Alzheimer-Erkrankung haben nicht nur negative Auswirkungen auf den Körper
Weltweit versuchen Experten die Alzheimer-Krankheit besser zu verstehen, um effektivere Wege zur Behandlung und Prävention zu finden. Forscher fanden jetzt heraus, dass ein bei Alzheimer-Krankheit vorkommendes Protein-Fragment zwar klebrige Plaques um die Neuronen in unserem Gehirn bildet, aber auch durchaus positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Beta-Amyloid (ß-Amyloid) scheint unser Gehirn vor einigen Krankheitserregern schützen zu können.
Degenerative Krankheiten stellen eine große Bedrohung für unsere Gesundheit dar. Wissenschaftler vom Massachusetts General Hospital (MGH) stellten jetzt bei einer Untersuchung allerdings fest, dass der klassische Bösewicht der Alzheimer-Krankheit, ein Protein-Fragment mit der Bezeichnung ß-Amyloid, nicht nur negative Auswirkungen auf Körper und Geist hat. Das Protein-Fragment erstickt zwar unsere Neuronen, scheint aber auch unser Gehirn vor Krankheitserregern zu schützen. Die Mediziner veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Studie in der Fachzeitschrift „Science Translational Medicine“.
Studie an Würmern und Mäusen bringt erstaunliche Ergebnisse
Bei Alzheimer bildet das Protein-Fragment ß-Amyloid klebrige Plaques um die Neuronen unseres Gehirns, erläutern die Mediziner. Eine neue Studie an Mäusen und Würmern unterstützt die durchaus umstrittene Hypothese, dass diese Plaques auch positive Auswirkungen auf unseren Körper haben können. Scheinbar sind diese Ablagerungen in der Lage, unser Gehirn vor der Bedrohung durch Krankheitserreger zu schützen, erläutern die Autoren. Die Ergebnisse der Untersuchung könnten in Zukunft vielleicht neue Wege ermöglichen, um tödliche degenerative Krankheiten zu verhüten, sagen die Experten. ß-Amyloid-Ablagerungen können auch viele andere Organe außer dem Gehirn schädigen, einschließlich dem Herzen, der Leber und den Nieren, sagt der Neurowissenschaftler Rudolph Tanzi vom Massachusetts General Hospital.
ß-Amyloid für einige Mikroben 100-mal tödlicher als Penicillin
Vor sechs Jahren hatten Tanzi und der Neurowissenschaftler Robert D. Moir beschlossen, zu testen, ob sich ß-Amyloid ähnlich verhält wie eine Klasse von Proteinen mit bekannten positiven Eigenschaften (diese werden als antimikrobielle Peptide oder AMPs bezeichnet). Einige AMPs bilden auch Fasern um Zellen, aber sie nutzen diese zum Fangen und Töten von Mikroben im ganzen Körper. Um zu sehen, ob ß-Amyloid in ähnlicher Weise funktioniert, testete das Team in Laborschalen die Reaktion mit einer Reihe von verschiedenen Mikroben. Zu diesen gehörten beispielsweise auch Candida albicans, Bakterien wie Escherichia coli und verschiedene Stämme von Streptokokken, erläutern die Autoren. Das geschmähte Protein war ebenso toxisch für viele Krankheitserreger wie die positiven AMPs. Tatsächlich war es sogar gegen einige Mikroben mehr als 100-mal tödlicher als Penicillin, sagt Moir vom Massachusetts General Hospital.
Studie: Bei Tieren schützt Beta-Amyloid tatsächlich vor Krankheitserregern
Die neue Studie beweist jetzt erstmals bei Tieren, dass Beta-Amyloid in der Tat vor Krankheitserregern schützen kann, sagt Tanzi. Die Forscher hatten für ihre Untersuchung Mäuse verwendet, die genetisch verändert wurden, um überschüssige Mengen der menschlichen Version von ß-Amyloid zu produzieren. Dann injizierten die Wissenschaftler den Gehirnen der Nagetiere Salmonella-Bakterien. Diese sollten normalerweise eine Infektion verursachen, sagen die Experten. Die Mediziner beobachteten dann, ob die Mäuse mit zusätzlichen ß-Amyloid eine bessere Abwehr gegen die Mikroben aufwiesen. Alle Testmäuse verstarben innerhalb von 96 Stunden. Es war aber festzustellen, dass Mäuse mit menschlichem Amyloid weniger Gewicht verloren, weniger Bakterien in ihrem Gehirn hatten und bis zu 30 Stunden länger lebten, erklären die Forscher. Als nächstes testeten die Wissenschaftler ihre Hypothese an dem Wurm Caenorhabditis elegans. Würmer mit ein Stamm von gentechnisch veränderten ß-Amyloid in ihren Eingeweiden überlebten bis zu 3 Tage länger nach einer Exposition durch Salmonellen und Hefe, fügen die Mediziner hinzu.
Amyloid-Plaques können sich wie ein antimikrobielles Peptid verhalten
Ältere Mäuse produzieren normalerweise im späteren Leben keine Amyloid-Plaques. Junge Mäuse bilden solche klebrigen Ablagerungen aber unmittelbar nach einer Infektion durch Salmonellen, sagt Tanzi. Die Tatsache, dass Amyloid sich wie ein antimikrobielles Peptid verhalten kann, ist wirklich überraschend und könnte möglicherweise einen neuen Blickwinkel für Alzheimer-Erkrankungen eröffnen. Möglicherweise könnte ein mikrobieller Krankheitserreger die Bildung der Plaques bei Alzheimer bedingen. Um für Klarheit zu sorgen, müssten Mediziner das Hirngewebe vieler Menschen untersuchen, die zuvor an der Alzheimer-Erkrankung gestorben sind, erläutern die Forscher. Dann müssten sie nach verschiedenen Krankheitserreger suchen und feststellen, ob die Mikroben von sogenannten Amyloid-Plaques umgeben sind, fügt Dr. Tanzi hinzu.
Dutzende frühere Studie hatten bereits infektiöse Erreger gesucht, die Alzheimer auslösen könnten. Diese Untersuchungen waren nicht systematisch genug, um einen wirklichen Täter zu identifizieren, erläutert Tanzi. Wenn die Wissenschaftler feststellen, dass bestimmte Mikroben im menschlichen Gehirn als Auslöser für Amyloid-Ablagerung fungieren, könnten vielleicht Antikörper entwickelt werden, die speziell darauf abzielen, diese Reaktion zu verhindern. Wenn ß-Amyloid eine wichtige Schutzfunktion in unserem Gehirn erfüllt, könnte es sinnvoll sein, das Protein-Fragment zu behandeln wie Cholesterin, sagen die Experten. Cholesterin wird von allen Zellen zwar benötigt, aber bei hohen Cholesterin-Werten kann es durchaus gefährliche Folgen für unseren Körper haben. Vielleicht muss ß-Amyloid also einfach nur verlangsamt und kontrolliert, aber keinesfalls komplett zerstört werden, mutmaßen die Autoren. (as)
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Wichtiger Hinweis:
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