Verbesserte objektive Diagnose von Schmerzen in Aussicht
Eine neue Methode vereinfacht die objektive Diagnose von Schmerzen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Bisher war eine solche Diagnose ein schwieriger und ungenauer Prozess, welcher sich fast ausschließlich auf die Selbsteinschätzung der Symptome durch die Betroffenen stützte.
Der neue Ansatz, welcher an der Cleveland Clinic entwickelt wurde, könnte die Diagnose von Schmerzen in Zukunft stark vereinfachen. Bei einer von dem Experten Dr. Carl Saab geleiteten Studie wurde die sogenannte Elektroenzephalografie (EEG) zusammen mit künstlicher Intelligenz zur möglichst genauen Schmerzdiagnose verwendet. Die Ergebnisse der Untersuchung können in dem englischsprachigen Fachblatt „NeuroImage“ nachgelesen werden.
Zuverlässiger als Smiley-Schmerzskala
Die Methode bietet eine deutliche Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Goldstandard für die Beurteilung von Schmerzen, der als Smiley-Schmerzskala bezeichnet wird. Diese Skala wird normalerweise bei der Primärversorgung oder in Notaufnahmen zur Einschätzung von Schmerzen verwendet, erläutert der Experte.
KI half Menschen mit Schmerzen zu klassifizieren
Dr. Saab und sein Team entwickelten und trainierten die künstliche Intelligenz (KI), um Schmerzen anhand von EEG-Scans von drei Gruppen objektiv zu erkennen und zu klassifizieren. Dabei handelte es sich um gesunde Personen, Menschen mit diagnostizierter Radikulopathie (Schädigung der Nervenwurzeln) und Personen mit chronischen Rückenschmerzen, bei denen eine Operation zur Implantation eines schmerzlindernden Rückenmarkstimulators geplant war.
Wie zuverlässig funktionierte der Computeralgorithmus?
Die Forschenden trainierten den Computeralgorithmus, um Muster in den EEGs der verschiedenen Gruppen von Teilnehmenden zu vergleichen und dies genau zu unterscheiden. Der maschinelle Lernalgorithmus schnitt bei der korrekten Unterscheidung zwischen gesunden Personen ohne Schmerzen und solchen mit chronischen Schmerzen deutlich besser ab als bisherige Methoden, berichten die Fachleute. Der Algorithmus unterschied auch genau zwischen Personen, die für eine Operation vorgesehen waren, und allen anderen Teilnehmenden.
Während sich frühere Studien zur EEG-basierten Schmerzerfassung auf eine lange EEG-Dauer konzentrierten, untersucht dieser neue Algorithmus kürzere Ereignisse auf der Sub-Sekunden-Skala und lieferte damit ein neues wissenschaftliches Verständnis der Schmerzmechanismen im menschlichen Gehirn, erklärt die Forschungsgruppe.
Vorteile einer automatisierten Schmerzdiagnose
„EEGs liefern uns so viele Daten und hilfreiche Informationen über sensorische Zustände, dass Werkzeuge der künstlichen Intelligenz notwendig sind, um die Information überhaupt zu entschlüsseln. Mit Hilfe unseres Algorithmus kann die Schmerzdiagnose nun viel präziser werden und, was noch wichtiger ist, ein automatisierter Prozess sein“, berichtet Dr. Carl Saab in einer Pressemitteilung der Cleveland Clinic.
Algorithmus erleichtert Pflegekräften die Arbeit
Der Algorithmus wird nicht nur dazu beitragen, den Prozess der Schmerzdiagnose zu automatisieren und zu rationalisieren, sondern er kann laut Dr. Saab auch helfen, die medizinische Entscheidungsfindung zu verbessern, indem er den Pflegekräften umsetzbare Informationen liefert.
Derzeit werden Menschen, welche für eine Implantation eines sogenannten Rückenmarkstimulators in Frage kommen, auf der Grundlage von subjektiven Selbstberichten der Personen und Empfehlungen eines Gremiums von Gesundheitsexperten nach Analyse der langfristigen Gesundheitsgeschichte der Betroffenen identifiziert.
Der neue Algorithmus könnte die Entscheidung von betroffenen Personen, sich einer Operation zu unterziehen, vereinfachen und rationalisieren, indem er schnell generierte und objektive empirische Beweise liefert, erklärt das Team.
Fehldiagnose erschwert richtige Behandlung
Eine Fehldiagnose von Schmerzen kann die Behandlung erschweren und hat zur Überverschreibung und zum Missbrauch von Opioiden beigetragen, und damit zu einer großen Gesundheitskrise in den Vereinigten Staaten, berichten die Fachleute weiter.
Methode könnten großen Einfluss auf Gesundheitswesen haben
„In Anbetracht der Tatsache, dass die Beurteilung neuer oder ungewöhnlicher Schmerzen ein üblicher Ansatzpunkt für die Diagnose der meisten Gesundheitsbeschwerden darstellt, ist es eine aufregende neue Methode, die das Gesundheitswesen potenziell verändern könnte. Dies könnte auch den Weg dafür ebnen, einen ähnlichen Ansatz für die Bewertung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angstzuständen anzuwenden“, fügt Dr. Carl Saab in der Pressemitteilung hinzu. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Joshua Levitt, Muhammad M. Edhi, Ryan V. Thorpe, Jason W. Leung, Mai Michishita et al.: Pain phenotypes classified by machine learning using electroencephalography features, in NeuroImage (veröffentlicht Volume 223, Dezember 2020), NeuroImage
- Cleveland Clinic: Diagnosing Pain With an Algorithm (veröffentlicht 28.01.2021), Cleveland Clinic
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.