der Zeitpunkt wird mit dem Verkauf des Arzneimittels gleichgesetzt. Demnach hätte zuletzt eine Klage im Jahre 2005 stattfinden können. Da nun keine Schadensersatzansprüche mehr geltend gemacht werden können, könne demnach auch keine Akteneinsicht vom Pharmahersteller mehr verlangt werden.
Doch die Sicht der Kläger ist eine andere. Für den Anwalt des Klägers André S. sei die letzte Operation des Geschädigten ausschlaggebend und diese fand im Jahre 2005 statt. Allerdings bleibt offen, warum Andre S nicht schon damals eine Zivilklage eingereicht habe.
In der Klage geht es um den bislang unbewiesenen Zusammenhang von Missbildungen an Kindern und dem Medikament „Duogynon“. Das Mittel wurde bis spät in die 70er Jahre hinein Frauen verschrieben, um eine mögliche Schwangerschaft zu testen. In der Folgezeit haben rund 1000 Frauen Kinder mit zum Teil schweren Behinderungen zur Welt gebracht. Während der frühen Schwangerschaft hätten die Frauen das Mittel eingenommen. Wenig später hatte der Konzern das Arzneimittel vom Markt genommen. Eine damalige Klage verlief erfolglos. Bis heute weigert sich Bayer-Schering eine umfassende Akteneinsicht zu gewähren. In der Zivilklage sollte genau eben jene Einsicht erzwungen werden, um den Weg für hunderte von Geschädigten zu ebenen. Nach Ansicht des Arzneimittelherstellers sei kein eindeutiger Zusammenhang erwiesen. Aus diesem Grund sehe man auch keine Veranlassung, eine Akteneinsicht zu gewähren.
Trotz der ersten Einschätzung des Landesrichters wollen die Geschädigten weiter machen. „Meine Behinderung verjährt nicht“ sagte André S während der Verhandlung. Viele tausende von Mails und Briefen habe er von ebenfalls Betroffenen erhalten. „Von Duogynon-Opfern und verzweifelten Müttern, die Antworten haben wollen.“ Falls am 11 Januar 2011 kein im Sinne des Klägers positives Urteil gefällt wird, wolle Andre S. „wenn nötig, in die nächste rechtliche Instanz“ ziehen und verspricht auch im Sinne der vielen weiteren mutmaßlichen Duogynon-Opfer: „Ich ziehe das durch!“ (sb, 01.12.2010)
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